Die arterielle Hypertonie ist der wichtigste beeinflussbare Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber die Adhärenz von Antihypertensiva beträgt nur etwa 26 – 60 % und die Blutdruckkontrolle ist weithin unbefriedigend. Wirksame Interventionen zur Verbesserung der Adhärenz sind häufig komplex, aufwändig, teuer bzw. nicht skalierbar. Bei Menschen mit sozioökonomischen Nachteilen sind Adhärenzprobleme besonders häufig.
Randomisierte Studien mit kostengünstigen, skalier- und replizierbaren mHealth-Interventionen (z. B. Reminder via SMS) haben bei Herz-Kreislauferkrankungen bisher aber keine überzeugende Ergebnisse gezeigt. Dies gilt auch für vielfältige Ansätze mit finanziellen Anreizen, die Adhärenz und Surrogatparameter zu verbessern. Finanzielle Anreize können im Wesentlichen entweder aus direkter Bezahlung für gute Adhärenz oder auf den Prinzipien der Behavioral Economics (verhaltensorientierten Ökonomik) beruhen. Beim letzteren wird entweder eine Summe X zur Verfügung gestellt (z. B. 150 US$ für 90 Tage Adhärenz) und für jeden Tag ohne Tabletteneinnahme eine bestimmte Summe abgezogen (loss incentives) oder die Teilnehmenden können bei gegebener Adhärenz an einer (täglichen) Lotterie mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für niedrige Geldbeträge (z. B. 5 US$) und geringen Wahrscheinlichkeit für einen hohen Betrag (z. B. 50 US$) teilnehmen.
In der randomisierten BETTER-BP-Studie hatten Personen (70 % mit geringem Einkommen oder Behinderungen [Medicaid] bzw. ohne Versicherung sowie 15 % Medicare) in New York mit unkontrollierter Hypertonie (mindestens eine Office-BD-Messung ≥140 mmHg systolisch) und geringer Adhärenz (mind. 2 nicht eigenommene Dosen in der vergangenen Woche laut Selbstauskunft) entweder die Chance, an einer Lotterie teilzunehmen oder erhielten nur ein passives Monitoring (beides über eine Dauer von 6 Monaten).
Die Adhärenz wurde über ein elektronisches Device gemessen (ähnlich dem MEMS wurde das Öffnen der Tablettendose elektronisch registriert), wobei in der Interventionsgruppe diejenigen mit hoher Adhärenz (≥80 %) beim Gewinnspiel mitmachen durften, während diejenigen mit geringer Adhärenz stattdessen einen „Hinweis“ per SMS erhielten, wieviel Geld ihnen potenziell verloren gegangen ist. Personen der Kontrollgruppe erhielten keine SMS und konnten nicht an der Lotterie teilnehmen.
Primäre Endpunkte waren Änderungen im systolischen Blutdruck (SBD) und Medikamenten-Adhärenz – bei Mehrfachtherapie wurde (nur) ein Arzneimittel elektronisch gemonitort: RASi > CCB > BB > Diuretikum – über 6 Monate. Sekundäre Endpunkte waren Änderungen im SBD und Adhärenz von Monat 6 bis Monat 12.
400 Personen wurden 2:1 randomisiert: medianes Alter 57 Jahre, 61 % weiblich, mittlerer SBD 139 mmHg. Sie nahmen im Mittel 1,7 Antihypertensiva (84 % RASi oder CCB), 47 % hatten mehr als 1 AHT und 11 % bekamen ein Kombinationspräparat. Die Patientinnen und Patienten hatten im Mittel 5,5 Arzneimittel insgesamt und 47 % hatten Diabetes. Im Mittel gewannen die Personen der Interventionsgruppe US$ 212 (10–515) innerhalb der 6 Monate. Die 6-Monats-Adhärenz (Einnahme an mindestens 80 % der Tage) war in der Interventionsgruppe doppelt so hoch im Vergleich zur Kontrolle (71 vs. 34 %). Nach Absetzen der Intervention (Lotterie) ging die Adhärenz wieder zurück (31 vs. 26 %) und unterschied sich nicht zwischen den Gruppen. Der Blutdruck war nach 6 Monaten in beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich: -6,7 vs. -5,8 mmHg (nach 12 Monaten -0,2 vs. + 3,6 mmHg). Ein Subgruppeneffekt konnte nicht festgestellt werden.
BETTER-BP bestätigt, dass sich auch mit mHealth und finanziellen Anreizen transient die Adhärenz verbessern lässt, aber ein klinisch bedeutsamer Effekt, auch auf Surrogatparameter (hier SBD, in anderen Studien auch LDL-Cholesterin), nicht nachweisen lässt. Warum eine Verbesserung der Medikamenteneinnahme nicht zu einer besseren Blutdruckkontrolle geführt hat, bleibt offen. Eine Limitation ist, dass der BD nur zu 3 Zeitpunkten beim Arzt gemessen wurde (zu Beginn, nach 6 und nach 12 Monaten), sodass keine Informationen zum BD-Verlauf vorlagen. Auch diese Studie bestätigt, dass eine schlechte Einnahmetreue nicht „heilbar“ ist. Wie bei allen bisherigen randomisierten Studien nimmt die Adhärenz nach Absetzen der Intervention wieder ab.
Elektronische Devices, wie z. B. MEMS, erfassen akkurat Zeitpunkt und Häufigkeit der Öffnung der Tablettendose und können mit automatischen, kontext-spezifischen Erinnerungen zur Tabletteneinnahme kombiniert werden. Nachteile sind der sehr hohe Preis und die Nichterstattung durch Krankenkassen; zudem könnten Patientinnen und Patienten die Flasche öffnen, eine Tablette entnehmen, diese aber nicht einnehmen und bei Polymedikation, d. h. 5 oder mehr Arzneimitteln, sind sie herausfordernd. Dies trifft auch auf BETTER-BP zu, wo nur die Einnahme eines Antihypertensivums zur Bestimmung der Adhärenz monitoriert wurde. Unterschiede in der Adhärenz zu den wesentlichen antihypertensiven Arzneistoffklassen sind aber bekannt.
Insgesamt ist die Studienlage sowohl zu Verhaltens- als auch zu mHealth-Interventionen inklusive Behavioral Economics (v. a. SMS) in kardiovaskulären Indikationen unzureichend.2-5 Hinzu kommt das Problem der Nicht-Adhärenz zur App und vor allem in sehr großen Studien, dass andere Einflussfaktoren (Medikamente, Lebensstil, Bewegung, Ernährung) nicht hinreichend erfasst werden können. Weitere ähnliche Studien sind wohl nicht zielführend, bevor nicht die Komplexität von langfristigen Verhaltensänderungen besser verstanden sind.
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