PCSK9 ist ein nahezu ideales pharmakologisches Ziel zur Senkung des LDL-Cholesterins.2 Mit den monoklonalen Antikörpern Evolocumab und Alirocumab sowie der small-interfering RNA Inclisiran stehen sichere, potente und gut verträgliche Medikamente zur Verfügung. Trotzdem erreichen viele kardiovaskuläre Hochrisiko-Patienten und -Patientinnen das LDL-C-Ziel nicht.3 Dies ist insbesondere bei Patient:innen mit heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie (HeFH) relevant.
Es handelt sich um eine der häufigsten genetischen Erkrankungen, mit einer Prävalenz von 1 : 300. Bei den Betroffenen treten aufgrund der lebenslang erhöhten LDL-C-Konzentrationen frühzeitig kardiovaskuläre Ereignisse wie Myokardinfarkte auf.4 Die HeFH ist unterdiagnostiziert und untertherapiert. In der Phase 3-Studie „LIBerate HeFH“ wurde die Sicherheit und Wirksamkeit des neuen PCSK9-Inhibitors Lerodalcibep bei Patientinnen und Patienten mit HeFH untersucht.
Lerodalcibep ist ein Fusionsprotein. Es ist zusammengesetzt aus humanem Serumalbumin und Adnektin, das PCSK9 bindet. Die Bindung des Adnektins an Serumalbumin erhöht die Löslichkeit und Halbwertszeit von Lerodalcibep, sodass ein geringes Injektionsvolumen und eine nur monatliche subkutane Applikation nötig ist, um eine anhaltende LDL-C-Senkung zu erzielen.
Lerodalcibep verhindert die Interaktion von PCSK9 mit dem LDL-Rezeptor – ähnlich zu den monoklonalen PCSK9-Antikörpern. Dies erhöht die Verfügbarkeit des LDL-Rezeptors und senkt damit die LDL-C-Konzentration.
In der Phase 3-Studie „LIBerate HeFH“ wurden 478 Patient:innen mit HeFH 2 : 1 zu Lerodalcibep oder Placebo randomisiert. Das Studienmedikament wurde monatlich (1,2 ml , 300mg) für 24 Wochen appliziert. Das mittlere Alter der Studienteilnehmenden betrug 53 Jahre. Es wurden mehr Frauen als Männer eingeschlossen, 88 % der Teilnehmenden erhielten Statine, 50 % Ezetimib. Das LDL-C bei Studieneinschluss betrug 3,9 mmol/l.
Im Vergleich zu Placebo wurde das LDL-C unter Lerodalcibep nach 24 Wochen um 59 % gesenkt. Freies PCSK9 fiel um 94 %. Bezüglich der sekundären Endpunkte Apolipoprotein B und Lipoprotein(a) konnte eine Senkung um 46 % bzw. 24 % im Vergleich zu Placebo erzielt werden, vergleichbar mit anderen PCSK9-Inhibitoren. 68 % der Patientinnen und Patienten erreichten eine LDL-C-Senkung > 50 % und den LDL-C-Zielbereich nach EAS/ESC-Empfehlung.
Das interindividuelle Ansprechen war konsistent, nahezu alle Patientinnen und Patienten sprachen an. Dies war unabhängig von Geschlecht, Alter, BMI und zusätzlicher oraler lipidsenkender Therapie. Studienautor Frederick Raal von der Witwatersrand-Universität in Südafrika betonte: „Diejenigen mit niedriger Statindosierung und diejenigen mit hoher Statindosierung wiesen ein ähnliches Therapieansprechen auf.“ Reaktionen an der Injektionsstelle waren häufiger in der Verum-Gruppe (10 % vs. 1,3 %), wurden jedoch insgesamt als mild eingestuft. Es gab keine Unterschiede in der Anzahl schwerwiegender unerwünschter Arzneimittelwirkungen und kein relevantes Sicherheitssignal.
Der neue PCSK9-Inhibitor Lerodalcibep beruht auf einem neuen Wirkprinzip. Es konnte eine zusätzliche LDL-C-Senkung um 59 % bei Patient:innen mit HeFH dokumentiert werden, vergleichbar zu den bereits verfügbaren PCSK9-Inhibitoren.
Eine Endpunktstudie zu Lerodalcibep steht noch aus. Da verschiedene PCSK9-Inhibitoren zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, welche Patientengruppen von welchem Therapeutikum am meisten profitieren. Ein direkter Vergleich von Lerodalcibep mit Inclisiran wird in der „LIBerate-VI“-Studie untersucht.
Für die meisten praktizierenden Ärztinnen und Ärzte sind nicht mehr Unsicherheiten bezüglich der Wirksamkeit oder Sicherheit von PSCK9-Inhibitoren limitierend für eine Verordnung, sondern der Zugang zu diesen Medikamenten. Lerodalcibep weist potenzielle Vorteile hinsichtlich Applikationsintervall und geringerem Injektionsvolumen auf. Unter der Annahme, dass analog zu den PCSK9-Antikörpern auch Inclisiran und Lerodalcibep kardiovaskuläre Ereignisse verhindern, würden mittelfristig ganz neue Überlegungen zur differenzierten Anwendung eines bestimmten PCSK9-Inhibitors relevant werden, die neben der LDL-senkenden Potenz, der Applikation (Injektionsvolumen und -intervall) insbesondere auch Kostenaspekte betreffen könnten. Für eine bessere Versorgung der Hochrisiko-Patienten und -Patientinnen kann das nur von Vorteil sein.