Was ist eine Verkalkung der Gefäße?

Eine Gefäßverkalkung – oder auch Atherosklerose – kann zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen. Aber setzt sich bei dieser Erkrankung wirklich Kalk in den Blutgefäßen ab? Wann wird diese Verkalkung gefährlich und wie lässt sie sich behandeln?

Von Kerstin Kropac

 

06.12.2023


Bildquelle (Bild oben): iStock/Mohammed Haneefa Nizamudeen

Warum wird umgangssprachlich von einer Verkalkung der Gefäße gesprochen?

Für die Erkrankung Atherosklerose hat sich umgangssprachlich die Bezeichnung als Gefäßverkalkung durchgesetzt. Bei dieser Erkrankung entstehen Ablagerungen (Plaques) in den Arterien, die den Blutfluss einschränken oder blockieren können. Diese Ablagerungen bestehen vor allem aus Blutfetten, also Cholesterin, und nur wenig Kalk.  „Schaut man sich bei Menschen, die am Herzinfarkt gestorben sind, die Gefäße an, stellt man fest, dass an einigen Stellen Kalk die Gefäße stark verhärtet hat, daher der Name“, erklärt Prof. Volker Schächinger, Direktor der Medizinischen Klinik I des Klinikums Fulda. Untersucht man das ganze Gefäß, findet man auch weiche Fett-Ablagerungen. Diese Verteilung ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Die koronare Herzkrankheit – die Verengung der Koronararterien, also der Gefäße, die das Herz mit Sauerstoff versorgen – kann aber auch mit geringer Kalkablagerung schwerwiegende Auswirkungen sein.


Ausgelöst werden die Ablagerungen durch Schädigungen an der Oberfläche der Herzkranzgefäße. Risikofaktoren dafür sind zum Beispiel hoher Blutdruck, hohe Blutfett- oder Blutzuckerwerte sowie Rauchen. „Diese Risikofaktoren, beispielsweise die Giftgase des Rauchens, können die Gefäße schädigen. Die Gefäßoberfläche, die aus sogenannten Endothel-Zellen besteht, verliert ihre Schutzfunktion. Cholesterin lagert sich ab. Das ist der Startschuss für Entzündungszellen, in die Gefäßwand einzuwandern“, erklärt Prof. Schächinger. In der Folge kann sich dann auch im Blut enthaltenes Calcium, also Kalk, in der Gefäßwand absetzen. „Aber zuvor muss immer erst eine Entzündungsreaktion in der Gefäßwand stattgefunden haben. Nur dann kann es zu dieser Kalkablagerung kommen“, sagt der Kardiologe.

 

Wann wird die Arterienverkalkung zu einer Gefahr?

Wenn die Ablagerungen (Plaques) die Blutgefäße verengen, kann bei Belastung nicht genügend Blut durch die Gefäße fließen, um den Herzmuskel zu versorgen – durch diese Minderversorgung droht bei Belastung eine Angina Pectoris, das Gefühl von Druck auf der Brust. Viel schlimmer ist aber eine andere Folge der Gefäßerkrankung: der Herzinfarkt. Dieser kann auch unvermittelt auftreten, ohne dass zuvor Angina-Pectoris-Beschwerden bestanden haben. „Zunächst wächst eine Gefäßwand vor allem nach außen“, sagt Prof. Schächinger. „Die Öffnung des Gefäßes wird also nicht kleiner, sondern die Wand nur nach außen dicker.“ Erst später engt sich auch das Gefäß ein. „Die verdickte Gefäßwand gerät dabei unter Spannung und kann irgendwann plötzlich aufbrechen. Genau dies geschieht beim Herzinfarkt. Das Blut gerinnt als Antwort auf die Verletzung – ein Mechanismus, den wir auch von jeder Hautverletzung kennen. Dadurch verstopft das Gefäß und die Blutversorgung des Herzens wird unterbrochen. Herzmuskelzellen sterben ab – wir sprechen von einem Herzinfarkt“, erklärt der Kardiologe.

 

Lässt sich verhindern, dass die Plaques aufreißen?

„Meist sind die Ablagerungen durch eine Art Deckkappe aus Bindegewebszellen geschützt“, erklärt Prof. Schächinger. „Die wird mit der Zeit – wenn die Risikofaktoren nicht gut unter Kontrolle sind – immer dünner.“ Um ihr Aufreißen und damit den gefürchteten Herzinfarkt zu verhindern, ist ein Teil der Behandlungsstrategie, die Fettpolster in den Gefäßen zu stabilisieren. „Das gelingt sehr gut mit Medikamenten, den sogenannten Statinen“, sagt der Kardiologe. „Die helfen, diese Kappe so zu festigen, dass die Gefäßwand nicht aufbricht.“

 

Wie wirken Statine in den Blutgefäßen?

Durch die Einnahme von Statinen lässt sich das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle senken. Auch Stent-Behandlungen und Bypass-Operationen sind deutlich seltener nötig. „Die Statine können – nur begrenzt – die eingelagerten Fette abbauen“, erklärt Prof. Schächinger. „Da durch die Entzündungsreaktion die Gefäßwand an Stabilität verliert, besteht die weitaus wichtigere Wirkung aber darin, die Entzündungsreaktion zu vermindern. Damit machen Statine die Deckkappe an der Gefäßwand wieder fest, sodass sie nicht aufbrechen kann.“

 

Wie können Einengungen der Herzkranzgefäße behandelt werden?

