Derzeit findet ein sehr intensiver, teils emotionaler Wahlkampf statt. In der Gesundheitspolitik sollten, wie auch bei anderen Themen, Strukturen herrschen, die die bestmögliche Versorgung ermöglichen.
Setzt man eine selektive kardiovaskuläre Brille auf, so endet die Suche in den gesundheitspolitischen Wahlprogrammen nach entsprechenden Formulierungen schnell. Die SPD strebt an, die Prävention „nicht übertragbarer Erkrankungen“ zu fördern und erwähnt hierbei namentlich kardiovaskuläre Erkrankungen. Andere demokratische Parteien legen einen Fokus auf Erforschung und Behandlung von „Long COVID“ oder geschlechtsspezifische Medizin. Und hierbei endet die Liste konkreter Benennungen spezifischer Erkrankungen oder Schwerpunkte.
Wenig beeindruckend lesen sich übrigens die Details des AfD-Programmes. Man kann eine Vielzahl der Punkte unter dem Motto zusammenfassen: alles ablehnen und überall austreten, sofern die Institution nicht den eigenen Vorstellungen folgt. Eine Positionierung, die sicher in jeder Grundschule kritisch hinterfragt und unser Gesundheitssystem vermutlich innerhalb einer Legislaturperiode an den Abgrund führen würde.
Der gleichberechtigte Zugang zu medizinischer Versorgung ist essentiell. SPD und Grüne schlagen weiter die Bürgerversicherung vor, während CDU/CSU und FDP das duale Versicherungssystem bevorzugen.
Welche politischen Grundsätze sind für eine moderne Medizin und eine moderne Gesundheitspolitik notwendig? Wie erzielen wir effiziente Prävention und die Sicherstellung wirklich notwendiger therapeutischer, hoch qualitativer, aber dennoch ökonomisch eingesetzter Maßnahmen?
Nicht ohne politisches Wirken jedoch ist eine Strukturreform mit effizienten ambulanten Strukturen, einer Verzahnung ambulanter und stationärer Prozesse, Etablierung von Zentren der Grundversorgung und Fokussierung spezialisierter Zentren zu erreichen. Dieses Thema wird in unterschiedlichen Variationen in allen Parteiprogrammen abgebildet. Deren Umsetzung erwarten wir gerade in der Herzmedizin mit höchster Priorität. Die Qualifizierung von Zentren zur speziellen Versorgung muss im Einklang mit den aktuellen Bemühungen des G-BA unter Einbeziehung der Fachgesellschaften anhand von Qualitätsmerkmalen und individueller sowie institutioneller Mengengerüste geschehen. Dies führt zur Steigerung der medizinischen Qualität sowie ökonomischer Sinnhaftigkeit.
Die Prävention von Erkrankungen wird gestärkt durch den Blick über den fachgesellschaftlichen Tellerrand. Risikofaktoren wie beispielsweise Rauchen und Bluthochdruck tragen zu Morbidität und Mortalität von Herzinfarkt und Herzschwäche, Demenz, Schlaganfall, Nierenerkrankungen und Krebserkrankungen bei. Eine fachübergreifende präventive Strategie und gemeinschaftliche Programme zur Prävention von non-communicable diseases sind sinnvoll. Dies findet sich in keinem Wahlprogramm, hindert uns aber nicht, mit Nachdruck eine starke gemeinschaftliche Stimme zu erheben – zur Erhöhung der Tabaksteuer, zum niederschwelligen Screening von Bluthochdruck, anderen Risikofaktoren oder familiärer Hypercholesterinämie, zur konsequenten Einführung einer Ernährungsampel. Gemeinsam und abgestimmt mit vielen Fachgesellschaften haben wir eine Chance, den Koalitionsvertrag nachdrücklich zu beeinflussen. Dies sollte geschehen – egal, was in den Wahlprogrammen steht. Die Integration niederschwelliger Angebote zur Risikofaktorendetektion mit Check-up-Untersuchungen, evtl. auch in Apotheken kann hier ein essentieller Baustein sein.
Die konsequente Umsetzung der Elektronischen Patientenakte – ebenso in einigen Wahlprogrammen erwähnt – ist für eine effizientere Krankenversorgung essentiell. Die DGK wird diese nachdrücklich unterstützen, ebenso eine Digitalstrategie im Schulterschluss mit dem DZHK, welche, wie in allen Wahlprogrammen erwähnt, eine Optimierung der diagnostischen Prozesse ermöglicht. Dies ist in der Tumorbiologie bereits im Einsatz, die Kardiologie wird diesen Weg ebenso gehen.
Nicht zuletzt wird die DGK im Rahmen der Nationalen Herz-Allianz, einem breiten Bündnis aller großen herzmedizinischen Fachgesellschaften und Berufsverbände, des DZHK und der Patientenvertretung in Deutschland, sich weiter für das Ziel einer nationalen Herz-Kreislauf-Strategie einsetzen, um innovative Forschung zu fördern und Herz-Kreislauf-Erkrankungen – der Todesursache Nr. 1 hierzulande – gezielt und umfassend anzugehen.
Diejenigen Inhalte der Wahlprogramme, welche durch Sachargumente motiviert sind und auch parteiübergreifend Erwähnung finden, können unser auskömmlich finanziertes Gesundheitssystem klug weiterentwickeln. Hierzu gehört auch die Nachjustierung einer grundsätzlich sinnvollen Krankenhausreform. Es sind nur wenige Stellschrauben notwendig, die einen Erfolg zeitigen würden. Das geht aber nur – und ich komme zum Anfang zurück – mit gemeinschaftlich agierenden Fachgesellschaften und einem unter Vermeidung starker Polarisierung geführten kritischen politischen Diskurs. Gepaart mit dem unbedingten Willen zur klugen Veränderung und der Fähigkeit, über den eigenen Vorteil hinaus zu blicken, beinhalten die meisten Wahlprogramme alle Zutaten, einen erfolgreichen Weg zu gehen.
Auf geht es!