Herzinsuffizienz-Therapie: Nächster großer Erfolg mit SGLT2-Hemmer

DELIVER hat geliefert: Mit dieser Studie hat nun auch Dapagliflozin als zweiter SGLT2-Hemmer seinen klinischen Nutzen bei Patienten mit Herzinsuffizienz und linksventrikulärer Auswurffraktion über 40% definitiv unter Beweis gestellt.

Von Peter Overbeck

 

27.08.2022

Dass SGLT2-Hemmer wie Empagliflozin und Dapagliflozin nicht nur bei Herzinsuffizienz mit erniedrigter Auswurffraktion (HFrEF) die Prognose verbessern, sondern auch bei Herzinsuffizienz mit „mild reduzierter“ (HFmrEF) oder weitgehend normaler („erhaltener“) Auswurffraktion (HFpEF) klinisch von Vorteil sind, ist nun in einer weiteren großen Studie bestätigt worden.

 

In der aktuell beim ESC-Kongress 2022 vorgestellten DELIVER-Studie hat sich gezeigt, dass eine Behandlung mit Dapagliflozin bei Patienten mit Herzinsuffizienz und linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) >40% im Follow-up-Zeitraum der Studie (im Median 2,3 Jahre)

 

  • das Risiko für kardiovaskulären Tod oder klinische Herzinsuffizienz-Verschlechterung (primärer kombinierter Endpunkt) signifikant um 18% im Vergleich zu Placebo verringerte (Inzidenz: 16,4% vs. 19,5%; Hazard Ratio, HR: 0,82; 95%-KI: 0,73 – 0,92; p<0,001).
  • Ausschlaggebend für den Unterschied war eine signifikante relative Reduktion von Herzinsuffizienz-Verschlechterungen (überwiegend Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz) um 21% durch Dapagliflozin (11,8% vs. 14,5%; HR: 0,79; 95%-KI: 0,65 – 0,92).
  • Beim Endpunkt kardiovaskuläre Mortalität bestand ein – nicht signifikanter – Trend zugunsten des SGLT2-Hemmers (7,4% vs. 8,3%; HR: 0,88; 95%-KI: 0,74 – 1,05), ebenso beim Endpunkt Gesamtmortalität (HR: 0,94; 95%-KI: 0,83 – 1,07).

 

Auch für einen sekundären kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulären Todesfällen und allen Ereignissen einer Herzinsuffizienz-Verschlechterung (sowohl Erst- als auch Rezidivereignisse) ergab sich eine signifikante Risikoreduktion um 23% durch Dapagliflozin im Vergleich zu Placebo (Rate Ratio: 0,77; 95%-KI: 0,67 – 0,89; p<0,001). Die in einer separaten Analyse in der Subgruppe der Patienten mit linksventrikulärer Auswurffraktion unter 60% für diesen Endpunkt ermittelte Risikoreduktion entspricht dem Ergebnis in der Gesamtpopulation (Rate Ratio: 0,77; 95% KI: 0,65 – 0,90; p=0,002).

 

Angaben der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zur empfundenen Belastung durch Symptome und funktionelle Einschränkungen infolge Herzinsuffizienz waren in der Studie per Fragebogen (Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire, KCCQ) erhoben worden. Auch bezüglich des daraus ermittelten Symptom-Scores ergaben sich positive Veränderungen – sprich: Dapagliflozin verbesserte auch die Symptomatik signifikant (p=0,009).

 

Die Ergebnisse waren unabhängig davon, ob die LVEF der Patienten höher oder niedriger als 60% war oder ein Diabetes bestand oder nicht. Anzeichen für eine Abschwächung der Wirkung von Dapagliflozin bei LVEF-Werten im höheren Bereich waren nicht vorhanden.

 

In puncto Sicherheit gab es kaum Unterschiede zwischen Dapagliflozin- und Placebo-Gruppe. So war etwa die Rate an Therapieabbrüchen aufgrund von Nebenwirkungen mit jeweils 5,8% in beiden Gruppen identisch.

„Starke Evidenz für SGLT2-Hemmer als grundlegende Therapie“

„Diese Daten liefern starke Evidenz als Unterstützung dafür, einen SGLT2-Hemmer als grundlegende Therapie bei praktisch allen Patienten mit Herzinsuffizienz zu nutzen – unabhängig von der Auswurffraktion sowie davon, ob ein Diabetes besteht oder nicht“, schlussfolgerte Studienleiter Dr. Scott D. Solomon von der Harvard University in Boston aus den Studiendaten.

 

Die Ergebnisse der DELIVER-Studie mit Dapagliflozin stimmen mit denen der 2021 beim ESC-Kongress vorgestellten EMPEROR-Preserved-Studie, in der Empagliflozin ebenfalls bei Herzinsuffizienzpatienten mit einer Auswurffraktion >40% untersucht worden ist, weitgehend überein. Es gibt aber auch Unterschied etwa bezüglich der Einschlusskriterien, die in DELIVER breiter definiert waren.

