Eine rechtzeitige Reperfusion ist im Falle eines ST-Hebungs-Myokardinfarktes (STEMI) zur Senkung der Mortalität von entscheidender Bedeutung. Die klassische initiale EKG-Triage zur Aktivierung des Herzkatheterteams weist allerdings, wenn es z. B. um das Erkennen von STEMI-Equivalenten geht, Limitationen auf. Neben einer verzögerten Zeit zur Reperfusion kann dies auch zu einer unnötigen Aktivierung des Herzkatheterteams führen.3
Das Ziel der multizentrischen, retrospektiven Queen-of-Hearts-Studie war die Analyse der diagnostischen Genauigkeit und des potenziellen Einflusses auf den klinischen Arbeitsablauf einer KI-gestützten EKG-Diagnostik im Vergleich zur konventionellen STEMI-Triagierung in drei US-amerikanischen PCI-Zentren. Hierzu wurden Patientinnen und Patienten mit STEMI-Verdacht und folgender Aktivierung des Herzkatheterteams retrospektiv analysiert. Die Index-EKGs dieser Betroffenen wurden sowohl nach dem üblichen Standard (konventionell) als auch zusätzlich verblindet mit einem KI-gestützten EKG-Modell analysiert. Das KI-Modell (Queen of Hearts, PMcardio) wurde speziell auf die Erkennung von Koronarverschlüssen und STEMI-Differentialdiagnosen (sog. STEMI-Mimics) trainiert. Als Referenzstandard galt eine angiographisch nachgewiesene Culprit-Lesion mit positiven Enzymen.
Aus 1.032 analysierten Personen mit notfallmäßigen Aktivierungen des Herzkatheterteams wiesen 601 (58 %) einen tatsächlichen STEMI auf. Das KI-basierte Modell zeigte dabei im Vergleich zu der konventionellen EKG-Auswertung eine höhere Sensitivität (92,0 %; 95%KI [89,7; 94,1] vs. 71,0 %, 95%KI [67,4; 74,6], p<0,001) und Spezifität (81,0 %, 95%KI [77,2; 84,5] vs. 29,0 %; 95%KI [24,8; 33,4] p<0,001) mit einer AUC von 0,94 (95%KI [0,92; 0,95]. Zudem lag die Anzahl unnötiger (falsch positiver) Herzkatheterteam-Aktivierungen bei der KI-basierten Auswertung mit 7,9 %; 95%KI [6,4; 9,6] signifikant unter derer der konventionellen EKG-Analyse (41,8 %; 95%KI [38,9; 44,7]; p<0,001).
Zu den wichtigsten Limitationen der Studie zählen neben dem retrospektiven Charakter auch die eingeschränkte Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Gesundheitssysteme außerhalb der USA. Weitere prospektive Daten hinsichtlich klinischer Endpunkte sowie in Patientenkollektiven außerhalb von STEMI-Registerstudien sind notwendig.
Eine KI-unterstützte EKG-Analyse zeigt das Potenzial zur besseren Erkennung von STEMI-Ereignissen und zur Reduktion von potenziell unnötigen Aktivierungen des Herzkatheterlabors im Vergleich zur konventionellen EKG-Triage.
Die Queen-of-Hearts-Studie verdeutlicht den zunehmenden Stellenwert und das Potenzial von KI-unterstützen Entscheidungssystemen in der Kardiologie und zeigt, wie solche Systeme sinnvoll in bestehende Arbeitsabläufe integriert werden können. So kann eine präzisere Vorhersage der richtigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt getroffen werden. Vor dem Hintergrund des retrospektiven Charakters der Studie bleibt sicherlich spannend, inwiefern die hohe diagnostische Leistung des KI-gestützten EKG-Models sich z. B. in prospektiven klinischen Settings, anderen Gesundheitssystemen oder Patientenkollektiven reproduzieren lässt. Letztendlich bleiben Kardiologinnen und Kardiologen in der Verantwortung für ihre Patientinnen und Patienten, wozu aber auch eine effektive Integration von sicheren und evidenzbasierten Technologien in den Versorgungsalltag gehört.
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