Fragen an Dr. Bauer zu Sport für Vorhofflimmer-Patientinnen und -Patienten
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Dr. Pascal Bauer
Priv. Doz. Dr. Pascal Bauer ist Oberarzt am Universitätsklinikum Gießen, Leiter der Angiologie, Leiter der Sportkardiologie und kardiovaskulären Prävention sowie Sprecher der AG 32 Sportkardiologie. Für Herzmedizin.de beantwortet er Fragen zu Bewegung und Sport bei Vorhofflimmern.
Was ist der beste Schutz vor der Entstehung von Vorhofflimmern?
Grundsätzlich gelten für den Schutz von Vorhofflimmern die gleichen Empfehlungen wie für die Prävention von anderen Herz- Kreislauferkrankungen. Die Basis ist dabei ein gesunder Lebensstil. Dazu gehören eine gesunde Ernährung (zum Beispiel die mediterrane Ernährung), das Vermeiden von Übergewicht (BMI<25 kg/m2), eine ausreichende Schlafdauer (7 bis 9 Stunden pro Nacht), Nichtrauchen und eine regelmäßige körperliche Aktivität. Diese ist sogar eine der wichtigsten Maßnahmen, um der Entstehung von Vorhofflimmern vorzubeugen.
Kann Sport vor der Entstehung von Vorhofflimmern schützen?
Regelmäßige körperliche Aktivität und Sport sind wichtige und mächtige Werkzeuge, um der Entstehung von Vorhofflimmern vorzubeugen. Zum einen beeinflussen sie die wichtigsten Risikofaktoren für Vorhofflimmern (wie Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes mellitus) günstig und helfen, diese zu vermeiden. Zum anderen erkranken körperlich fitte Erwachsene deutlich seltener an Vorhofflimmern. Umgekehrt zeigen Untersuchungen, dass ein bewegungsarmer Lebensstil das Risiko für Vorhofflimmern bei Frauen und Männern um das zweieinhalbfache erhöht. Zudem konnte gezeigt werden, dass Bewegungsmangel ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung von Herz- Kreislauferkrankungen ist.
Wie viel Sport sollte ich treiben, um die Entstehung von Vorhofflimmern zu verhindern?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Erwachsenen und älteren Menschen über 65 Jahren zur Vorbeugung von Herz- Kreislauferkrankungen 150 bis 300 Minuten aerobe Ausdaueraktivität pro Woche bei moderater Intensität (z. B. Walking, langsames Joggen, Radfahren, Schwimmen, Ergometertraining). Optional kann der Trainingsumfang auch 75 bis 150 Minuten pro Woche mit hoher Intensität (zum Beispiel schnelles Joggen) betragen. Es wird die regelmäßige Durchführung von 5 bis 7 Trainingseinheiten pro Woche empfohlen, wobei der Umfang langsam gesteigert werden sollte. Zusätzlich zur Ausdauerbewegung sollte man – idealerweise – an zwei Tagen der Woche Krafttraining mit moderater Intensität betreiben und dabei die großen Muskelgruppen beüben.
Beim Vorliegen von Bluthochdruck und/ oder Diabetes mellitus sollte dreimal pro Woche ein Krafttraining zur Stärkung der Muskulatur erfolgen. Älteren ab 65 Jahren werden an drei Tagen pro Woche zusätzlich Gleichgewichts- und Koordinationsübungen zur Sturzprävention angeraten. Diese Empfehlungen gelten auch für die Vorbeugung von Vorhofflimmern.
Allerdings zeigen Studien klar auf, dass bereits auch deutlich geringere Bewegungsumfänge das kardiovaskuläre Risiko senken und daher jeder Schritt zählt und zur Risikominimierung beiträgt. Auf der anderen Seite können die von der WHO empfohlenen Bewegungsumfänge auch mindestens um das Doppelte gesteigert werden, um weitere positive Effekte zu erzielen.
Kann ich auch mit Vorhofflimmern Sport treiben?
Ja, das sollte man sogar! Studien konnten zeigen, dass durch eine aerobe körperliche Aktivität mit moderater Intensität die Häufigkeit und die subjektiv erlebte Intensität von Vorhofflimmerepisoden reduziert und die Lebensqualität gesteigert werden kann. Bei Patienten mit Vorhofflimmern sollte die Trainingsdosis mit der behandelnden Ärztin/ dem behandelnden Arzt abgesprochen werden. Denn Medikamente, die häufig bei Vorhofflimmern eingesetzt werden, wie beispielsweise Betablocker, beeinflussen die Herzfrequenzregulation unter Belastung, so dass die Festlegung des optimalen Trainingspulses entsprechend angepasst werden muss.
Welche Rolle spielt Übergewicht bei der Entstehung von Vorhofflimmern?
