Herzinfarkt-Verdacht: hs-Troponin-Schnelltest könnte Diagnose beschleunigen

Bei Patienten mit Brustschmerz lässt sich in Zukunft vielleicht ein Herzinfarkt noch schneller ausschließen als bisher. Ein hochsensitiver Troponin-Schnelltest hat in einer Studie extrem verlässliche Ergebnisse geliefert.

Von Veronika Schlimpert

 

10.03.2020

Weltweit stellen sich jedes Jahr 10 Millionen Patienten mit Brustschmerz in der Notaufnahme vor. An dieser beträchtlichen Zahl wird deutlich, wie wichtig es ist, all jene Personen schnell zu identifizieren, die kein akutes Koronarsyndrom (ACS) oder andere lebensbedrohliche Komplikationen haben, um Notfallambulanzen nicht zu überlasten.

Schneller als hochsensitive Troponintests im Labor

Eine NSTEMI-Ausschlussdiagnose lässt sich womöglich künftig noch schneller stellen, als es aktuell mit den klassischen laborbasierten hochsensitiven Troponintests (hs-cTn) möglich ist. Schweizer Wissenschaftler haben einen hs-cTn-Schnelltest (Point-of-Care, POC) erfolgreich an 1.261 Patienten, die wegen akuter Brustschmerzen in der Notaufnahme vorstellig wurden, getestet.

 

„Der POC-hs-cTnI-TriageTrue-Assay biete eine hohe diagnostische Genauigkeit bei Patienten mit Verdacht auf einen Herzinfarkt“, resümieren die Autoren um Dr. Jasper Boeddinghaus von der Universitätsklinik in Basel. Die klinische Performance sei mindestens so gut wie bei den am besten validierten Labor-Assays.

 

Entwickelt wurde der TriageTrue-Assay von der Diagnostik-Firma Quidel Corporation, die auch am Sponsoring der Studie beteiligt war. Den Vergleich musste der Test mit den laborbasierten hs-cTnT-Elecsys von Roche Diagnostic und dem hs-cTnI-Architect von Abbott antreten.

Hohe diagnostische Genauigkeit

Bisherige POC-Tests zur Messung von hochsensitiven Troponin waren zwar in der Lage, die Durchlaufzeit im Vergleich zu hs-cTn-Messungen in Zentrallaboren um bis zu 30 bis 60 Minuten zu senken. Bzgl. der analytischen und klinischen Sensitivität mussten sie sich allerdings gegen die Labor-Assays geschlagen geben. Seither wurden unterschiedliche Modifikationen vorgenommen, um die Schnelltests zu optimieren – offenbar mit Erfolg, wie die aktuellen Ergebnisse verdeutlichen:

 

  • Mit einer einzelnen hs-cTnI-TriageTrue-Messung (Cut-off: ˂ 3 ng/L) zum Aufnahmezeitpunkt ließen sich alle Patienten mit Verdacht auf einen NSTEMI identifizieren, die ein niedriges Risiko hatten (insgesamt 45%): mit einem negativen prädiktiven Wert (NPV) und einer Sensitivität von 100% (direkter Rule-Out).
  • Im Falle eines direkten Rule-In (˃ 60 ng/L) lag der positive prädiktive Wert (PPV) des POC-hs-cTnI-Tests bei 76,8% und die Spezifität bei 97,1%.
  • Der 0/1-h-Algorithmus mit dem TriageTrue konnte einen Herzinfarkt mit einem NPV und einer Sensitivität von 100% sicher ausschließen; als Rule-Out-Kriterium galt ein hs-cTnI von ˂ 4 ng/L zum Aufnahmezeitpunkt (falls der Beginn der Symptome mehr als 3 Stunden zurückliegt) oder ˂ ein 5 ng/L zum Aufnahmezeitpunkt und eine fehlende Dynamik nach einer Stunde (Delta 1 h ˂ 3 ng/l). 
  • Für eine Rule-In-Diagnose (h 0  ≥ 60 ng/L oder Delta 1 h ≥ 8 ng/l) lag die PPV bei 76,8% und die Spezifität bei 95,0%.
  • Bei etwa einem Viertel Patienten war das Testergebnis nach einer Stunde uneindeutig, sodass diese weiter beobachtet werden mussten. 
  • Die kumulative kardiovaskuläre Eventrate bei den Rule-Out-Patienten betrug 0,2% nach 30 Tagen und 1,6% nach 2 Jahren.

Damit könnte der 0/1-Algorithmus überall möglich sein

Ein Vorteil des Schnelltests ist nach Ansicht der Studienautoren, dass dieser die Implementation des von der ESC empfohlenen 0/1-h-Algorithmus in die Praxis erleichtern könnte. Es sei zu erwarten, dass dadurch die Zeit bis zur Diagnose und zur Entlassung aus der Notaufnahme sogar noch mehr verkürzt werde, als es bisher mit den laborbasierten hs-Troponin-0/1-Algorithmus zu erreichen ist, erläutern sie den praktischen Nutzen. Zudem wären durch einen solchen Schnelltest auch kleinere Krankenhäuser, Ambulanzen und Praxen ohne Anschluss eines Zentrallabors in der Lage, den 0/1-h-Algorithmus zu implementieren.

„Extrem vielversprechende Ergebnisse“

Äußerst positiv äußert sich Dr. Paul Collinson in einem begleitenden Editorial zu den aktuellen Entwicklungen: Die Ergebnisse seien extrem vielversprechend und würden zukünftige potenzielle Wege für die Troponinmessung herausstellen, schreibt der am George University Hospital in London tätige Pathologe und Biomarker-Spezialist.

 

Er glaubt allerdings nicht, dass es deshalb zu einer Änderung der Praxis kommt. Dafür sei eine unabhängige Validierung der analytischen und klinischen Performance des Tests erforderlich, begründet er seine Einwände. Zudem müssten weitere Studien prüfen, wie der Test unter Real-Time-Bedingungen funktioniert, entweder als Vergleichsanalyse oder idealerweise in einem klinischen Studienformat (direkte Randomisierung oder Cluster-Randomisierung).


Literatur

Boeddinghaus J et al. Early Diagnosis of Myocardial Infarction With Point-of-Care High-Sensitivity Cardiac Troponin I. J Am Coll Cardiol. 2020 Mar, 75 (10) 1111-24.

 

Collinson P. Cardiac Troponin by Point-of-Care Testing: The Once and Future King? J Am Coll Cardiol. 2020 Mar, 75 (10) 1125-7.

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