Betablocker: Wie sie wirken, wann sie verschrieben werden

Betablocker gehören zu den am häufigsten verschriebenen Herzmedikamenten. Nach einem überstandenen Herzinfarkt, aber auch bei vielen Herzerkrankungen sind sie ein wichtiger Therapiebaustein – denn Betablocker können Krankenhausaufenthalte verhindern und Leben verlängern.

Von Kerstin Kropac

 

28.03.2023

 

Bildquelle (Bild oben): iStock / clubfoto  

Bei welchen Herzerkrankungen helfen Betablocker?

Betablocker werden bei verschiedenen Herzerkrankungen eingesetzt – zum Beispiel bei vielen Formen der Herzschwäche. Ein weiteres Indikationsgebiet ist der Herzinfarkt. „Im ersten Jahr nach dem Infarkt sollten alle Patientinnen und Patienten einen Betablocker einnehmen“, sagt Dr. Ralph Bosch, Kardiologe in Ludwigsburg. „Sind durch den Herzinfarkt Schäden am Herzmuskel nachweisbar, empfehlen wir sogar eine dauerhafte Einnahme.“ Auch bei Vorhofflimmern und einigen anderen Herzrhythmusstörungen können Betablocker helfen. „So können wir beispielsweise beim Vorhofflimmern die obere Herzfrequenz bremsen. Das ist sehr wichtig, um der Entstehung einer Herzschwäche vorzubeugen.“

Welche Wirkung haben Betablocker auf das Herz?

„Wie der Name schon sagt: Diese Medikamente blockieren die sogenannten Beta-Adrenozeptoren. Diese sitzen überwiegend auf den Herzmuskelzellen“, erklärt Dr. Bosch. Sind die Rezeptoren besetzt, können die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin dort nicht andocken. „Das ist der erwünschte Effekt“, sagt der Kardiologe. „Die Schlagfolge des Herzens wird reduziert. Dadurch verbraucht der Herzmuskel weniger Sauerstoff – er wird entlastet.“

Warum sollten Menschen mit Herzschwäche Betablocker einnehmen?

„Leidet ein Mensch unter einer Herzschwäche, spürt der Körper, dass er ein Problem hat und schüttet verstärkt Stresshormone aus“, erklärt Dr. Bosch. Normalerweise würden diese Hormone den Herzschlag beschleunigen. Ist ein Teil der Rezeptoren aber durch einen Betablocker besetzt, können die Stresshormone dort nicht ansetzen. „Deshalb sind Betablocker einer der vier Grundbausteine der Herzschwäche-Therapie“, sagt der Kardiologe. „Bei einer höheren Dosis haben die Patientinnen und Patienten ein besseres Auskommen: Sie müssen seltener ins Krankenhaus und leben länger. Mehrere Studien zeigen auch, dass die Sterblichkeit durch die Einnahme von Betablockern um etwa ein Viertel reduziert ist.“ Deshalb bemüht man sich in der Therapie zunächst um eine höhere Dosis – und reduziert, wenn das nicht gut vertragen wird.

Nebenwirkungen der Betablocker werden durch niedrige Dosis vermieden. Um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden, beginnt die Einnahme von Betablockern mit einer niedrigen Dosis. Bildquelle: iStock / FilippoBacci

Warum werden Betablocker nicht mehr bei Bluthochdruck verschrieben?

Zur reinen Bluthochdrucktherapie wird der Betablocker heute kaum noch eingesetzt. „Er gehört nicht mehr zur sogenannten First-Line-Therapie“, sagt der Kardiologe. „Betablocker sind also nicht das Mittel der ersten Wahl, sondern werden nur verordnet, wenn auch andere Herzerkrankungen vorliegen.“ Das kommt bei Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck allerdings sehr häufig vor. „Der Vorteil ist: Meist kann man so zwei Erkrankungen mit einem Medikament behandeln“, sagt Dr. Bosch.

Dürfen Menschen mit Asthma Betablocker einnehmen?

Auch in der Lunge haben Menschen Betarezeptoren – die sind allerdings etwas anders als jene am Herzen. „Am Herz hat man überwiegend Beta-1-Rezeptoren“, erklärt Dr. Bosch. „In den Bronchien und in der Lunge sind es eher Beta-2-Rezeptoren.“ Deshalb versucht man bei Herzerkrankungen Betablocker einzusetzen, die überwiegend am Beta-1-Rezeptor wirken – wie zum Beispiel das Bisoprolol oder Metoprolol. „Früher war die Lungenerkrankung COPD eine Kontraindikation. Das heißt: Den Betroffenen hat man keine Betablocker verordnet“, sagt Dr. Bosch. „Heute weiß man: Mit diesen hochselektiven Substanzen kann man den gewünschten Effekt am Herzen erzielen, ohne die Atemwege zu belasten.“ Das gilt jedoch nicht für allergisches Asthma! „Durch das Medikament können die Bronchien eng gestellt werden und so einen Asthmaanfall provozieren.“

Worauf müssen Diabetes-Erkrankte bei der Einnahme von Betablockern achten?