Auch hospitalisierte Patienten profitierten vom SGLT2-Hemmer

Im Unterschied zu EMPEROR-Preserved konnten an der dieser Studie auch Patienten teilnehmen, die aktuell oder kurz zuvor wegen Herzinsuffizienz in stationärer Behandlung waren, oder bei denen die LVEF von zuvor ≤40% zum Zeitpunkt der Studienaufnahme auf >40% angestiegen war (Heart Failure with improved Ejection Fraction, HFimEF). Die Ergebnisse der DELIVER-Studie sprechen dafür, dass auch diese bislang noch unzureichend untersuchten Patientengruppen von der Behandlung mit einem SGLT2-Hemmer profitieren.

 

In die DELIVER-Studie waren weltweit insgesamt 6.263 Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse II – IV) und LVEF >40% (entsprechend einer Herzinsuffizienz der HFmrEF- oder HFpEF-Kategorie) aufgenommen worden. Nach Zufallszuteilung waren sie dann entweder mit Dapagliflozin (10 mg/Tag) oder Placebo additiv zur Standardtherapie behandelt worden. Die Dauer der Nachbeobachtung betrug im Median 2,3 Jahre.

 

Primärer Studienendpunkt war eine Kombination der Ereignisse kardiovaskulärer Tod und klinische Verschlechterung der Herzinsuffizienz (als Grund für eine Klinikeinweisung oder einen dringenden Arzt/Notaufnahme-Besuch [urgent visit]).

Metaanalyse bestätigt Nutzen unabhängig von der Auswurffraktion

Im Anschluss an die Präsentation der DELIVER-Studie stellte Dr. Pardeep Jhund von der Universität Glasgow Ergebnisse eine Metaanalyse gepoolter Daten der beiden Herzinsuffizienz-Studien DAPA-HF (bei HFrEF) und DELIVER (bei HFmrEF und HFpEF) mit Dapagliflozin vor. Ihr liegen Daten von 11.007 Patientinnen und Patienten zugrunde, die eine LVEF im Bereich zwischen 16% und 74% (im Mittel 44%) aufwiesen. Die mediane Follow-up-Dauer betrug 22 Monate.

 

Das sind die für diverse klinische Endpunkte auf Basis der gepoolten Daten ermittelten relativen Risikoreduktionen durch Dapagliflozin im Vergleich zu Placebo:

 

  • Die kardiovaskuläre Mortalität wurde signifikant um 14% reduziert (HR: 0,86; 95%-KI: 0,76 – 0,07).
  • Die Gesamtmortalität nahm unter Dapagliflozin um 10% ab (HR: 0,90; 95%-KI: 0,82 – 0,99).
  • Die Gesamtzahl aller Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz verringerte sich um 29% (Rate Ratio: 0,71; 95%-KI: 0,65 – 0,78).
  • Die Inzidenz von kardiovaskulären Todesfällen, Herzinfarkten und Schlaganfällen (MACE-Endpunkt) wurde durch Dapagliflozin um 10% reduziert (HR: 0,90; 95%-KI: 0,81 – 1,00).
  • Für Klinikeinweisungen wegen Herzinsuffizienz (als Erstereignis) betrug die Risikoreduktion 26% (HR: 0,74; 95%-KI: 0,56 – 082), beim kombinierten Endpunkt kardiovaskulärer Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz (als Erstereignis) waren es 22% (HR: 0,78; 95%-KI: 0,72 – 0,86).

Therapiebeginn auch ohne vorherige LVEF-Bestimmung?

Auch die Ergebnisse der Metaanalyse verdeutlichen nach Ansicht von Jhund, dass der Nutzen von Dapagliflozin unabhängig von der LVEF ist. Das sei von klinischer Bedeutung. So erinnerte Jhund daran, dass es bei Patienten mit Herzinsuffizienz in der Regel zunächst einer LVEF-Messung bedarf, bevor über die spezifische Therapie entschieden werden könne. Da Dapagliflozin den neuen Daten zufolge aber bei allen Patienten mit Herzinsuffizienz wirksam war, könnte dieser SGLT2-Hemmer auch schon vor einer LVEF-Bestimmung verordnet werden und damit seine prognostisch günstige Wirkung rascher zur Geltung kommen.


Literatur

Solomon S: Dapagliflozin in Heart Failure with Mildly Reduced or Preserved Ejection Fraction – The DELIVER Trial. Hotline-Session 4, ESC-Congress 2022, 26. – 29. August, Barcelona.

 

Jhund P: Dapagliflozin improves outcome in all patients with heart failure. Hotline-Session 4, ESC-Congress 2022, 26. – 29. August, Barcelona.

 

Solomon SD et al. Dapagliflozin in Heart Failure with Mildly Reduced or Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med. 2022, DOI: 10.1056/NEJMoa2206286

 

Jhund PS. et al. Dapagliflozin across the range of ejection fraction in patients with heart failure: a patient-level pooled meta-analysis of DAPA-HF and DELIVER, Nature Medicine 2022, https://doi.org/10.1038/s41591-022-01971-4

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