Vieles spricht dafür, dass Künstliche Intelligenz (KI) die Arbeitswelt im Gesundheitswesen verändern wird. Wer im Internet nach dem Schlagwort „Künstliche Intelligenz“ sucht, stößt bei der Recherche früher oder später auf das Sprachmodell ChatGPT – den derzeit wohl bekanntesten Chatbot. ChatGPT kann über textbasierte Inhalte mit menschlichen Nutzern kommunizieren, ihre Fragen beantworten und komplexe Zusammenhänge verstehen.
Zahlreiche Studien belegen, dass KI das Potenzial hat, Ärztinnen und Ärzte bei der Entscheidungsfindung im Praxisalltag zu unterstützen.1 Ein vielversprechendes Einsatzgebiet für KI in der Kardiologie ergibt sich in der bildgebenden Diagnostik. Ein Übersichtsartikel, der im Journal of Clinical Medicine veröffentlicht wurde, beleuchtet mehrere Arbeiten, die sich mit den Vorteilen von KI-unterstützten Bildgebungsverfahren wie der Echokardiographie, der kardialen Computertomographie oder der Magnetresonanztomographie beschäftigt haben. Die im Studiensetting erhobenen Daten sprechen dafür, dass sich mithilfe von KI nicht nur wertvolle Zeit im Praxisalltag einsparen lässt, sondern dass sie Behandelnde auch bei der Interpretation von Bilddaten unterstützen kann.1
Mit KI unterfütterte bildgebende Untersuchungen können auch für die kardiovaskuläre Risikostratifizierung und Differenzialdiagnostik genutzt werden. Narula et al. konnten beispielsweise zeigen, dass KI in Bildern, die mit der Speckle-Tracking-Echokardiographie aufgenommen wurden, zuverlässig zwischen einer hypertrophen Kardiomyopathie und einer physiologischen kardialen Hypertrophie, die zuweilen bei Athletinnen und Athleten auftritt, unterscheiden kann. In der Studienkohorte, die 139 Personen umfasste, lag die differenzialdiagnostische Sensitivität des verwendeten KI-Modells bei 87 % und die Spezifizität bei 82 %.2
Mithilfe von KI lässt sich auch das Risiko für Herzrhythmusstörungen mit hoher Genauigkeit anhand eines Elektrokardiogramms (EKG) einschätzen. Den klinischen Nutzen des KI-gestützten EGKs hat in diesem Setting eine prospektive, interventionelle Studie mit Patientinnen und Patienten demonstriert, bei denen in der Vorgeschichte noch nie Vorhofflimmern (VHF) diagnostiziert worden war. Die Teilnehmenden hatten allerdings eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Auffälligkeiten im Sinusrhythmus und wiesen klinische Risikofaktoren für einen Schlaganfall, wie einen erhöhten CHA2DS2-VASc-Score, auf.3
In der Subgruppe, der die KI aufgrund des Routine-EGKs ein erhöhtes VHF-Risiko attestierte, wurden VHF-Diagnosen innerhalb von 30 Tagen nach dieser Ausgangsuntersuchung fünfmal häufiger gestellt als in der Vergleichsgruppe, die nach Einschätzung der KI ein niedriges VHF-Risiko hatte.3, 4 Mit diesem Screeningansatz konnten also Patientinnen und Patienten identifiziert werden, die voraussichtlich von einem verlängerten EKG-Monitoring profitieren. Darüber hinaus können KI-Modelle dabei helfen, bei Menschen mit VHF das Risiko für Langzeitkomplikationen wie Schlaganfälle oder die Erfolgschancen einer Kardioversion oder Katheterablation besser einzuschätzen.4
Markiert das Zeitalter der KI also den Anfang vom Ende des klassischen Arztberufs? Vermutlich nicht, denn auch KI-Systeme haben Limitationen. Schon aus ethischer Sicht ist es undenkbar, dass KI Ärztinnen und Ärzte obsolet machen wird. Schließlich zählen zu einer guten Gesundheitsversorgung auch der zwischenmenschliche Kontakt und ein Vertrauensverhältnis, das computergestützte Systeme nicht ersetzen können. Darüber hinaus ist KI nicht unfehlbar: Sie kann aus Trainingsdaten, anhand der sie die Entscheidungsfindung für eine KI-gestützten Diagnostik erlernt, falsche Schlüsse ziehen, die dann im medizinischen Kontext fatale Folgen haben können. Das oben genannte Beispiel zeigt aber, wie mächtig frei zugängliche KI-Systeme inzwischen sind.
KI kann ärztliche Expertise zwar nicht ersetzen, jedoch Medizinerinnen und Medizinern als wertvolles Tool dienen. Ein routinemäßiger Einsatz von KI in der Medizin setzt allerdings voraus, dass zunächst die dafür nötigen rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen geschaffen werden.