Autorenschaft
Dr. Melanie Gunawardene, Dr. Jens Hartmann
Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg
Autorenschaft
Dr. Melanie Gunawardene, Dr. Jens Hartmann
Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg
Ein 58-jähriger, männlicher Patient stellte sich mit seit Jahren bestehenden Palpitationen zur elektrophysiologischen Untersuchung (EPU) vor. Die Symptome traten laut des Patienten dreimal die Woche für circa eine Stunde auf, waren nicht belastungsabhängig und Valsalva-Manöver seien nicht effektiv gewesen, die Tachykardien zu beenden. In einem Anfalls-EKG konnte eine Breitkomplextachykardie dokumentiert werden. An Vorerkrankungen war zum Vorstellungszeitpunkt eine Ebstein-Anomalie bei dem Patienten bekannt (keine Voroperationen). Es bestand keine Vormedikation. In einer präprozedural durchgeführten Echokardiographie zeigte sich die bekannte Ebstein-Anomalie mit Nachweis der Verlagerung des septalen Trikuspidalklappensegels nach apikal.
Zu Untersuchungsbeginn zeigt sich ein Sinusrhythmus mit schmalem QRS-Komplex im 12-Kanal-EKG (25mm/s, 66/min, PQ: 184ms - QRS:104ms - QT 372ms; Abbildung 1).
Während der EPU, noch vor Platzierung der Diagnostikkatheter, zeigte sich eine Breitkomplextachykardie mit Linksschenkelblock (Abbildung 2).
Nach Platzierung der Diagnostikkatheter (rechter Vorhof (RA), His-Region (His) und rechter Ventrikel (RV), konnte die Tachykardie zunächst nicht mehr induziert werden. Im Sinusrhythmus zeigten sich nun unterschiedlich lange HV-Intervalle. Unter programmierter atrialer Stimulation mit einem Extrastimulus, zeigte sich eine Verkürzung des HV-Intervalls, eine dekrementale Leitung mit Zunahme des AV-Intervalls, eine frühzeitige Erregung des RV mit zunehmender Breite des QRS-Komplexes (Abbildung 3).
Gelb: Abnahme des HV-Intervalls mit dem Extrastimulus
Rot: Vorzeitige Erregung des apikalen rechten Ventrikels (RV)
Pink: Zunahme des QRS-Komplexes
Blau: Zunahme des AV-Intervalls mit dem Extrastimulus
Durch Abnahme der Zykluslänge unter Stimulation, zeigte sich eine zunehmende Präexzitation (QRS-Komplex wird breiter) mit dekrementalen Eigenschaften (AV-Zunahme), welche zu einer frühzeitigen Erregung des rechten Ventrikels und somit zu einer Verkürzung des HV-Intervalls (V wird früher) führte. Es bestand somit der Verdacht auf das Vorliegen einer antegrad leitenden, dekrementalen atriofaszikulären akzessorischen Leitungsbahn, einer so genannten Mahaim-Faser. Im nächsten Schritt folgte das dreidimensionale Mapping des Trikuspidalklappenannulus. Im Bereich des anterior-superioren Trikuspidalklappenanulus (11 Uhr) konnte die Mahaim-Faser mit Nachweis eines typischen Signals lokalisiert (Abbildung 4) und erfolgreich abladiert werden (Abbildung 5). Nach erfolgreicher Ablation zeigte sich nun ein Rechtsschenkelblock im 12-Kanal-EKG (Abbildung 6).
Oben links: Radiologische Darstellung in RAO 40°C mit Platzierung der Diagnostikkatheter bei Ebstein-Anomalie. Es zeigt sich die nach apikal versetzte Klappenebene und der hierdurch „atrialisierte“ rechte Ventrikel.
Unten: Dargestellt ist der Trikuspidalklappenannulus im dreidimensionalen Map von einer posterioren Ansicht sowie von LAO (rechts). Die Elektrogramme entlang des Annulus zeigen (1) die reguläre His-Region und (2) ein scharfes, „His“-ähnliches Potenzial, welches im Bereich des superior-anterioren Trikuspidalklappenannulus das typische Mahaim-Potenzial darstellt.
A) Frühstes Signal mit Nachweis eines scharfen, „His“-ähnlichen Mahaim Potenzials im Bereich des superior-anterioren Trikuspidalklappenannulus
B) Aktivierungsmap der frühsten ventrikulären Erregung entlang des Trikuspidalklappenannlus
C) Erfolgreiche Ablation der Mahaim Faser mit Hochfrequenzstrom und Auftreten eines Rechtsschenkelblocks (Ableitung V1). Der CS-Katheter ist im rechten Vorhof positioniert.
Die häufigste Arrhythmie bei bekannter Ebstein Anomalie ist die AV-Reentry Tachykardie bei Vorliegen einer akzessorischen Leitungsbahn (Walsh, Circulation. 2007). Auch das Auftreten multipler akzessorischer Leitungsbahnen kann vorkommen.
In der Regel weisen Patient:innen mit Ebstein-Anomalie bedingt durch die anatomischen Veränderungen im Bereich des septalen Trikuspidalklappensegels einen Rechtsschenkelblock im Ruhe-EKG auf. Das Auftreten von Tachykardien und die Abwesenheit eines Rechtsschenkelblocks im Sinusrhythmus, besitzt eine Sensitivität von 98% und eine Spezifität von 92% für das Vorliegen einer akzessorischen Leitungsbahn. Bei dem hier vorgestellten Patienten kam es aufgrund der „langsam“ leitenden Mahaim-Faser zu einer dualen antegraden AV-Überleitung - sowohl über den normalen AV-Knoten, als auch über die Mahaim-Faser, was im 12-Kanal-EKG zu einer Pseudonormalisierung des EKG mit schmalem QRS-Komplex führt (Iturralde, JCE, 2006 und Sherwin, Card Electrophysiol Clin. 2017).
Diagnostik und Therapie von Mahaim-Fasern können komplex sein. Bei fehlender Induzierbarkeit im Verlauf der Untersuchung, handelte es sich bei der Breitkomplextachykardie des hier vorgestellten Patienten am ehesten um eine antidrome AV-Reentry Tachykardie. Aufgrund der dekrementalen Eigenschaften der Mahaim-Faser mit mehr und weniger Nachweis einer Präexzitation, ändert sich die QRS-Breite und das HV-Intervall in der EPU (zur anschaulichen Erklärung: bei „mehr“ Präexzitation und somit Leitung über die antegrade Leitungsbahn, wird der rechte Ventrikel frühzeitig erregt (atriofaszikuläre Verbindung) und dadurch wird das V „rangezogen“, das HV wird also kürzer), (Katritis, Arrhythm Electrophysiol Rev, 2017). Auch bei einer atrio-ventrikulären akzessorischen Leitungsbahn wird der Ventrikel frühzeitig erregt, allerdings sind diese in der Regel nicht dekremental leitend (das AV wird hierbei nicht länger).
Insbesondere bei Ebstein-Patient:innen finden sich häufig fraktionierte Signale im Bereich des „atrialisierten“ rechten Ventrikels (Herabsenken der Klappenebene), was die Identifikation der genauen Lokalisation der Mahaim-Faser erschweren kann.