Hintergrund: Die COVID-19-Pandemie hat weltweit zu Einschränkungen in allen wichtigen Versorgungsbereichen des Gesundheitswesens geführt. Nach bisherigen Studiendaten war die COVID-19-Pandemie auch mit einer Änderung der Inzidenz stationär versorgter Herzinfarktfälle assoziiert. Wie sich die Versorgungszeiten und das Outcome bei Myokardinfarkt während der COVID-19-Pandemie im Vergleich zur Zeit davor in Berlin entwickelt haben, ist bisher unklar. Die vorliegende Studie untersucht anhand der Daten des Berlin-Brandenburger Herzinfarktregisters (B2HIR) die dokumentierte Inzidenz, die Versorgungszeiten und die Fallsterblichkeit vor und während der Pandemie in Berlin.
Methoden: Analysiert wurden 11 867 Herzinfarktfälle, die vom 1.3.2018 bis 29.12.2019 (Vor-Pandemiezeitraum) und vom 1.3.2020 bis 29.12.2021 (Pandemiezeitraum) in am B2HIR teilnehmenden Berliner Kliniken (n=20) ≤24h nach Symptombeginn stationär behandelt wurden. Zudem wurden innerhalb des Pandemiezeitraums die Infektionswellen 1 bis 4 jeweils gesondert betrachtet, und es wurden kalendarisch zu den Wellen analoge Zeiträume während des Vor-Pandemiezeitraums definiert und verglichen.
Ergebnisse: Während der Covid-19-Pandemie wurden 14% weniger Herzinfarktpatientinnen und -Patienten stationär behandelt und im B2HIR dokumentiert als im Vergleichszeitraum (p<0,01). Die mediane Prähospitalzeit (Symptombeginn bis Krankenhausaufnahme) unterschied sich nicht signifikant während vs. vor der Pandemie. Die mediane Door-to-balloon-Zeit (DTB) bei STEMI war während 1, 3 und 4 Pandemiewellen und kumulativ während der Pandemie signifikant kürzer als im Vergleichszeitraum. Die Krankenhaussterblichkeit war während der Pandemiewellen vs. der Vergleichszeiträume nicht signifikant verschieden. (Resultate im Detail s. Tab. 1)
Schlussfolgerung: Auch in Berlin war ein Rückgang der Inzidenz stationär behandelter akuter Herzinfarkte während der COVID-Pandemie im Vergleich zur Zeit davor zu verzeichnen. Die Ursache hierfür kann in einer echten Minderung der Inzidenz, in patientenseitiger Zurückhaltung in der Kontaktaufnahme zum Rettungssystem oder in einer höheren Zahl später (nach >24h) behandelter Infarkte oder in einer höheren Zahl unbehandelter Herzinfarkte liegen. Die Prähospitalzeiten der stationär Behandelten waren vor und während der Pandemie vergleichbar, die Versorgungszeit im Krankenhaus war während der Pandemie überwiegend kürzer. Hieraus lässt sich ableiten, dass trotz der Belastung durch die Pandemie die prästationären und stationären Versorgungsstrukturen in Berlin funktional waren.
Tab. 1
| |
Vor-Pandemiezeitraum
|
Pandemiezeitraum
|
|
|
Jahr
|
2018
|
18/19
|
2019
|
2019
|
2020
|
20/21
|
2021
|
2021
|
|
|
Welle
|
1. Welle Mär-Aug
|
2. Welle
Sep-Feb
|
3. Welle Mär-Jun
|
4. Welle Jul-Dez
|
1. Welle Mär-Aug
|
2. Welle Sep-Feb
|
3. Welle Mär-Jun
|
4. Welle Jul-Dez
|
p-Wert
|
|
Anzahl/Welle
|
1743
|
1797
|
1196
|
1641
|
1542
|
1534
|
1021
|
1393
|
alle <0,01
|
|
Anzahl kumuliert
|
6377
|
5490
|
<0,01
|
|
Prähospitalzeit
(Md in h.; Q1/Q3)
(STEMI; n=4878)
|
1,8
1,1/3,6
|
1,8
1,2/3,5
|
1,7
1,1/3,3
|
1,7
1,2/3,2
|
1,9
1,2/4,2
|
1,8
1,2/3,7
|
1,7
1,1/3,6
|
1,8
1,2/3,8
|
alle >0,05
|
|
Prähospitalzeit
kumulativ
(Md in h.; Q1/Q3)
|
1,8
1,1/3,4
|
1,8
1,2/3,8
|
>0,05
|
|
DTB
(Md in min.; Q1/Q3) (STEMI; n=4802)
|
69
45/103
|
63
43/96
|
68
44/98
|
63
44/101
|
63
44/96
|
65
41/99
|
60
42/89
|
59
40/87
|
alle <0,05 außer Welle 2 (p=0,63)
|
|
DTB kumulativ
(Md in min.; Q1/Q3)
|
66
44/100
|
61
42/94
|
<0,01
|
|
Sterblichkeit (%)
|
7,5
|
7,4
|
6,2
|
7,2
|
8,4
|
7,1
|
7,1
|
8
|
alle >0,05
|
|
Sterblichkeit
kumuliert (%)
|
7,1
|
7,7
|
>0,05
|