Der plötzliche Herztod (SCD) stellt immer noch eine große medizinische Herausforderung dar mit schätzungsweise weltweit 4-5 Millionen Todesfällen pro Jahr. Obwohl genaue Prädiktoren für einen plötzlichen Herzstillstand (SCA) fehlen, scheint es so, dass die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) einen wichtigen Risikomarker für Kammerflimmern (VT) und ventrikuläre Tachykardien (VF) darstellt.
Laut Leitlinien wird vor der primär-präventiven Implantation eines Defibrillators (ICD) eine mindestens dreimonatige Titrationsphase zur Einstellung der Medikation sowohl bei Personen mit ischämischer Kardiomyopathie (ICM) als auch mit nicht-ischämischer Kardiomyopathie (NICM) bei einer LVEF ≤35 % empfohlen. Allerdings gibt es bisher kaum Daten zum SCD/SCA-Risiko in diesem Zeitraum.
Das Ziel der Registerstudie SCD-PROTECT war es, das SCD/SCA-Risiko in dieser frühen Phase nach Erstdiagnose Herzinsuffizienz zu untersuchen bei den klassischen WCD-Indikationen nach Myokardinfarkt, bei KHK oder bei neu diagnostizierter NICM mit eingeschränkter LVEF.
In die epidemiologische nicht-interventionelle multizentrische Beobachtungsstudie wurden konsekutiv alle Erwachsenen eingeschlossen, die in Deutschland zwischen Dezember 2021 und Mai 2023 mit einem WCD ausgestattet wurden. Der Beobachtungszeitraum dauerte von Beginn bis zum Ende der WCD-Anwendung.
Einschlusskriterien waren: Alter ≥18 Jahre, Verordnung eines tragbaren Kardioverter-Defibrillators (WCD) und EKG zur Baseline. Als primärer Endpunkt wurde die SCA-Inzidenz (definiert durch eine angemessene WCD-Behandlung) erfasst und als kumulative Inzidenz (Ereignisse pro 100 Patientenjahre) angegeben. Sekundäre Endpunkte umfassten: unangemessene WCD-Behandlungen, Gesamtmortalität, unerwünschte Ereignisse, Adhärenz zur WCD-Anwendung, Dauer der WCD-Anwendung und Herzinsuffizienz-Medikation.
In die Registerstudie wurden insgesamt 19.598 Personen aus Deutschland eingeschlossen, die zwischen Dezember 2021 und Mai 2023 mit einem WCD ausgestattet wurden (mittleres Alter 60,9 Jahre, 20,7 % Frauen, mittlere LVEF 27,5 %). In der NCIM-Gruppe waren die Personen im Durchschnitt etwas jünger (58,6 Jahre vs. 64,2 Jahre) und der Frauenanteil war etwas höher (23,8 % vs. 16,3 %) gegenüber der MI/KHK-Gruppe.
Der primäre Endpunkt, die kumulative SCA-Inzidenz pro 100 Patientenjahre, betrug jeweils 6,53 und 9,18 in der NCIM- und MI/KHK-Gruppe. Als vulnerabelste Phase wurden eindeutig die ersten 4 Monate identifiziert, in der mit Abstand die meisten SCA-Ereignisse auftraten.
Die Kohorte wurde entsprechend der GRMT (Guideline-Recommended Medical Therapy) mit folgenden Medikamenten behandelt: ARNI (ca. 70 %), ARB (ca. 15 %), ACE-Inhibitor (ca. 20 %), Beta-Blocker (ca. 95 %), MRA (ca. 80 %) und SGLT2-Inhibitoren (ca. 80 %).
Während der Beobachtungsdauer nahm die mediane LVEF deutlich zu (von 25-29 % bei Krankenhausentlassung auf rund 40 % bei Beendigung der WCD-Anwendung). Eine ICD-Implantation unmittelbar nach Ende der WCD-Anwendung erhielten ca. 35 % der Betroffenen in beiden Gruppen.
Die Gesamtmortalität war mit 0,6 % sehr gering, ebenso wie die Rate an unangemessenen WCD-Behandlungen (0,5 %). Auch Hautirritationen, die zum Abbruch führten, kamen mit 0,3 % nur selten vor. Dagegen war die Adhärenz sehr hoch mit einer medianen Trage-Dauer von 23,4 Stunden pro Tag. Die mediane WCD-Anwendungsdauer betrug insgesamt 62 Tage.
Das derzeit größte Register zur WCD-Anwendung, SCD-PROTECT, hat gezeigt, dass das SCA-Risiko während der Phase der frühen medikamentösen Therapieoptimierung besonders hoch war sowohl in der NCIM- als auch in der MI/KHK-Gruppe. In den meisten Fällen verbesserte sich die LVEF durch die medikamentöse Behandlung über den Beobachtungszeitraum von im Median 2 Monaten auf Werte über 35 %, so dass eine ICD-Implantation vermieden werden konnte.
Angesichts einer SCA-Ereignisrate zwischen 6,5 und 9,2 pro 100 Patientenjahre ist aus meiner Sicht der vorübergehende Schutz durch tragbare Defibrillatoren während der Titrationsphase daher eine sinnvolle Maßnahme bei allen Patientinnen und Patienten mit neu diagnostizierter eingeschränkter LVEF sowohl mit ischämischer als auch mit nicht-ischämischer Kardiomyopathie.
Es bleibt jedoch die spannende Frage, anhand welcher Prädiktoren die LVEF-Verbesserung am besten und zuverlässig vorhergesagt werden kann, und wieviel Zeit man für die funktionelle Erholung der Herzfunktion unter optimaler HI-Therapie einplant. Nach bereits publizierten Daten erfolgt der größte Anteil des positiven Remodelings und des LVEF-Anstiegs in den ersten 6 Monaten nach Erstdiagnose Herzinsuffizienz, so dass bis zu diesem Zeitpunkt der Effekt der GRMT bei positivem Trend abgewartet werden könnte, und nicht bereits nach 3 Monaten über die ICD-Implantation entschieden werden muss.
Bauersachs J. Sudden cardiac arrest in patients with newly diagnosed NICM or MI/CAD - nationwide analysis of >19.000 patients with a WCD. Registries and clinical trials: new onset and chronic heart failure. 18.05. Belgrad, HFA 2025