Ein 49-jähriger männlicher Patient wird vom Notarzt aufgrund einer Synkope hoch oben auf einem Baugerüst in unsere Notaufnahme eingeliefert. Der Patient ist unverletzt. Beim Eintreffen des Notarztes war der Patient wach, bereits reorientiert und klagte über typische Angina Pectoris, Dyspnoe und Schwindel. Der Blutdruck ist 110/80 mmHg. Im EKG bestand eine rhythmische Breitkomplextachykardie mit Herzfrequenz 204/min (Abbildung 1), die nach notärztlicher Gabe von Metoprolol und Magnesium i.v. sistierte. Eine Dauermedikation wurde nicht eingenommen. Es bestand ein langjähriger Nikotinabusus. Vergangene Rhythmusereignisse, Palpitationen, Synkopen oder andere Vorerkrankungen wurden verneint. Er sei bei seiner Arbeit auf der Baustelle immer gut belastbar gewesen.
Es bestand eine positive Deltawelle in I, II, aVL, V2-V6 und negativ in III, aVF, und V1 (Abbildung 2). Entsprechend des St. George‘s Algorithmus zur Lokalisation von akzessorischen Leitungsbahnen1, 2 wurde eine rechtsseitige posteroseptale Bahn vermutet.
Nach femoraler, venöser Punktion erfolgte die Positionierung eines multipolaren diagnostischen Katheters im hohen rechten Vorhof (HRA-), in HIS-Position und im rechten Ventrikel (RV). Der Versuch einen mehrpoligen Koronarsinus-(CS) Katheter zu platzieren war frustran, ebenso der anschließende Versuch einer direkten Angiographie des CS (AL1, AL2, RA Angiographie mittels Pigtail), die in Anbetracht der vermuteten septalen Lage der Bahn angestrebt wurde. Über eine transradial geführte Koronarangiographie wurde die CS-Anatomie indirekt dargestellt: Es zeigt sich kein CS-Divertikel, jedoch eine Anomalie des Koronarvenensinus mit atypischer Drainage in den rechten Vorhof (Abbildung 3), sodass auf einen CS-Katheter verzichtet wird.
Nach ausgedehntem konventionellem Mapping am Trikuspidalring kann bei frühester Aktivierung rechtsatrial, posteroseptal mittels 8 mm F-Kurve die akzessorische Bahn erfolgreich lokalisiert (Abbildung 4) und mit RF-Strom abladiert werden, max. 60 W ungekühlt , max. 80 Sekunden, gesamt 1100 Sekunden.
Der Patient ist anschließend beschwerdefrei, das Ruhe-EKG vor Entlassung zeigt keine Präexzitation, auch ein postprozedurales Langzeit-EKG ist unauffällig, sodass der Patient am nächsten Tag entlassen wird und seine Arbeit wieder aufnehmen kann.
Entsprechend der DGK Pocket-Leitlinie: Fahreignung bei kardiovaskulären Erkrankungen (Version 2018) kann als Privatfahrer bei WPW-Syndrom mit Synkope nach effektiver Therapie eine Fahreignung attestiert werden. Für Berufskraftfahrer sieht die Leitlinie ein zusätzliches Intervall von einem Monat mit fachärztlicher Nachuntersuchung vor. Dem Bauarbeiter empfahlen wir die Kontrolle nach 4 Wochen abzuwarten, bevor er wieder in großer Höhe auf dem Gerüst arbeitet.
Eine Synkope auf dem Baugerüst kann lebensgefährlich sein. Die Ursache muss auch bei einem Erstereignis umfassend abgeklärt werden, denn in vielen Fällen, wie beim WPW-Syndrom, ist eine kurative Therapie bei geringem periprozeduralem Risiko möglich.
Der Fall zeigt die Variabilität des Koronarvenensystems. Die Elektrophysiologische Diagnostik oder eine Implantation von CRT-Systemen kann dadurch zumindest erheblich erschwert werden. Neben beschriebenen CS Anomalien wie hypoplastischer oder vergrößerter CS, Fehlen des CS, persistierende linke obere Hohlvene, Koronarsinusdefekt (Kommunikation zw. CS und LA, auch „unroofed CS“ genannt)3,4 existieren weitere Anomalien, die eine Sondierung erschweren oder nicht zulassen. Die Anatomie kann über eine Koronarangiographie indirekt dargestellt werden.
Nach WPW-Syndrom mit Synkope und effektiver Therapie besteht für Privatfahrer keine Einschränkung der Fahreignung. Berufskraftfahrern kann einen Monat nach effektiver Therapie und einer kardiologischen Nachuntersuchung die Fahreignung attestiert werden.