Mit Kalium angereichertes Speisesalz senkt den Blutdruck und reduziert die kardiovaskuläre Sterblichkeit.2 Ob diese positiven Effekte durch eine Verringerung der Natriumaufnahme, eine erhöhte Kaliumaufnahme oder eine Kombination beider Faktoren verursacht werden, ist bislang unklar. Die Studie See Sodium to Treat (SSTT), die auf dem AHA-Kongress präsentiert und bislang noch nicht publiziert wurde, überprüfte die Hypothese, dass eine isolierte orale KCl-Supplementierung ohne gleichzeitige Reduktion der NaCl-Zufuhr den Natriumgehalt im Körper und den Blutdruck bei Patientinnen und Patienten mit arterieller Hypertonie senkt (ClinicalTrials.gov: NCT06569589).
SSTT ist eine prospektive Beobachtungsstudie mit standardisierter KCl-Supplementierung bei Patientinnen und Patienten, die zur routinemäßigen Diagnostik eines Hyperaldosteronismus (HA) am Changi General Hospital in Singapur vorgestellt wurden. Untersucht wurden Natrium- und Kaliumwerte sowie Aldosteronspiegel im Blut und im 24-Stunden-Urin, der Natriumgehalt im Muskel mittels 23Na-Magnetresonanztomographie und die Blutdruckwerte bei 40 Personen, jeweils zu Beginn der Studie sowie 6 bis 9 Wochen nach einer an den Blutkaliumspiegel angepassten oralen KCl-Supplementierung (Span-K Tabletten, 600 mg). Die Kaliumspiegel wurden initial und nach 2–3 Wochen kontrolliert, die verschriebene KCl-Dosis wurde entsprechend adaptiert. Ursprünglich war eine höhere Patientenzahl eingeplant, die Studie wurde bei ca. 50 % des Rekrutierungsziels abgebrochen, da die Endpunkte erreicht wurden.
Es wurden 17 Personen mit essenzieller Hypertonie (EH) und 23 Personen mit Hyperaldosteronismus eingeschlossen. Die verschriebene KCl-Dosis lag bei 3,53±1,44 g/d bei Personen mit EH und bei 4,15±1,80 g/d Personen mit HA. Keiner der Teilnehmenden entwickelten eine Hyperkaliämie >5,5 mmol/l. Die orale KCl-Gabe erhöhte die Kaliumkonzentration im Blut und die 24-Stunden-Kaliumausscheidung im Urin ohne Veränderungen der Natriumausscheidung im Urin. Im Vergleich zu den Personen mit EH hatten diejenigen mit HA einen niedrigeren Kaliumspiegel zu Beginn der Studie und nach KCl-Supplementierung, der absolute Anstieg des Kaliumspiegels war ähnlich. Bei Personen mit HA war das Muskel-Natrium initial signifikant höher als bei denjenigen mit EH. In beiden Gruppen kam es unter KCl-Supplementierung zu einem numerischen Abfall des Muskel-Natriums, der jedoch nur bei Personen mit HA signifikant war. Die orale KCl-Supplementierung senkte den systolischen Blutdruck um -8,33 (95%KI [-14,55; -2,12]) mmHg bei EH- und um -7,35 (95%KI [-12,69; -2,01]) mmHg bei HA-Patientinnen und -Patienten.
Die orale KCl-Supplementierung korrigierte die gestörte Natrium-Kalium-Verteilung im Körper und senkte den Blutdruck effizient bei Kosten von etwa 100 SG$ pro Jahr (≈ 75 US$).
Seit den positiven Resultaten der 2021 publizierten SSaSS-Studie, die in einem chinesischen Kollektiv eine mehr als zehnprozentige Reduktion kardiovaskulärer Endpunkte und der Gesamtmortalität durch Verwendung eines Blutdruck-Salzes mit 25 % KCl gezeigt hatte2, stellt sich die Frage, ob der Nutzen durch Reduktion der Natriumzufuhr, Steigerung der Kaliumzufuhr oder eine Kombination von beiden hervorgerufen wurde. Die beim AHA-Kongress präsentierte, aber leider noch nicht publizierte SSTT-Studie untersuchte nun den Effekt einer alleinigen Kalium-Supplementierung und fand eine signifikante Reduktion des systolischen Blutdrucks um ca. 8 mmHg. Zudem nahm das mittels MRT gemessene Muskel-Natrium ab, dieser Effekt war umso ausgeprägter, je größer die Veränderung des Kaliumspiegels im Plasma war. Dies deutet auf eine Korrektur der gestörten Natrium-Kalium-Verteilung zwischen Intra- und Extrazellulärraum durch KCl-Supplementierung hin.
Eine Blutdruckreduktion um 8 mmHg, die mit der Reduktion durch ein einzelnes Antihypertensivum vergleichbar ist, ist klinisch relevant. Der blutdrucksenkende Effekt war ca. 4–5 mmHg ausgeprägter als in der SSaSS-Studie. Die KCl-Supplementierung erscheint damit effizient hinsichtlich der Reduktion des systolischen Blutdrucks. Kardiovaskuläre Endpunkt wurden nicht berichtet und können angesichts der geringen Patientenzahl und der kurzen Nachbeobachtung auch nicht sinnvoll beurteilt werden. Neben dem kleinen Kollektiv von nur 40 Patientinnen und Patienten ist eine wesentliche Limitation der Studie, dass die untersuchte Population nicht repräsentativ für Hypertoniker im Versorgungsalltag war. Alle Patientinnen und Patienten wurden wegen Verdacht auf HA abgeklärt, bei etwas mehr als der Hälfte wurde ein solcher auch diagnostiziert. Für die Abklärung war eine Pausierung mehrerer Substanzgruppen empfohlen (MRA, ACE-Hemmer/Sartane, Betablocker, Diuretika), Kalziumkanalblocker und Alphablocker wurden bevorzugt eingesetzt. Damit beantwortet die Studie nicht die klinisch entscheidende Frage, ob Hypertoniker ohne Verdacht auf HA, die Erstlinien-Antihypertensiva erhalten, die in irgendeiner Form ins Renin-Angiotensin-Aldosteron-System eingreifen, ebenfalls von einer KCl-Supplementierung profitieren.
Die KCl-Supplementierung war unter regelmäßigen Kontrollen des Kaliumspiegels sicher, relevante Hyperkaliämien wurden nicht beobachtet. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass der initiale Kaliumspiegel meist niedrig normal (bei EH) oder sogar hypokaliäm (bei HA) war, die Daten zur Sicherheit können sicherlich nicht auf Patientinnen und Patienten mit höheren Ausgangswerten extrapoliert werden.
Die Bedeutung der SSTT-Studie für die alltägliche Versorgung ist damit gering, und sie trägt nicht wesentlich zur Klärung der eingangs von den Studienautoren gestellten Frage bei, ob die erhöhte KCl-Zufuhr der führende Grund für den Nutzen des „Blutdruck-Salzes“ in der SSaSS-Studie war. Angesichts mehrerer Studien, die in der Vergangenheit einen Blutdruck-senkenden Effekt sowohl einer NaCl-Restriktion als auch einer erhöhten KCl-Zufuhr gezeigt haben, ist davon auszugehen, dass beide Maßnahmen von Vorteil sind und idealerweise durch eine gesunde, Kalium-reiche und Natrium-arme Ernährung, ergänzt durch Verwendung eines Blutdruck-Salzes, umgesetzt werden sollten. Dies steht auch im Einklang mit aktuellen Leitlinien.
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