Die nicht-invasive Koronardiagnostik mittels kardialer Computertomographie (CCTA) für Patientinnen und Patienten mit niedriger bis mittlerer Vortestwahrscheinlichkeit und Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung ist etablierter Standard in der KHK-Diagnostik gemäß den aktuellen Leitlinien.1,2 Die CCTA zeichnet neben der hervorragenden diagnostischen Aussagekraft auch ein hoher prognostischer Nutzen für das Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen aus, was in zahlreichen großen multizentrischen Studien gezeigt werden konnte (SCOT-Heart, PROMISE, DISCHARGE).3–5 Die frühzeitige Detektion einer subklinischen Atherosklerose durch eine initial nicht-invasive Diagnostikstrategie ermöglicht eine optimale, personalisierte Risikostratifizierung und Präventionstherapie, die wesentlichen Einfluss auf das kardiovaskuläre Outcome haben. Um das zukünftige Präventionsmanagement der KHK festlegen zu können, ist es folglich von zentraler Bedeutung, zunächst die wahre Prävalenz der koronaren Atherosklerose in der Allgemeinbevölkerung zu definieren.
In diesem Zusammenhang wird hier die Studie „Rationale and Design of SCOT-HEART 2 Trial: CT Angiography for the Prevention of Myocardial Infarction“ vorgestellt, welche im Juli 2024 in JACC: Cardiovascular Imaging veröffentlicht wurde.6
Zur Risikostratifizierung für das Auftreten unerwünschter kardiovaskulärer Ereignisse sind klinische Risiko-Scores (SCORE-2 risk score, ASCVD Risk Estimator) etabliert, obwohl der Nutzen dieser Scores in keinen randomisierten, kontrollierten Studien nachgewiesen werden konnte. Darüber hinaus ändert sich die Prävalenz der KHK sowie der Einfluss der kardiovaskulären Risikofaktoren über die Zeit, sodass Risiko-Prädiktions-Modelle diese dynamischen Prozesse nur unzureichend erfassen können. Ebenso sind Frauen und jüngere Patientinnen und Patienten in den bestehenden Risikoscores nur unzureichend abgebildet. Wünschenswert wäre daher ein personalisiertes Screening für das Vorliegen einer subklinischen Atherosklerose, welches durch die nicht-invasive CCTA gewährleistet ist. Die CCTA ermöglicht nicht nur eine Beurteilung des Stenosegrades, sondern auch der zugrundeliegenden Plaquelast und -morphologie.
Die SCOT-HEART-2-Studie ist eine prospektive, open label, randomisiert kontrollierte Studie, welche den Einfluss der CCTA gegenüber einer Risiko-Score-basierten Stratifizierung als primären Screeningtest für die Primärprävention untersucht (s. Abb. 1). Zur klinischen Risikostratifizierung wird der ASSIGN 10-year cardiovascular risk score (Scottish Intercollegiate Guidelines Network) angewandt. Dieser berücksichtigt neben den klassischen Risikofaktoren und der familiären Disposition auch den Sozialstatus.
Insgesamt sollen mindestens 6000 asymptomatische Patientinnen und Patienten aus Schottland zwischen 40 und 70 Jahren eingeschlossen werden. Die Studienteilnehmenden müssen mindestens einen kardiovaskulären Risikofaktor aufweisen, ausgeschlossen sind Probandinnen und Probanden mit bekannter KHK oder atherosklerotischer Erkrankung, sowie invasiver oder nicht-invasiver Koronarangiographie in den vergangenen fünf Jahren. Die Teilnehmenden werden zur Risikostratifizierung und primären Präventionstherapie 1:1 randomisiert in eine Gruppe mit Standardbehandlung (basierend auf dem ASSIGN risk score) gegenüber einer Gruppe mit CCTA. Der Agatston Calcium Score wird ebenfalls erfasst, die Ergebnisse fließen aber nicht in die Therapieentscheidung ein. Dies stellt eine wichtige Limitation der Studie dar, da bisher eine Risikostratifizierung von asymptomatischen Patientinnen und Patienten mittels Calcium Scoring erfolgte. Ein direkter Vergleich der Effektivität des Calcium Scorings gegenüber der CCTA ist im Studienprotokoll nicht vorgesehen.
Neben der Lebensstilmodifikation ist eine medikamentöse Intervention mit Statinen und/oder Thrombozytenaggregationshemmer in Abhängigkeit der Ergebnisse der Risikostratifizierung vorgesehen.
Der primäre Endpunkt ist ein Komposit aus nicht-fatalem Myokardinfarkt und koronarem Herztod. Die sekundären Endpunkte umfassen die klassischen MACCE (major adverse cardiac and cerebrovascular events) sowie die Notwendigkeit der invasiven Koronardiagnostik und Revaskularisation. Als Follow-up ist ein Studienzeitraum von fünf Jahren geplant. Zur Erfassung der Lebensqualität werden darüber hinaus standardisierte Fragebögen an die Studienpatientinnen und -patienten verschickt.
Die Studienautorinnen und -autoren erhoffen sich von der SCOT-HEART-2-Studie eine signifikant verbesserte Reduktion an kardiovaskulären Ereignissen unter Verwendung einer nicht-invasiv bildgebungsgeführten Primärprävention unter Verwendung der CCTA gegenüber einer klassischen Risikostratifizierung und Prävention basierend auf klinischen Risikoscores. Wichtig ist hervorzuheben, dass das größte Potential der CCTA in der frühzeitigen Detektion einer subklinischen Atherosklerose und damit in einer frühzeitigen medikamentösen Intervention durch die Gabe von lipidsenkenden Medikamenten liegt, was nachweislich eine Plaquestabilisierung ermöglicht. In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse der multizentrischen LOCATE-Studie hervorzuheben, welche den positiven Einfluss der Intensität einer Statintherapie auf die effektive Plaquestabilisierung und Plaqueregression per CCTA nachweisen konnte.7
Es ist nur schlüssig zu vermuten, dass eine optimale personalisierte Risikostratifizierung und Präventionsstrategie bei asymptomatischen Patientinnen und Patienten mit hoher Sensitivität das Lebenszeitrisiko für kardiovaskuläre Ereignisse reduziert. Die CCTA könnte somit eine Verbesserung der Identifizierung notwendiger präventiver Therapien im Vergleich zu herkömmlichen klinischen Risikoscores in der Allgemeinbevölkerung ermöglichen und einen Paradigmenwechsel herbeiführen.
Zur Übersichtsseite Diagnostik
Zur Übersichtsseite Prävention