Was sind Anlass und Ziel der Publikation?
Die antithrombotische Behandlung ist ein Grundpfeiler zur Verhinderung ischämischer Ereignisse in der interventionellen Kardiologie. Allerdings erhöht sie gleichzeitig das Risiko für Blutungen. Besonders relevant ist das für onkologische Patientinnen und Patienten, da diese Erkrankungen häufig mit einer Thrombozytopenie einhergehen. Da kardiovaskuläre und onkologische Erkrankungen eine nennenswerte Überschneidung haben, stellt diese Patientengruppe eine komplexe klinische Herausforderung dar. Das optimale antithrombotische Regime für diese Patientengruppe bei interventionellen Eingriffen ist bislang nicht bekannt. Daher soll dieses Konsensuspapier eine klinische Orientierungshilfe bei diesen Patientinnen und Patienten bieten.
Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?
- Bei Vorliegen einer Thrombozytopenie wird eine interdisziplinäre, ätiologische Abklärung empfohlen, falls dies die Dringlichkeit der kardiologischen Behandlung und das klinische Setting zulassen.
- Bei Vorliegen einer Thrombozytopenie im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms kann in Abwägung des ischämischen und hämorrhagischen Risikos ab einer Thrombozytenzahl von > 30.000/µl eine duale Plättchenhemmung mit ASS und Clopidogrel verabreicht werden.
- Bei Vorliegen einer Thrombozytopenie im Rahmen eines chronischen Koronarsyndroms sollte in Abwägung des ischämischen und hämorrhagischen Risikos unter einer Thrombozytenzahl von 30.000/μl möglichst ein konservatives Vorgehen gewählt werden.
- Bei Vorliegen einer Thrombozytopenie im Rahmen einer Koronarintervention mit gleichzeitiger Indikation zur effektiven Antikoagulation sollte in Abwägung des ischämischen und hämorrhagischen Risikos ab einer Thrombozytenzahl von > 50.000/µl eine duale Plättchenhemmung mit einem DOAK und Clopidogrel verabreicht werden.
- Für die Durchführung einer LAA-Okkluder-Implantation wird eine Thrombozytenzahl > 50.000/μl empfohlen.
- Für die Durchführung einer valvulären Intervention empfehlen wir eine Thrombozytenzahl > 50.000/μl. Eine präinterventionelle Thrombozytenkonzentratgabe kann vor Intervention erwogen werden.
Eine zentrale Abbildung aus der Publikation:
Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?
Unser Konsensuspapier legt bewusst den Fokus auf möglichst präzise Handlungsempfehlungen, die im klinischen Alltag eingesetzt werden können. Jedoch ist der Evidenzgrad für dieses Thema gering, z. B. sind die Empfehlungen der gängigen Guidelines spärlich. Daher entsprechen die Empfehlungen vielfach lediglich Expertenmeinungen. Daher ist die individuelle und interdisziplinäre Begutachtung des jeweiligen Falls weiterhin essenziell, da es sich häufig um kritisch kranke Patientinnen und Patienten handelt. Hier gilt es, im Austausch mit Kardiologie, Onkologie, Hämatologie und Hämostaseologie das für die Patientinnen und Patienten optimale Behandlungskonzept festzulegen.
Welche Punkte sind offengeblieben?
Wünschenswert wäre, differenziertere Empfehlungen für die verschiedenen Szenarien entwerfen zu können, auf die wir mit den weiterhin rasant wachsenden Verfahren der interventionellen Kardiologie angewiesen sein werden. So sind beispielweise neuartige Prothesensysteme (Evoque, Sapien M3) oder elektrophysiologische Untersuchungen noch gar nicht in die Empfehlungen miteinbezogen. Letztlich sollte es das Ziel sein, unsere Empfehlungen anhand größerer randomisiert-kontrollierter Studien zu überprüfen.
Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?
Es ist damit zu rechnen, dass aufgrund der modernen Behandlungsmethoden und der demographischen Entwicklung die Gruppe diejeniger wachsen wird, die sowohl onkologische wie auch kardiovaskuläre Erkrankungen haben werden und neben einer Tumortherapie auch auf Verfahren der interventionellen Kardiologie angewiesen sein werden. Um diese Patientinnen und Patienten bestmöglich behandeln zu können, sollten wir diese Patientengruppe stärker in den Fokus nehmen.
Antithrombotische Therapie für kardiologische Eingriffe bei Patienten mit Thrombozytopenie bei onkologischen Erkrankungen - Konsensuspapier
Literaturnachweis
Naguib, D., Bakchoul, T., Dietrich, S., et al.
Antithrombotische Therapie für kardiologische Eingriffe bei
Patienten mit Thrombozytopenie bei onkologischen Erkrankungen
Kardiologie 2025
https://doi.org/10.1007/s12181-025-00767-3