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Gesundheitsstudie: Mit niedrigem Sozialstatus steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Personen mit hoher Bildung und gutem Beruf haben häufig ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie eine aktuelle Studie aus Mainz zeigt. Überraschend dabei ist, dass das Einkommen eine eher untergeordnete Rolle zu spielen scheint. Das Forscher-Team plädiert dafür, soziale und kulturelle Benachteiligung als Risikofaktor ernst zu nehmen.

 

Düsseldorf/Mainz, 30. April 2024 – Ein kardiologisches Forscher-Team der Universitätsmedizin Mainz hat eine neue Studie vorgestellt, die den Sozioökonomischen Status (SES) mit der Herzgesundheit von Personen ins Verhältnis setzt. Demnach ist auch in Deutschland ein niedriger SES mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Herzinfarkt, Herzschwäche, koronarer Herzkrankheit, Schlaganfall sowie einer höheren Sterblichkeit assoziiert. Während frühere internationale Studien zu ähnlichen Ergebnissen kamen, wird die Bedeutung des SES in der Mainzer Studie besonders hervorgehoben, da der Zugang zum Gesundheitssystem hierzulande weniger vom Einkommen abhängt.

 

Langzeitstudie bildet breiten Querschnitt der Gesellschaft ab

 

Die Analyse beruht auf den Daten von 15.000 Teilnehmenden der Mainzer Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS), die bereits seit 2007 läuft. Bis 2022 waren Personen im Alter von 35 bis 74 Jahren aus Mainz und Rheinhessen eingeschlossen. Für die Ermittlung des SES wurden verschiedene Merkmale der Lebensumstände herangezogen, wie der höchste Bildungsabschluss, der Beruf und das Einkommen.

 

„Wir haben festgestellt, dass innerhalb eines Untersuchungszeitraums von zehn Jahren (2012-2022) die Wahrscheinlichkeit für neu auftretende Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Personen mit niedrigem SES um 68% höher war. Auch hatten sie eine um 86% höhere Gesamtsterblichkeit im Vergleich zu Personen mit hohem SES“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Thomas Münzel. Münzel ist Seniorprofessor am kardiologischen Zentrum der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

 

Herzgesundheit: Bildung ist wichtiger als Einkommen

 

Beim Vergleich der Daten erwiesen sich der Bildungsstand und die Art der Beschäftigung als entscheidende Faktoren für das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, während das Nettohaushaltseinkommen insgesamt eine geringere Rolle zu spielen schien. Diese Assoziationen blieben auch nach Berücksichtigung von Faktoren wie Alter, Geschlecht, Lebensstil und kardiovaskulären Risikofaktoren bestehen.

 

Das ist insofern bemerkenswert, als dass Menschen mit höherem Einkommen in vielen Ländern und auch in Deutschland oft einen besseren Zugang zu privater Gesundheitsversorgung haben. Währenddessen sind Menschen mit niedrigerem Einkommen eher auf staatliche oder öffentliche Gesundheitssysteme angewiesen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Einkommen und somit vielleicht ein erleichterter Zugang zu einer Privatversicherung einen kleineren Einfluss im Vergleich zu Bildung und Beruf zu haben scheint“, sagt Dr. Omar Hahad, Erstautor der Studie. „Dennoch muss gesagt werden, dass alle Komponenten des SES miteinander substanziell zusammenhängen und eine klare Trennung schwierig ist.“

 

Die Studie legt vorerst die Vermutung nahe, dass Personen mit höherem SES möglicherweise weniger schädlichen Umweltbelastungen ausgesetzt sind und sich bewusster mit Gesundheitsfragen auseinandersetzen sowie einen gesünderen Lebensstil pflegen. Prävention scheint damit wichtiger zu sein als der Zugang zu einer, privat bezahlten Gesundheitsversorgung, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verhindern.

 

Soziale Benachteiligung als Gesundheitsrisiko ernst nehmen

 

Die Ergebnisse dieser Studie sollen ein Weckruf sein, um die potenziellen Gesundheitsrisiken durch soziale Benachteiligung ernst zu nehmen. „In der Prävention für sozial benachteiligte Personen liegen besondere Chancen. Wir möchten die Dringlichkeit betonen, den sozialen Status bei der Bewertung von Risiken und präventiven Maßnahmen zu berücksichtigen, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern und soziale Ungleichheiten zu verringern“, so Münzel.

 

Es ist deshalb wichtig, ein einfach zugängliches und verständliches Beratungs- und Aufklärungsangebot zu schaffen. Das Wissen um den Zusammenhang bestimmter Lebens- und Verhaltensweisen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist der erste Schritt, um ihnen vorzubeugen. Aufklärung ist eine der zentralen Aufgaben, der sich die Nationale Herz-Allianz verschrieben hat. Ein umfassendes Beratungsangebot finden Interessierte auf Herzmedizin.de.

 

 

Die Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS):

Die GHS, gestartet im Jahr 2007, ist eine der weltweit größten Bevölkerungsstudien ihrer Art. Sie zielt darauf ab, die Ursachen von Volkskrankheiten zu identifizieren und die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Durch regelmäßige Verlaufsuntersuchungen werden neue Erkenntnisse gewonnen, die für die Prävention und Therapie von Herz- und anderen Erkrankungen von entscheidender Bedeutung sind. 

 

Weiterführende Informationen zur Gutenberg Gesundheitsstudie:

Wild PS, Zeller T, Beutel M, et al. Die Gutenberg Gesundheitsstudie [The Gutenberg Health Study]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2012;55(6-7):824-829. doi:10.1007/s00103-012-1502-7

 

Originalpublikation der Studie:

Hahad O, Gilan DA, Chalabi J, et al. Cumulative social disadvantage and cardiovascular disease burden and mortality. Eur J Prev Cardiol. 2024;31(1):40-48. doi:10.1093/eurjpc/zwad264

 

Wissenschaftlicher Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, Seniorprofessor, Zentrum für Kardiologie, Kardiologie I
Universitätsmedizin Mainz
Telefon: 06131 17-7250, E-Mail: tmuenzel@uni-mainz.de

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