Was sind Anlass und Ziel der Publikation?
Seit der Veröffentlichung der ESC-Leitlinien zu ventrikulären Arrythmien (VT) und plötzlichem Herztod sind inzwischen 2 Jahre vergangen. Das klinische EHRA Konsensus Statement konnte nun punktuell neue Evidenz einfließen lassen – und insbesondere wichtige Alltagsfragen mit entsprechender Detailtiefe ergänzend beleuchten sowie Handlungsempfehlungen dort aussprechen, wo die Evidenz noch nicht vollumfänglich vorliegt, aber trotzdem im Alltag dringend Empfehlungen im Sinne eines „best practice“ notwendig sind.
Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?
- Hintergrund des Dokumentes ist die Tatsache, dass die Mortalität bei elektrischem Sturm nach wie vor zu hoch ist. Jeder weitere ICD-Schock kann das Mortalitätsrisiko weiter erhöhen.
- Die meisten Menschen, bei denen es zu einem elektrischen Sturm kommt, haben eine strukturelle Herzerkrankung (v.a. ischämischer Genese), eine vorangeschrittene Herzschwäche und häufig eine Vielzahl an Komorbiditäten. Dies in Kombination mit der akut ohnehin lebensbedrohlichen Lebenssituation machen das rasche, strukturierte und multiprofessionelle Handeln so wichtig. Es bildet die Grundlage des vorliegenden EHRA/HRS/LAHRS/APHRS Konsensus Dokuments.
- Dabei gilt es nach adäquater Triagierung insbesondere den Sturm rasch zu beruhigen, in dem reversible Ursachen behoben, ggf. ICDs umprogrammiert, eine medikamentöse Therapie optimiert (z.B. Propranolol, Amiodaron) und Betroffene ggf. durch eine Sedierung abgeschirmt werden.
- Darauf aufbauend können spezifische Therapien, insbesondere eine Katheterablation, in Ruhe vorbereitet werden.
- Neuere neuromodulatorische Ansätze wie z.B. die vergleichsweise einfache pharmakologische „Stellatumblockade“ können akut helfen und sollten in Einzelfällen als Alternative zu mechanischen Herz-Kreislaufunterstützungsverfahren (insbesondere einer ECMO), diskutiert werden.
- Das EKG bleibt ein zentrales Standardwerkzeug, das nicht genügend betont werden kann. So findet sich zur Erinnerung bzw. für jüngere Kollegen eine Detailübersicht zu typischen EKG-Veränderungen reversibler Ursachen, Beurteilung der zugrundeliegenden Grunderkrankung, sowie zu den ventrikulären Arrhythmien selbst.
Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?
Unverändert begrenzt wirksam bleiben die medikamentösen Möglichkeiten, während bei einer Vielzahl der Betroffenen eine monomorphe ventrikuläre Arrhythmie (VT oder VES als Trigger-Arrhythmie von Kammerflimmern) als Ursache vorliegt, welche vergleichsweise gut behandelbar ist, nachdem eine Initialstabilisierung erfolgt ist. Dies zu erkennen und konsequent umzusetzen, ist grundsätzlich einfach und/aber effektiv.
Ein gesichertes 12-Kanal-EKG (sowie ggf. intrakardial aufgezeichnete Elektrogramme) der klinisch relevanten Arrhythmie hilft nicht nur bei der Prozedurplanung (und ggf. Patienten-/Angehörigeninformation), sondern auch bei der prozeduralen Erfolgsabschätzung.
Welche Punkte sind offengeblieben?
Grundsätzlich sind wesentliche Behandlungsdetails nach wie vor nicht ausreichend durch randomisiert, kontrollierte Studien belegt – diese sind, zumindest zum Teil, u.a. aus medizinischen, ethischen sowie infrastrukturellen Gründen auch zeitnah nicht zu erwarten. „Den“ optimalen Zeitpunkt für eine Katheterablation nach einer initialen Patientenstabilisierung kennen wir dementsprechend nach wie vor nicht.
Gerade bei hämodynamisch instabilen Patientinnen und Patienten kann im Einzelfall eine mechanische Herz-Kreislauf-Unterstützung hilfreich sein. Verfahren und Dauer des Einsatzes sollten aber nach aktuellem Stand in einer Risko-Nutzen-Abwägung besonders sorgfältig geprüft werden.
Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?
Die Sensibilisierung für das Thema des „elektrischen Sturms“ hat zunehmend zu einer Prüfung therapeutischer Möglichkeiten bei Erstdiagnose klinisch relevanter Arrhythmien - häufig in Form eines antitachykarden Pacings und/oder ICD-Schock - geführt. Dies kann helfen „Stürmen“ vorzubeugen, Betroffene vor traumatisierenden und lebensbedrohlichen Ereignissen gemeinsam zu schützen.
Hinzu kommt, dass die Katheterablation im letzten Jahrzehnt eine rasante Standardisierung erfahren hat. Häufig können Prozeduren im stabilen Sinusrhythmus durchgeführt werden. Untersucht wird aktuell z.B. darüber hinaus in der europweiten inEurHeart-Studie ob eine Bildintegration inkl. einer 3D-Darstellung des arrhythmogenen Substrats helfen kann, Prozedurzeiten zu verkürzen.
Management of patients with an electrical storm or clustered ventricular arrhythmias: a clinical consensus statement of the European Heart Rhythm Association of the ESC-endorsed by the Asia-Pacific Heart Rhythm Society, Heart Rhythm Society, and Latin-American Heart Rhythm Society.
Literaturnachweis: Lenarczyk R, Zeppenfeld K, Tfelt-Hansen J, et al. Management of patients with an electrical storm or clustered ventricular arrhythmias: a clinical consensus statement of the European Heart Rhythm Association of the ESC-endorsed by the Asia-Pacific Heart Rhythm Society, Heart Rhythm Society, and Latin-American Heart Rhythm Society. Europace. 2024;26(4):euae049. doi:10.1093/europace/euae049