Was sind Anlass und Ziel der Publikation?
Anlass der Stellungnahme ist die sich abzeichnende Schließung der psychokardiologischen Station der Universitätsmedizin Göttingen, die unter der Leitung von Herrn Prof. Herrmann-Lingen steht. Diese Station hat in Deutschland, wenn nicht sogar in Europa, eine Leuchtturmfunktion in der stationären psychokardiologischen Versorgung von Patientinnen und Patienten mit schweren Herzerkrankungen und einer psychischen Erkrankung (z. B. Depression, Stress- oder Angsterkrankung).
Was ist die zentrale Forderung in der Publikation?
Die AG 30 und deren Nucleus spricht sich dafür aus, die psychosozialen Aspekte von kardiovaskulären Erkrankungen besser und umfassender therapeutisch anzugehen. Die stationäre psychokardiologische Versorgung dieser schwerkranken Patientinnen und Patienten lediglich durch Konsil- bzw. Liaisondienste abzubilden, ist angesichts kurzer Liegezeiten mit in diesem Rahmen begrenzten psychokardiologischen Handlungsoptionen nicht ausreichend.
Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?
- Angesichts der evidenzbasierten Bedeutung psychosozialer Faktoren für die Entstehung und den Verlauf von kardiovaskulären Erkrankungen kommt einer psychokardiologischen Mitbehandlung zunehmende Bedeutung zu.
- Diese Mitbehandlung kann zunächst im hausärztlichen, internistischen und kardiologischen Setting ambulant im Rahmen der psychosomatischen und psychokardiologischen Grundversorgung erfolgen. In diesem Rahmen kann dann die Indikation zu einer psychokardiologischen Reha-Maßnahme oder aber auch einer spezifischen Psychotherapie gestellt werden.
- Bei schwerstkranken Patientinnen und Patienten (z. B. elektrischer Sturm bei einem ICD-Patienten oder der Versorgung einer Patientin mit schwerster Herzinsuffizienz, ggf. auch der Versorgung mit einem linksventrikulären Assist-Device) kann eine stationäre psychokardiologische Therapie unmittelbar erforderlich werden, die durch ambulante Psychotherapeuten und -therapeutinnen oder entsprechende Reha-Einrichtungen nicht geleistet werden kann. Dem stimmen führende Vertretende der DGPPR (Deutsche Gesellschaft für Klinische Psychotherapie, Prävention und Psychosomatische Rehabilitation) sowie der DGPR (Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen) zu.
Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?
Wie in der Stellungnahme ausgeführt, ist die Vergütung einer stationären psychokardiologischen Behandlung zurzeit nicht ausreichend geregelt. Der Nucleus der AG 30 „Psychosoziale Kardiologie“, für den ich hier spreche, ist deswegen dem Präsidenten der DGK, Herrn Prof. Thiele, für die Unterstützung dieser Stellungnahme durch seinen Mitautorenschaft sehr dankbar, da das Vergütungsproblem auch einen Einsatz auf politischer Ebene erfordert.
Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?
Vor dem Hintergrund der zunehmenden gesellschaftlichen Belastung durch psychische und psychosomatische Erkrankungen mit ihrer erwiesenen kardiovaskulären prognostischen Relevanz und dem demographischen Wandel mit zunehmend älteren und komplex erkrankten Patientinnen und Patienten gehen wir von einem sich deutlich steigernden psychokardiologischem Behandlungsbedarf auf allen Ebenen aus. Dies gilt unseres Erachtens auch für die präventiven Aspekte der Psychokardiologie. So wurde in einer Studie aus England vom letzten Jahr an über 600.000 Patientinnen und Patienten mit Depression gezeigt, dass bei einer erfolgreichen Gesprächspsychotherapie der Depression das Auftreten einer koronaren Herzerkrankung deutlich geringer ist.