Basis ist immer eine Behandlung mit Medikamenten, die einem Herzinfarkt vorbeugen und die Risikofaktoren kontrollieren. Neben den Statinen kommt zum Beispiel Aspirin zum Einsatz, das die Bildung von Blutgerinnseln hemmt. Zudem gibt es zahlreiche weitere Medikamente zur Behandlung von Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck und erhöhten Fettwerten. Sind die Beschwerden der Patientinnen und Patienten durch die Verengung sehr ausgeprägt oder liegt ein Herzinfarkt vor, kann darüber hinaus auch eine Koronarintervention notwendig werden, zum Beispiel der Einsatz von Stents oder sogar eine Bypass-Operation.

 

Lässt sich bei jeder Verkalkung ein Stent einsetzen?

Bei verengten Herzkranzgefäßen kann der Einsatz eines Stents helfen, den Blutfluss wieder zu verbessern. „Beim Stent wird an der verengten Stelle ein Ballon aufgeblasen, um die Verengung in die Gefäßwand zu drücken. Im Anschluss wird ein kleines Gitterröhrchen, der Stent, eingesetzt, damit das Blut wieder ungehindert fließen kann“, erklärt Prof. Schächinger. „Sind die Gefäße aber nicht nur verengt, sondern aufgrund einer starken Verkalkung auch verhärtet, sodass es schwierig ist, die Gefäße mit einem Ballon zu weiten, gibt es die Möglichkeit einer sogenannten Rotablation.“ Dann wird durch einen Arbeitskatheter ein kleiner Diamantbohrkopf eingeführt, der sich mit etwa 160.000 Umdrehungen pro Minute im Gefäß dreht und die harten Bestandteile, also den Kalk, abträgt. Alternativ ist auch eine Behandlung mit Schockwellen möglich, um die Verhärtungen aufzubrechen.

 

Prof. Volker Schächinger Prof. Dr. med. Volker Schächinger ist Direktor der Medizinischen Klinik I (Kardiologie, Angiologie, Intensivmedizin), Herz-Thorax-Zentrum, Klinikum Fulda. Bildquelle: Klinikum Fulda

Wie wird eine Arterienverkalkung mit Schockwellen aufgelöst?

Seit ein paar Jahren gibt es neben der Rotablation eine zweite Methode, um Verkalkungen in den Arterien abzutragen: die sogenannte Lithotripsie. „Das sind Schockwellen, die manche vielleicht von der Behandlung von Nierensteinen kennen“, sagt Prof. Schächinger. Diese Schockwellen können auch im Herzkranzgefäß angewendet werden. Dann wird der Kalk sozusagen zerbröselt. „Das kann man sich wie eine Autoscheibe vorstellen: Wenn Sie da mit dem Stein draufhauen, bleibt die Scheibe intakt, bekommt aber unzählige Risse. So ist das auch mit diesen Schockwellen im Gefäß.“ Das Gefäß wird nicht verletzt, aber der Kalk bekommt Risse, sodass eine Aufdehnung und der Einsatz des Stents möglich werden. „Tendenziell gilt: Wenn man die verengte Stelle mit dem Katheter erreicht, aber den Ballon nicht komplett aufblasen kann, empfiehlt sich die Schockwellenbehandlung“, sagt der Herzexperte. „Wenn man mit einem Katheter gar nicht hinkommt, braucht man in der Regel die Rotablation. Bei ausgeprägten Einengungen an mehreren Gefäßen kann aber auch eine Bypass-Operation durch den Herzchirurgen die beste Wahl sein.“ Welches Verfahren zur Anwendung kommt, entscheidet das Behandlungsteam in einer gemeinsamen Herzkonferenz im Anschluss an die diagnostische Herzkatheteruntersuchung. Manchmal fällt die Entscheidung auch erst während des Eingriffs.

 

Wie lässt sich verhindern, dass Gefäßverkalkungen entstehen?

Um Gefäßverkalkungen zu verhindern, helfen ein gesunder Lebensstil und eine gute Einstellung der Risikofaktoren. „Es ist wichtig, nicht zu rauchen“, sagt Prof. Schächinger. „Außerdem sollte man einen erhöhten Blutdruck, hohe Blutfett- und Blutzuckerwerte behandeln sowie Übergewicht durch Ernährungsumstellung reduzieren. Auch körperliche Aktivitäten helfen: Die Gefäße benötigen gelegentlich einen beschleunigten Blutfluss, wie er bei körperlicher Belastung auftritt, um gesund zu bleiben.“ Der beschleunigte Blutfluss führt dazu, dass in der obersten Zellschicht der Gefäße, dem sogenannten Endothel, Stickstoffmonoxid gebildet wird. Dieses Stickstoffmonoxid schützt die Gefäße vor Entzündungen und Ablagerungen. „Wenn man einen sitzenden Lebensstil pflegt, bei dem der Kreislauf kaum belastet wird, fehlt dieser Effekt und die Gefäße werden anfälliger – das erhöht das Risiko von Fettablagerungen und Verkalkungen“, sagt der Kardiologe.


Kann sich Kalk aus dem Leitungswasser in Blutgefäßen absetzen?

Der Kalk, der sich in den Blutgefäßen absetzen kann, hat nichts mit dem Kalkgehalt des Trinkwassers zu tun. „Wenn sich Kalk in Leitungswasserrohren niedersetzt, wirkt ein ganz anderer Mechanismus als bei der sogenannten Verkalkung der Herzkranzgefäße“, sagt Prof. Schächinger. „In den Rohren findet eine passive Ablagerung statt – in den Gefäßen ist es dagegen ein aktiver biologischer Prozess.“

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