Familiäre Hypercholesterinämie – die vererbte Krankheit des Fettstoffwechsels

Die familiäre Hypercholesterinämie zählt zu den häufigsten erblich bedingten Stoffwechselerkrankungen des Menschen. Ohne Behandlung droht bereits in jungen Jahren ein Herzinfarkt oder Schlaganfall. Wie man die Krankheit erkennt – und was zu tun ist.

Von Silja Klassen

 

31.03.2023


Bildquelle (Bild oben): iStock / busracavus

Was haben die Gene mit dem Cholesterin zu tun?

Cholesterin im Blut kann Gefäßverkalkungen verursachen, und die Menge von Cholesterin im Blut ist im Wesentlichen erblich bedingt. Es wird unterschieden zwischen monogener Vererbung, die durch ein einziges Gen bestimmt wird, und einer Vererbung, die durch mehrere Gene (polygen) beeinflusst wird.

 

Ein deutlich erhöhter Cholesterinspiegel kann ein Hinweis auf eine angeborene Fettstoffwechselerkrankung sein, die sogenannte familiäre Hypercholesterinämie. Sie gehört zu den häufigsten erblich bedingten Stoffwechselerkrankungen des Menschen. Eine Person von 250 ist betroffen. Ohne Behandlung können diese Menschen bereits in jungen Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bekommen.

Prof. Ulrich Laufs Univ.-Prof. Dr. Ulrich Laufs ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin. Bildquelle: Universitätsklinikum Leipzig

Was genau ist eine familiäre Hypercholesterinämie?

Die familiäre Hypercholesterinämie (FH) ist eine genetische Störung, die es dem Körper erschwert, Cholesterin aus dem Blut zu entfernen. Dadurch lagert sich das Cholesterin an den Wänden der Arterien sowie Venen ab und verengt die Blutbahnen. So steigt die Wahrscheinlichkeit, früh an einer koronaren Herzkrankheit zu erkranken.

 

Menschen mit FH haben von Geburt an einen erhöhten Blutspiegel an Low-Density-Lipoprotein (LDL)-Cholesterin (siehe unten) – und damit ein größeres Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erleiden. Aufgrund der erhöhten Blutfette leiden Betroffene unter Umständen bereits im jungen Erwachsenenalter beispielsweise unter den Folgen einer Arteriosklerose. „Wenn eine Hypercholesterinämie über längere Zeit unentdeckt bleibt“, sagt Prof. Ulrich Laufs vom Universitätsklinikum Leipzig, „ist das sehr gefährlich.“

Die Ursache für die erhöhten Blutfette bei einer FH ist eine Genmutation, die die Aufnahmestelle (Rezeptor) des LDL-Cholesterins an der Oberfläche der Zellen betrifft. Bei Menschen, die an einer familiären Hypercholesterinämie leiden, sind diese Rezeptoren defekt oder überhaupt nicht vorhanden – so dass kein LDL-Cholesterin zum Abbau in die Zellen transportiert werden kann.

Wir brauchen Cholesterin – aber nicht an der falschen Stelle

Cholesterin ist ein Fett (Lipid) und unter anderem ein wichtiger Bestandteil der äußeren Umhüllung von Zellen. Cholesterin ist unverzichtbar für viele Stoffwechselprozesse wie die Bildung von Hormonen. Jede Zelle kann Cholesterin selbst herstellen. Das Problem entsteht, wenn zu viel Cholesterin im Blut ist. Dann kommt es zu Einlagerung von Cholesterin in die Gefäßwand. Dies führt zu Gesundheitsschäden durch Gefäßverkalkungen (Arteriosklerose) und ihren Folgen (Herzinfarkte, Durchblutungsstörungen, Tod).

 

Besonders wichtig ist das Low Density Lipoprotein (LDL)-Cholesterin, da diese Form des Cholesterins die Gefäßwand besonders schädigt. Möglichst tiefe LDL-Werte sind daher erstrebenswert. Zielwert für gesunde Menschen ohne weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren ist ein LDL-Cholesterinwert unter 116 mg/dl (<3,0 mmol/l).

Wie lässt sich eine familiäre Hypercholesterinämie erkennen?

Da ein hoher Cholesterinspiegel per se keine Symptome hervorruft, wird er von den meisten Menschen nicht als Problem wahrgenommen. Und selbst wenn dies der Fall ist, nehmen die Menschen ihn oft nicht ernst – bis sie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden. Und obwohl man diese Ereignisse eher bei älteren Menschen vermutet, können auch Menschen unter 55 Jahren davon betroffen sein, vor allem wenn sie von Geburt an einen hohen Cholesterinspiegel haben.

