Die europäischen Leitlinien1 empfehlen für Patient:innen mit atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen oder sehr hohem Risiko, LDL-Cholesterinwerte (LDL-C) < 55 mg/dl zu erreichen und die Ausgangswerte um mindestens 50 % zu senken. Allerdings zeigen frühere Registerstudien und Umfragen wie das Monica-Projekt2,3 und die Euroaspire Surveys4,5, dass selbst ältere, höhere Zielwertempfehlungen oft unerreicht blieben. Wie ist die aktuelle Lage im deutschen Behandlungsalltag? Zeigen sich dabei Unterschiede zwischen hausärztlicher Versorgung und der Therapie durch niedergelassene Kardiolog:innen? Diesen Fragen geht das neue Lipid-SnapShot-Projekt nach und liefert erste Ergebnisse für 2023.
Dr. Winfried Haerer, Herzklinik Ulm, leitet zusammen mit Prof. Oliver Weingärtner, Uniklinikum Jena, das Lipid-SnapShot-Projekt und erklärt: „Wir möchten mit der Studie ein realistisches Bild der Patientenversorgung in Deutschland zeichnen. In der Regel besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen den Empfehlungen und der tatsächlichen Versorgung.“ Deshalb werden jährlich insgesamt drei Querschnittsuntersuchungen (SnapShots) von 2023 bis 2025 in kardiologischen Praxen vorgenommen, in denen der Lipidstatus und die cholesterinsenkende Therapie bei KHK-Patient:innen in der Sekundärprävention erfasst werden. Nach jedem Snapshot erfolgt ein Vergleich der Erhebungen bei den niedergelassenen Kardiolog:innen mit Bestandsdaten zur hausärztlichen Versorgung aus der IQVIA-Disease-Analyzer-Datenbank.
Das Lipid-SnapShot-Projekt wurde durch das DGK-Zentrum für Kardiologische Versorgung (DGK-ZfKVF) initiiert. An dem Forschungsvorhaben arbeiten das DGK-Zentrum für kardiologische Versorgungsforschung, die BNK Service GmbH und die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga) e.V. zusammen, unterstützt von Novartis.
Für 2023 ist die Erhebung für das prospektive, multizentrische, nicht-interventionelle Register bereits abgeschlossen. Haerer erläutert: „In 49 kardiologischen Praxen bundesweit wurden über einen Zeitraum von 4 Wochen die Daten von 1.500 Patient:innen mit chronischem Koronarsyndrom dokumentiert: Lipidprofil, Begleiterkrankungen und medikamentöse Therapie.“ Im Herbst 2024 und im Jahr 2025 sind jeweils ein weiterer SnapShot mit 1.500 Patient:innen geplant, sodass insgesamt Daten von 4.500 Patient:innen erhoben werden.
„Erste Ergebnisse des ersten SnapShots konnten bereits ausgewertet werden“, sagt der Projektleiter. „So kann vorläufig festgehalten werden, dass die Versorgung im niedergelassenen kardiologischen Bereich hinsichtlich der untersuchten Parameter tendenziell besser war als im hausärztlichen Bereich.“ Weitere Aufschlüsse sind zur kommenden Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) zu erwarten. Haerer: „Interessant wird die Frage sein, inwieweit sich Patientenkollektive identifizieren lassen, welche die Versorgung beeinflussen – zum Beispiel nach Regionen, Geschlecht oder Begleiterkrankungen.“
Nach Ablauf der drei SnapShots wird abschließend analysiert, ob eine Zunahme der leitlinienkonformen Behandlung bei den Patient:innen zu verzeichnen ist und inwiefern Unterschiede bei der Behandlung durch Kardiolog:innen und Hausärzt:innen bestehen. Haerer zeigt sich zuversichtlich, dass die Studienergebnisse dazu beitragen können, die Umsetzung der Leitlinien zu verbessern und Optimierungsmöglichkeiten bei der Versorgung kardiologischer Patient:innen aufzuzeigen.