Warum Diabetes ein Risikofaktor für Herzkrankheiten ist

Mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland erkranken jährlich an einem Diabetes. Damit steigt auch ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark. Lesen Sie hier, wie Diabetes und Herzkrankheiten zusammenhängen, wie die Behandlung abläuft und warum auch der Lebensstil dabei entscheidend sein kann.

Von Sven Stein

 

22.06.2023


Bildquelle (Bild oben): iStock / megaflopp

Rund 11 Millionen Menschen in Deutschland sind laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) derzeit von einem Diabetes betroffen. Bei 95 Prozent der Erkrankten liegt ein Typ-2-Diabetes vor. Bis die Krankheit bei Betroffenen entdeckt wird, vergehen laut DDG etwa acht bis zehn Jahre. Dabei wäre eine frühzeitige Diagnose wichtig. Denn wer an einem Diabetes erkrankt ist, hat auch ein stark erhöhtes Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung wie Herzinfarkt oder Schlaganfall zu entwickeln.

Was sind die Ursachen eines Diabetes?

„Diabetes ist eine Erkrankung, bei der der Blutzuckerspiegel erhöht ist“, sagt Prof. Nikolaus Marx, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin der Uniklinik RWTH Aachen. Hintergrund: Die Bauchspeicheldrüse produziert das Hormon Insulin, das über den Blutkreislauf im Körper verteilt wird. Das Insulin gibt den Zellen des Körpers unter anderem die Anweisung, Zucker (Glukose) aus dem Blut aufzunehmen. Dieser Zucker liefert Energie, damit sich zum Beispiel die Muskeln bewegen können. In manchen Fällen produziert die Bauchspeicheldrüse aber kein Insulin und der Zucker bleibt im Blut. Das ist der sogenannte Typ-1-Diabetes, der hauptsächlich bei jungen Menschen auftritt. „Wesentlich häufiger ist der Typ-2-Diabetes, bei dem Insulin zunächst nicht mehr richtig wirkt und im Verlauf dann die Bauchspeicheldrüse aussetzt“, erklärt Prof. Marx. Der Typ-2-Diabetes kann sich über Jahre entwickeln: Anfangs reagieren die Körperzellen nicht ausreichend auf die Anweisungen des Insulins (Insulinresistenz). Die Bauchspeicheldrüse versucht das auszugleichen, indem sie mehr Insulin herstellt. Das führt irgendwann zu einer Überlastung, sodass die Insulin-Produktion der Bauchspeicheldrüse ausfällt. „Dieser Typ-2-Diabetes entsteht vor allem auf dem Boden von Übergewicht“, so Prof. Marx.

 

Gibt es Symptome, die auf einen Diabetes hindeuten?

Ein Diabetes verursacht keine spezifischen Symptome. „Es gibt aber Anzeichen, die darauf hinweisen“, sagt Prof. Marx. „Dazu gehört zum Beispiel, dass jemand ganz häufig Wasserlassen muss und dass er sehr viel Durst hat. Der Grund ist, dass Zucker mit dem Urin ausgeschieden wird und der Körper deshalb viel Wasser verliert. Weitere Hinweise können sein, dass man sich müde und abgeschlagen fühlt, dass eine Wunde schlecht heilt und dass man häufiger Infekte entwickelt, weil das Abwehrsystem geschwächt ist.“ Viele Patientinnen und Patienten entwickeln jedoch gar keine Symptome. Die Zuckerkrankheit wird bei ihnen oft zufällig entdeckt.

Prof. Nikolaus Marx Prof. Nikolaus Marx, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin der Uniklinik RWTH Aachen. Bildquelle: Uniklinik RWTH Aachen

Warum ist Typ-2-Diabetes ein Risikofaktor für Herzkrankheiten?

Schon der hohe Blutzucker selbst verändert die Zellen des Körpers. Er kann langfristig die Blutgefäße schädigen und zu einer Erkrankung des Herzmuskels führen. Doch nicht nur der Diabetes allein ist eine Gefahr. „Der hohe Blutzucker geht häufig einher mit Übergewicht und anderen Risikofaktoren, wie hohem Blutdruck und einem gestörten Fettstoffwechsel“, sagt Prof. Marx. Die Zuckererkrankung selbst, aber auch die Kombination der weiteren Faktoren trägt zu Herzerkrankungen wie koronarer Herzerkrankung, Herzinsuffizienz oder Schlaganfall bei. „Der Diabetes ist nicht der alleinige Verursacher, aber der Diabetes treibt das Risiko massiv nach oben“, so Prof. Marx.

