Niacin, auch Vitamin B3 genannt, unterstützt den Auf- und Abbau von Kohlenhydraten, Fettsäuren und Aminosäuren sowie den Energiestoffwechsel und ist außerdem bedeutend für die Zellteilung. Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) empfiehlt Erwachsenen eine tägliche Niacin-Zufuhr von etwa 15 mg.1 Niacin ist in vielen Lebensmitteln, wie Erdnüssen, Fisch, Fleisch, Pilzen, Milch, Eiern und Kartoffeln enthalten - daher ist ein Mangel sehr selten. Dennoch werden in den USA und vielen anderen Ländern seit Jahrzehnten Grundnahrungsmittel wie Mehl, Getreide und Hafer mit Niacin angereichert. Längere Zeit galt Niacin auch als vielversprechender Wirkstoff zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, indem es den Cholesterinspiegel im Blut senkt. Allerdings konnte eine Meta-Analyse mit 23 randomisierten klinischen Studien aus dem Jahr 2017 keinen Hinweis auf einen Nutzen der Niacin-Therapie nachweisen.2
Forschende aus den USA und Deutschland gingen nun der Frage nach, warum einige Menschen ohne bekannte Risikofaktoren trotzdem ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko haben.3 Das Forscherteam analysierte Blutproben von über 1.162 chronisch Herzkranken (darunter 422 Frauen), die stabil eingestellt waren (60 % erhielten Statine). Sie untersuchten das Metabolitenspektrum in den Nüchtern-Plasma-Proben und stießen dabei auf die beiden Substanzen N1-Methyl-2-pyridon-5-carboxamid (2PY) und N1-Methyl-4-pyridon-3-carboxamid (4PY). Interessanterweise handelte es sich um Metabolite, die beim Abbau von überschüssigem Niacin entstehen. 25 % der Teilnehmenden wiesen Niacin-Metabolite auf, die mit einem verdoppelten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einhergingen.
Um zu überprüfen, ob die beiden Stoffwechselprodukte, 2PY und 4PY, tatsächlich mit dem Auftreten schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse (MACE) wie Herzinfarkt oder Schlaganfall assoziiert waren, wurden die entsprechenden Metabolit-Konzentrationen in 2 Validierungskohorten untersucht (USA n = 2.331 insgesamt, n = 774 Frauen; Europa n = 832 insgesamt, n = 249 Frauen). Dabei wurde bestätigt, dass die Niacin-Metabolite 2PY und 4PY mit einem erhöhten 3-Jahres-MACE-Risiko assoziiert waren.
Durch eine genomweite Assoziationsanalyse wurde eine genetische Variante identifiziert, die mit erhöhten 2PY- und 4PY-Konzentrationen einherging. Für diese genetische Variante wurde ein Zusammenhang mit dem löslichen vaskulären Adhäsionsmolekül 1 (sVCAM-1) nachgewiesen. Weitere Untersuchungen im Mausmodell zeigten, dass die Behandlung mit physiologischen Mengen von 4PY zur Expression von VCAM-1 und zum Anhaften von Leukozyten am Gefäßendothel führte und somit eine entzündliche Reaktion auslöste.
Insgesamt weisen die Ergebnisse dieser Studie darauf hin, dass überschüssiges Niacin schädlich sein kann und Niacin-Metabolite entzündliche Mechanismen in Gang setzen können, die mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einhergehen.
"Daher sollte man bei Nahrungsergänzungsmitteln immer genau hinschauen, ob die Einnahme wirklich nötig ist", so der an der Studie beteiligte Experte Prof. Haghikia im Interview mit HERZMEDIZIN.de. Hier gelangen Sie zum vollständigen Experten-Interview.
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