Die HDL-Cholesterin (HDL-C) Serumkonzentration ist ein Risikomarker für kardiovaskuläre Ereignisse. Ein niedriges HDL-C zeigt ein erhöhtes Risiko an und ist häufig mit Diabetes mellitus, metabolischem Syndrom oder Inflammation assoziiert. Eine Erhöhung von HDL-C durch Lebensstil-Massnahmen, insbesondere Nicht-Rauchen und Sport, ist positiv. Sehr hohe HDL-C können jedoch auch negative Effekte haben. Daher ist der „HDL/LDL-Quotient“ auf Laborbefunden nicht prädiktiv und überholt. Bisherige Studien zu einer pharmakologischen HDL-C Erhöhung waren neutral oder negativ, daher stellt eine Steigerung der HDL-Partikel aktuell kein Therapieziel für Medikamente dar. Präklinische Studien und frühe klinische Beobachtungen wecken jedoch die Hoffnung, dass eine Verbesserung der HDL-Funktion anti-atherosklerotisch wirken könnte.
Die AEGIS-II (ApoA-I Event Reducing in Ischemic Syndromes II) Studie vergleicht die Effekte einer Infusion von CSL112, einem humanen, mit Phosphytidylcholin rekonstituierten Apolipoprotein A1 mit Placebo (Albumin). Apo A1 ist die Grundstruktur der HDL. Die mechanistische Vorstellung ist, dass ApoA1 den sogenannten reversen Cholesterin-Transport vermittelt, d.h. einen Cholesterin-Efflux aus Makrophagen und Plaques und Rücktransport zur Leber und biliärer Ausscheidung.
18.231 Patienten mit akutem Myokardinfarkt wurden auf 4 Infusionen mit CSL112 oder Albumin in wöchentlichem Abstand randomisiert. Die Patienten waren mit Statinen und dualer Plättchen-Hemmung behandelt.
Der primäre kombinierte Endpunkt kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall nach 90 Tagen, war in beiden Gruppen ähnlich: HR 0,93; 95%KI 0,81-1,05. Die Hazard Ratio war mit 0,91 nach 180 Tagen und 0,93 nach 365 Tagen nicht signifikant reduziert. Unerwünschte Ereignisse traten in beiden Gruppen ähnlich häufig auf.
Leider wurde in der AEGIS-II Studie die Cholesterin-Efflux-Kapazität nicht gemessen. Dies ist schade, da hierauf die Studien-Hypothese basiert. Es ist so nicht klar, ob und in welchem Ausmaß die Cholesterin-Efflux-Kapazität durch die ApoA-I Infusion beeinflusst wurde oder zur Patientenselektion bzw. Therapie-Steuerung verwendet werden kann. Die Therapie über lediglich 4 Wochen und die Festlegung des primären Endpunktes nach nur 3 Monaten trägt möglicherweise nicht der deutlich längeren Zeitdauer von Lipid-Modifikationen auf die Plaque-Stabilität Rechnung. Frühe Ereignisse nach Myokardinfarkt sind wesentlich durch andere Prozesse wie z.B. die Thrombozyten-Funktion beeinflusst.
In einer Hypothesen-generierenden retrospektiven Analyse der AEGIS-II-Daten zeigte sich eine Reduktion der kardiovaskulären Sterblichkeit und der Herzinfarkte in der CSL112-Gruppe bei Patienten mit einem Ausgangs-LDL-C über 100 mg/dl. Neben diesen und anderen Überlegungen zum Design, denen sich jede neutrale Studie stellen muss, bleibt die grundsätzliche Frage weiter offen, ob ein klinischer Vorteil durch eine pharmakologische Modifikation oder Steigerung der HDL zu erzielen ist.