 

Zeigt eine Herzkrankheit andere Symptome, wenn ein Patient oder eine Patientin Diabetes hat?

Wer an einem Diabetes erkrankt ist, hat bei einer Herzkrankheit womöglich andere Anzeichen als andere Betroffene. So treten typische Symptome wie zum Beispiel Angina Pectoris beim Herzinfarkt bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes seltener auf. „Sie haben häufiger sogenannte atypische Symptome wie Luftnot, aber unter Umständen auch gar keine Schmerzen, sogenannte stumme Herzinfarkte“, erklärt Prof. Marx. „Der Grund ist, dass bei einem lang bestehenden Diabetes auch die Nerven geschädigt sind und dadurch die Schmerzwahrnehmung verändert ist.“

 

Wie läuft die Behandlung eines Typ-2-Diabetes?

Eine Veränderung des Lebensstils ist eine grundlegende Maßnahme in jeder Diabetes-Therapie. Darüber hinaus gibt es Medikamente, die im Fall eines Typ-2-Diabetes den Blutzucker senken aber auch günstige Wirkungen auf Herz und Gefäße haben. Dazu zählen sogenannte SGLT2-Inhibitoren und GLP-1-Rezeptor-Agonisten. „Bei diesen Mitteln hat man gesehen, dass sie das Herz-Kreislauf-System schützen und Patientinnen und Patienten vor Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzinsuffizienz bewahren“, erklärt Prof. Marx. Daneben gibt es andere Medikamente, die nur den Blutzucker senken, aber keine schützende Wirkung auf das Herzkreislauf-System haben.

 

Wie beeinflusst der Lebensstil einen Diabetes?

Um einen Diabetes zu behandeln, sind als Grundlage Änderungen im Lebensstil nötig. „Dazu gehört bei Übergewicht eine Gewichtsabnahme, mehr körperliche Aktivität, eine Umstellung der Ernährung auf mediterrane Kost – Gemüse, Obst, fettreicher Fisch, wenig Fleisch – und ein Stopp des Rauchens“, fasst Prof. Marx zusammen. Die gute Nachricht: „Gewichtsabnahme und körperliche Aktivität können dazu führen, dass der Diabetes, wenn er noch nicht so ausgeprägt ist, wieder verschwindet“, sagt Prof. Marx. Mancher Diabetes lässt sich also buchstäblich wegtrainieren. Das ist jedoch nicht möglich, wenn der hohe Blutzucker schon lange besteht und ausgeprägt ist. Trotzdem ist auch in diesem Fall ein veränderter Lebensstil wichtig: „Die Lebensstil-Änderung senkt zum Beispiel den Blutdruck und verbessert den Fettstoffwechsel. Das beeinflusst die anderen Effekte aufs Herz und auf die Gefäße“, erklärt Prof. Marx. Das Risiko einer Herzerkrankung sinkt.

 

Wann sollten Menschen mit Diabetes auf Herzerkrankungen untersucht werden?

„Es ist wichtig, dass Patientinnen und Patienten, die einen Diabetes haben, regelmäßig untersucht werden, ob sie Herzerkrankungen haben“, sagt Prof. Marx. „Aber umgekehrt sollten auch alle Patientinnen und Patienten, die Herzerkrankungen haben – also Herzinsuffizienz, Schlaganfall, Vorhofflimmern, koronare Herzerkrankung – unbedingt auf einen Diabetes untersucht werden.“ Das sei leider nicht selbstverständlich, berichtet Prof. Marx aus seiner Erfahrung. Dabei findet sich bei jedem vierten Menschen mit einer Herzerkrankung ein bis dahin unentdeckter Diabetes. „Wenn Herzerkrankungen und Diabetes zusammen auftreten, verschlechtert das nicht nur die Prognose für die Betroffenen“, erklärt Prof. Marx. „Es hat auch Konsequenzen für die Behandlung, weil andere Medikamente eingesetzt werden können und müssen.“

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