Eine leichte Unterzuckerung hat für Diabetikerinnen und Diabetiker in der Regel keine gesundheitlichen Folgen. Dagegen kann eine schwere Unterzuckerung lebensgefährlich werden. „Für den Körper bedeutet eine Unterzuckerung Stress. Das heißt: Er schüttet vermehrt Stresshormone aus“, erklärt Dr. Bosch. „Die Betablocker kaschieren die Symptome des Unterzuckers.“ Spüren die Betroffenen keinen Heißhunger, Zittern oder innere Unruhe – typische Symptome des Unterzuckers –, erkennen sie ihre kritische Situation unter Umständen zu spät. „Darüber müssen Ärztinnen und Ärzte aufklären, damit die Betroffenen ihren Zuckerwert im Blut eventuell häufiger messen und sensibler auf leichte Anzeichen reagieren.“

Welche Nebenwirkungen haben Betablocker?

„Bei den Betablockern ist es so: Die wichtigste Nebenwirkung ist zugleich die wichtigste Wirkung“, sagt der Kardiologe. „Der langsame Puls, den wir haben wollen, kann auch so langsam sein, dass die Patientinnen und Patienten Schwindelphasen oder sogar Ohnmachten erleben.“ Manchmal steigt der Puls auch unter Belastung nicht mehr an, wodurch die Betroffenen nicht mehr ausreichend belastbar sind. Das betrifft häufig Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern. Bei ihnen möchte man den zu schnellen Puls bremsen. Gleichzeitig wird der normale Puls durch die Betablocker zu langsam. Dann muss man das Medikament niedriger dosieren. „Bei Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche muss man beachten, dass diese meist mehrere Medikamente einnehmen, die den Blutdruck senken“, sagt Dr. Bosch. Um für jeden Betroffenen die richtige Dosierung zu finden, werden Betablocker eingeschlichen. Das heißt: Man beginnt mit einer sehr niedrigen Dosis, die dann langsam gesteigert wird. „Das wird von den meisten besser toleriert“, sagt der Kardiologe.

Nehmen Menschen bei Einnahme von Betablockern Gewicht zu?

Viele befürchten eine Gewichtszunahme durch die Einnahme von Betablockern. „Es ist natürlich so, dass Stresshormone für einen höheren Energieverbrauch sorgen“, sagt Dr. Bosch. Sind die Rezeptoren blockiert, verbraucht der Körper weniger Energie. „Doch gerade bei den hochselektiven Beta-1-Rezeptoren, die nur im Herz wirken, ist dieser Effekt nicht sehr groß. Wer sich gesund ernährt und genug bewegt, nimmt von Betablockern auch nicht zu“, sagt der Kardiologe.

Dr. Ralph Bosch PD Dr. Ralph Bosch, Kardiologe in Ludwigsburg. Bildquelle: CCLB

Verursachen Betablocker eine Erektionsstörung?

„Darauf werde ich häufig von Patienten angesprochen“, sagt der Kardiologe. „Aber meist ist es so, dass die Grunderkrankung zu den Potenzproblemen führt – und nicht der Betablocker.“ Viele betroffene Patienten haben zum Beispiel eine Gefäßverkalkung (Atherosklerose). Die findet nicht nur in den Herzkranzgefäßen, sondern in allen Gefäßen des Körpers statt – auch in denen des Penis-Schwellkörpers. Dadurch kann es zu Fehlregulationen und Erektionsstörungen kommen. „Auch mehrere kontrollierte Studien zeigen: Bei den Probanden, die ein Placebo bekommen haben, kommt diese Nebenwirkung ebenso häufig vor wie unter Betablockern“, sagt der Kardiologe. „Medikamente gegen erektile Dysfunktionen – wie beispielsweise Viagra oder Cialis – können dann helfen. Die sind für Patienten mit den meisten Herz-Kreislauf-Erkrankungen geeignet. Auch wenn sie gleichzeitig Betablocker einnehmen.“

Warum sollte man Betablocker niemals spontan absetzen?

Wenn ein Teil der Rezeptoren des Herzens besetzt ist, bildet der Körper neue Rezeptoren. „Wenn man den Betablocker schlagartig absetzt, hat man plötzlich zu viele aktive Rezeptoren“, erklärt der Kardiologe. „Dann ist die Wirkung des Adrenalins verstärkt. Blutdruck und Herzfrequenz steigen rasant an, was für die Betroffenen sehr unangenehm ist.“ Deshalb gilt: Betablocker müssen immer nach Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt und grundsätzlich schleichend abgesetzt werden, damit der Körper den Neubildungsprozess der Rezeptoren stoppen und sich wieder an das Ausgangsniveau gewöhnen kann.

Diese Seite teilen