https://doi.org/10.1007/s00392-025-02625-4
1Universitätsklinikum Giessen und Marburg GmbH Klinik für Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin Marburg, Deutschland; 2Zentralklinik Bad Berka GmbH Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin Bad Berka, Deutschland
Hintergrund: Die Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) ist ein etabliertes Verfahren, insbesondere für die Behandlung von Hochrisikopatienten. Die periprozedurale Risikobewertung erfolgt derzeit überwiegend mithilfe klinischer Scores, wie dem EuroSCORE II, die ursprünglich zur Einschätzung des operativen Risikos entwickelt wurden. Derartige Scores sind im Rahmen der TAVI-Prozedur jedoch nur eingeschränkt anwendbar, da beide Verfahren, Patientenkollektive und entsprechende Risikokonstellation erheblich differieren. Die Anpassung prädiktiver Scores und Modelle scheint daher unumgänglich, um die Patientenauswahl, das individualisierte Management und damit das Outcome weiter zu optimieren.
Methoden: Daten von insgesamt 2.256 Patienten, die zwischen Januar 2017 und Dezember 2022 am Universitätsklinikum Marburg und am Zentralklinikum Bad Berka, eine TAVI erhielten, wurden analysiert. Insbesondere waren dies demographische Patientendaten, Komorbiditäten und prä- und postprozedurale Ereignisse. Prädiktoren für die 30-Tage und 1-Jahres-Mortalität wurden mittels multivarianter logistischer und LASSO (Least Absolute Shrinkage and Selection Operator) Regressionsanalysen identifiziert. Ebenso wurde das Auftreten periprozeduraler Komplikationen mit dem Outcome korreliert.
Ergebnisse: In einem multiplen Regressionsmodell zur Vorhersage der 1-Jahres-Mortalität (AUC 0,747; 95 % CI 0,705-0,789) konnten signifikante unabhängige Prädiktoren identifiziert werden. Hierzu gehören das Alter (>81,5 Jahre), das NYHA Stadium IV, das Vorliegen einer COPD (GOLD ≥2), vorbestehendes Vorhofflimmern, ein Apoplex oder Malignom in der Anamnese, ein erhöhtes C-reaktives Protein (≥9,5 mg/L) und ein echokardiograhisch ermittelter ΔPmean der Aortenklappe von ≥48,5 mmHg vor TAVI. Die Validität der Prädiktoren wurde mittels LASSO-Analyse bestätigt. Zudem konnten im Rahmen der LASSO-Analyse zwei weitere Prädiktoren ermittelt werden, die die Validität des Modells nochmals optimierten (AUC 0,770; 95% CI 0,731-0,809): die periphere arterielle Verschlusskrankheit (> Stadium 2) und eine niedrige Thrombozytenzahl (≤228,5 g/l). Die Ergebnisse in dieser Kohorte lagen damit deutlich über denen des derzeit in der Praxis verwendeten EuroSCORE II (AUC 0,645; 95% CI 0,599-0,691). Für die 30-Tages-Mortalität war eine schwere symptomatische Herzinsuffizienz (NYHA Klasse IV) der einzige signifikante Prädiktor in einem logistischen Regressionsmodell (OR 3.34, 95% CI 1.68-6.66, p=0.001), wobei die LASSO-Analyse eine vorbekannte Niereninsuffizienz und niedrige Natriumwerte vor der TAVI als zusätzliche Prädiktoren identifizierte (AUC 0,699; 95 % CI 0,611-0,788).
Schlussfolgerungen: Die identifizierten Prädiktoren scheinen dem EuroSCORE II hinsichtlich der prädiktiven Genauigkeit zur Vorhersage der 1-Jahres-Mortalität überlegen zu sein. Diese Ergebnisse stützen die Annahme, dass innovative prädiktive Modelle mit höherer prognostischer Validität die Patientenselektion und Behandlungsentscheidungen verbessern und so die klinischen Ergebnisse weiter optimieren könnten.