Übergewicht ist ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung von Vorhofflimmern. Dabei scheint das sogenannte viszerale Fettgewebe („Bauchfett“) eine besondere Bedeutung zu haben, da dieses stark hormonell aktiv ist und kardiovaskuläre Erkrankungen begünstigt. Aktuelle Studien konnten zeigen, dass stark Übergewichtige (Body-Mass-Index >30) ein doppelt so hohes Risiko für Vorhofflimmern haben im Vergleich zu Normalgewichtigen.
Übergewichtige Patienten (mit einem Body-Mass-Index über 27), die unter Vorhofflimmern leiden, können durch den Verlust überflüssiger Pfunde enorme Vorteile für ihre Gesundheit erzielen. Ein nachhaltiger Gewichtsverlust von mehr als 10 Prozent des Ausgangsgewichtes führte in einer Studie bei Übergewichtigen mit Vorhofflimmern nach 5 Jahren zu einer Vorhofflimmerfreiheit von 46 Prozent! Damit darf man eine nachhaltige Gewichtsreduktion bei Übergewichtigen als potentes Antiarrhythmikum bezeichnen.
Aber auch krankheitsbedingte, strukturelle Veränderungen des Herzens bilden sich bei normalgewichtigen Patienten eher wieder zurück als bei Übergewichtigen. Zudem werden mit der Reduktion des Übergewichtes auch andere klassische Risikofaktoren positiv beeinflusst, beispielsweise resultiert hieraus auch eine effektive Blutdrucksenkung. Mit weniger Gewicht dürfte es Patienten zudem leichter fallen, sich regelmäßig zu bewegen und sportlich aktiv zu sein.
Kann Hochleistungssport zu einem vermehrten Auftreten von Vorhofflimmern führen?
Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass langjährig ausgeübter intensiver Ausdauersport bei Männern zu einem vermehrten Auftreten von Vorhofflimmern führen kann. Entsprechendes wurde bei Frauen bisher noch nicht nachgewiesen, wobei dies an der geringen Anzahl an Athletinnen in den Studien liegen kann. Auch wenn das Risiko für Vorhofflimmern nach den bisherigen Erkenntnissen für langjährig intensiv Ausdauersporttreibende Männer ca. 5-fach erhöht erscheint, lässt sich aufgrund der geringen Fallzahlen nicht genau sagen, ab welcher Belastungsintensität und -dauer dieses Risiko steigt. Leider weiß man auch noch nicht sicher, was die Ursache ist.
Welche Veränderungen können durch den Hochleistungssport im Herzen ausgelöst werden?
Derzeit wird diskutiert, ob durch die besonders starke körperliche Anstrengung eine Fibrose entsteht, also eine krankhafte Vermehrung von Bindegewebe, die zur Entwicklung von Vorhofflimmern führen könnte – zumindest zeigt sich, dass bei Menschen mit einer Fibrose in den Vorhöfen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Vorhofflimmern auftritt, erhöht ist.
Dabei rücken auch die zu geringen Erholungszeiten zwischen intensiven und ausdauernden Trainingseinheiten – wie sie typischerweise im Leistungssport vorkommen – in den Fokus.
Es gibt aber auch Hinweise, dass die durch den intensiven Ausdauersport vergrößerten Vorkammern das Auftreten von Vorhofflimmern fördern können. Des Weiteren werden Veränderungen des autonomen Nervensystems und genetische Faktoren diskutiert, die begünstigend wirken könnten.
Was würden Sie einem Hochleistungssportler empfehlen?
Auch bei Leistungssporttreibenden sollte bei der Detektion von Vorhofflimmern zunächst eine genaue kardiologische Abklärung zum Ausschluss einer strukturellen Herzerkrankung erfolgen. Ein bewährtes – aber bei Leistungssporttreibenden unbeliebtes – Mittel zur Senkung der Vorhofflimmerlast besteht in der Reduktion des Trainingspensums.
Gerade für Berufssportler kommt allerdings diese Maßnahme oft nicht in Frage. Eine medikamentöse antiarrhythmische Therapie ist bei Athletinnen und Athleten allerdings sehr komplex, da beispielsweise Betablocker aufgrund der ohnehin vorhandenen Neigung zu niedrigen Ruheherzfrequenzen schlecht vertragen werden, zum anderen aber auch die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass Betablocker in manchen Sportarten auf der Dopingliste stehen. Andere Medikamente können andere Herzrhythmusstörungen begünstigen und dürfen nur im zeitlichen Abstand zu intensiven Trainingsbelastungen eingenommen werden. Daher ist heute gerade bei Wettkampf- und Berufssportlern die Katheterablation die Therapie der Wahl. Diese ist auch bei Leistungssporttreibenden eine effektive Methode, um das Vorhofflimmern zu behandeln. Nach erfolgter Katheterablation können Leistungssporttreibende in der Regel nach 2 Wochen wieder mit dem Training beginnen.