Die endovaskuläre Revaskularisierung mittels Paclitaxel-beschichteter Ballonangioplastie zur Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) hat sich im femoropoplitealen Segment als wirksame Therapieoption erwiesen. Der antiproliferative Effekt von Paclitaxel verhindert Restenosen. Allerdings gibt es Hinweise auf ein erhöhtes Amputations- und Mortalitätsrisiko ab 2 Jahren nach Angioplastie mit Paclitaxel-beschichteten Ballons. Dies könnte auf einen dosisabhängigen zytotoxischen Effekt von Paclitaxel zurückzuführen sein.1,2 Das erhöhte Mortalitätsrisiko ist zwar durch eine neuere Meta-Analyse3 weitestgehend widerlegt worden, jedoch ist die Verunsicherung bei Ärzten und Patienten hinsichtlich der Verwendung von Paclitaxel weiterhin hoch. Sirolimus-beschichtete Ballons könnten daher eine Alternative sein, da Sirolimus nicht zytotoxisch, sondern zytostatisch wirkt und damit ein breites therapeutisches Fenster aufweist. Bisher fehlten allerdings randomisierte Studien zum Vergleich der beiden Medikamenten-beschichteten Ballons (DCB).4 Diese Lücke kann nun die randomisierte Head-to-Head-Studie SIRONA schließen.5
SIRONA ist eine Prüfarzt-initiierte, prospektive, multizentrische, randomisierte Nicht-Unterlegenheitsstudie zum Vergleich der Sicherheit und Wirksamkeit des Sirolimus-beschichteten Ballons im Vergleich zum Paclitaxel-beschichteten Ballon bei der Behandlung von stenosierten oder verschlossenen Läsionen in der Arteria femoralis superficialis und/oder der Arteria poplitea.6 Als primärer Wirksamkeitsendpunkt wurde die primäre Offenheit (Peak-Velocity Ratio < 2,4 und keine Reinterventionen der Zielläsion) nach 12 Monaten und als primärer Sicherheitsendpunkt der Komposit aus Revaskularisierung des Zielgefäßes, größere Amputationen und geräte- oder verfahrensbedingtem Tod nach 12 Monaten erfasst. Insgesamt nahmen 25 Gefäßzentren aus Deutschland und Österreich an der Studie teil.
Jeweils 241 Patientinnen und Patienten mit pAVK im femoropoplitealen Segment (Rutherford-Becker-Klassifikation 2-5) erhielten randomisiert entweder einen Sirolimus- oder Paclitaxel-DCB. Die Charakteristika beider Gruppen waren vergleichbar (mittleres Alter 68±9 Jahre, ca. 65 % Männer, mittlere Läsionslänge 84 mm).
Der primäre Wirksamkeitsendpunkt (primäre Durchgängigkeit nach 12 Monaten) wurde von 73,8 % vs. 75,0 % Personen in der Sirolimus- vs. Paclitaxel-Gruppe erreicht (p = 0,022 für Nicht-Unterlegenheit) und die Offenheitsraten nach 12 Monaten betrugen jeweils 93 % vs. 95 %. Der Komposit für den primären Sicherheitsendpunkt trat bei 9,4 % vs. 7,3 % Personen in der Sirolimus- vs. Paclitaxel-Gruppe auf (p = 0,003 für Nicht-Unterlegenheit). In beiden Gruppen gab es jeweils einen Fall größerer Amputationen, aber keinen Todesfall.
Die SIRONA-Studie zeigte erstmalig, dass Sirolimus- und Paclitaxel-DCB gleichwertige Alternativen zur Behandlung der pAVK im femoropoplitealen Gefäßabschnitt sind. Der Sirolimus-DCB erfüllte die Kriterien der Nicht-Unterlegenheit sowohl für die Wirksamkeit als auch für die Sicherheit. Aufgrund der positiveren Eigenschaften könnten Sirolimus-DCB in der Langzeitanwendung Sicherheitsvorteile bieten, was durch weitere Langzeitdaten betätigt werden muss.
In der SIRONA-Studie konnte erstmals die Nicht-Unterlegenheit von Sirolimus-DCB vs. Paclitaxel-DCB klar nachgewiesen werden. Beide DCB lieferten sehr gute Offenheitsraten mit einem vernachlässigbar geringen Unterschied. Auch die weiteren klinischen Parameter, die als sekundäre Endpunkte erfasst wurden, wie z.B. Gehtests, belegen, dass beide Ballonangioplastie Strategien klinisch äquivalent sind. Darüber hinaus erreichten fast alle Personen beider Gruppen deutliche Verbesserungen (um mindestens eine Stufe) der Rutherford-Klassifikation. Weitere Analysen sind derzeit in Arbeit und werden voraussichtlich im Frühjahr 2025 zusammen mit den hier präsentierten Daten publiziert. Darüber hinaus wird die Nachkontrolle der SIRONA-Studie über 5 Jahre fortgesetzt, um zu überprüfen, ob Sirolimus positive Langzeiteffekte auf die Intima-Hyperplasie hat. Die 2-Jahresdaten werden voraussichtlich nächstes Jahr auch wieder auf dem TCT 2025 präsentiert.
Insgesamt liegt aber schon jetzt mit der SIRONA-Studie eine sehr gute Datenlage für Sirolimus-beschichtete DCBs vor. Paclitaxel ist eine zytotoxische Substanz, die nicht nur zur Hemmung der Intima-Hyperplasie führt, sondern auch nachhaltig die tieferen Schichten der Gefäßwand also die Media und Adventitia schädigen kann. In mehreren Fallserien wurde inzwischen dokumentiert, dass Aneurysmen nach der Paclitaxel-Behandlung am Oberschenkel auftraten. Außerdem können Paclitaxel-beschichtete Stents plötzlich migrieren - das wurde bereits in Koronararterien beobachtet und tritt jetzt in der Peripherie noch deutlicher auf. Ein Stent, der sich bewegt oder verrutscht, kann Entzündungsprozesse und weitere Probleme verursachen.
Die Sirolimus-beschichtete Ballonangioplastie stellt eine neue Behandlungsoption für die pAVK dar, die dem dem „leaving nothing behind“-Konzept folgt, und könnte sich zu einem Gamechanger entwickeln. Natürlich sind weitere Studien zur Bestätigung notwendig, aber dieser Head-to-Head-Vergleich hat eindrucksvoll gezeigt, dass dieses neue Therapiekonzept funktioniert und als gleichwertig zum aktuellen Goldstandard der Paclitaxel-Ballonangioplastie zu bewerten ist.7
Weitere Studien laufen bereits, wie die LIMES-Studie zum DCB-Vergleich bei der Behandlung der Unterschenkel-pAVK bei der kritischen unteren Extremitätenischämie. Am Unterschenkel hat sich zuletzt gezeigt, das Paclitaxel mit einem hohen Risiko für Verschlechterungen der Wundheilung bis hin zu Amputationen einhergeht. Mit Sirolimus könnte als zytostatisches Immunsuppressivum, nicht nur die Offenheit verbessern, sondern auch entzündungshemmend wirken und möglicherweise könnten gerade kleine Ballons sehr tief im Unterschenkel weitere positive Effekte haben.
Die Gefäßmedizin ist ein interdisziplinäres Gebiet der drei interventionell-tätigen Fachdisziplinen Angiologie, interventionelle Radiologie und Gefäßchirurgie. An der SIRONA-Studie nehmen Gefäßzentren aus allen drei Fachdisziplinen teil, sodass die Versorgungsrealität in Deutschland widergespiegelt wird.
Mit den Sirolimus-beschichteten Stents stehen uns jetzt 2 Behandlungsoptionen zur Verfügung. Sirolimus könnte in den nächsten Jahren Paclitaxel ersetzen und weitere Anwendungen sind denkbar. Wichtig ist allerdings, dass es in Deutschland zukünftig eine entsprechende Vergütung gibt, damit sich diese neue vielversprechende Technologie auch in der Praxis durchsetzen kann.