 

„Es ist relativ einfach, eine familiäre Hypercholesterinämie zu diagnostizieren“, erklärt Prof. Laufs. „Wir schauen uns das LDL-Cholesterin an – und bei einem LDL-Wert über rund 200 Milligramm pro Deziliter oder einem LDL-Cholesterin über 5 mmol pro Liter, liegt der Verdacht nahe. Wenn außerdem Mitglieder der Familie Herzinfarkte hatten, Stents bekamen oder eine Bypass-Operation – bei Männern vor dem 55. Lebensjahr und bei Frauen vor dem 65. –, dann sind das möglicherweise Hinweise für eine genetische Komponente und dass ein erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen besteht", sagt Prof. Laufs. „Dann sollten Sie bitte mit Ihrem Arzt oder Ärztin sprechen.“ Ein einfacher Bluttest bei der Hausärztin oder dem Hausarzt reicht aus, um festzustellen, ob die Cholesterinwerte im gesunden Bereich liegen oder nicht.

Gibt es weitere Hinweise für eine familiäre Hypercholesterinämie?

Neben einer familiären Vorbelastung mit frühen Herz-Kreislauf-Problemen können Klümpchen unter der Haut auf FH weisen. Diese Fettablagerungen werden Xanthome genannt und machen sich besonders an den Sehnen der Hände, Füße, Knie, Achillessehnen und Ellenbogen sowie unter der Haut um die Augen bemerkbar.

 

„Allerdings sieht man diese ‚kutanen Manifestationen‘ nur an etwa einem Drittel der Patientinnen und Patienten. Es ist wichtig, dass man bei der klinischen Untersuchung darauf aufpasst“, sagt Prof. Laufs. „Wir dürfen Betroffene aber nicht übersehen, wenn sie eine familiäre Hypercholesterinämie haben, ohne dass sie solche kutanen Manifestationen wie die Fettablagerungen zeigen.“

Wer hat das höchste Risiko für eine familiäre Hypercholesterinämie?

Die familiäre Hypercholesterinämie kann jeden betreffen, in dessen Familie die Genmutation vorkommt. „Das größte Problem bei FH ist“, so Prof. Laufs, dass sie viel zu selten frühzeitig entdeckt wird. „Wenn Sie FH haben, ist die rechtzeitige Behandlung eines hohen Cholesterinspiegels der Schlüssel, der Ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken kann.“ Unabhängig davon, ob Sie offensichtliche Anzeichen für einen hohen Cholesterinspiegel haben oder nicht, sollten Sie sich untersuchen lassen, wenn Herzkrankheiten in der Familie vorkommen. Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin.

Welche Behandlungen gibt es für genetisch bedingte hohe Cholesterinwerte?

„Die Betroffenen sollten sich bewusst machen, dass sie nicht an ihrem hohen Cholesterin schuld sind. Ursache ist eben ihr Stoffwechsel – das ist genetisch bedingt“, erläutert Prof. Laufs. Ebenso wichtig sei es, den Patientinnen und Patienten zu erklären, dass das LDL-Cholesterin bei einer genetischen Disposition nur begrenzt durch Lebensstil zu senken ist. „Menschen mit FH können sich pflanzenbasiert und fettarm ernähren und vermögen dennoch nicht, den Cholesterinspiegel im Blut zu senken. Denn sie sind genetisch nicht in der Lage, ihn zu kontrollieren. Bei ihnen wird sich das Cholesterin im Blutkreislauf ansammeln, egal, was sie essen.“ Auch der positive Effekt zum Beispiel von Nichtrauchen oder intensiverem Sport ist dann nicht am LDL-Cholesterin ablesbar.

 

„Dennoch bleibt eine gesunde Lebensweise, mit mehr Bewegung und vernünftigen Ernährungsgewohnheiten natürlich sehr wichtig – allein schon für die Gesundheit des Herzens und das allgemeine Wohlbefinden. Sie dient uns als Basis für die FH-Therapie“, sagt Prof. Laufs. Wer unter einer familiären Hypercholesterinämie leidet, benötigt aber eine weitergehende Therapie.  Um den Cholesterinspiegel von FH-Patientinnen und -Patienten auf ein gesundes Niveau zu senken, sind deshalb zusätzlich im Normalfall Medikamente wie Statine und oft weitere Lipid-Senker erforderlich.

 

Die häufigste Behandlung für FH ist die Behandlung mit Statinen. Statin-Medikamente blockieren ein Enzym, das in der Leber Cholesterin produziert und erhöhen die Fähigkeit des Körpers, Cholesterin aus dem Blut zu entfernen. Weitere Behandlungsmöglichkeiten sind Medikamente, die die Aufnahme von Cholesterin aus dem Darm in den Blutkreislauf verhindern, das Ezetimib, oder Medikamente, die ein Enzym namens PCSK9 blockieren, so dass die Menge an LDL-Cholesterin im Blut reduziert wird.

Wie vererben Eltern die familiäre Hypercholesterinämie an ihre Kinder?

Wer FH von einem Elternteil (heterozygote Ausprägung) geerbt hat, gibt die Erkrankung mit einer Wahrscheinlichkeit von ungefähr 50 Prozent an seine Kinder weiter. Schon ein verändertes Gen, vererbt entweder von der Mutter oder vom Vater, reicht aus, um zu erkranken. Wenn beide Elternteile (homozygote Ausprägung) das FH-Gen weitergegeben haben, wird der Nachwuchs sicher betroffen sein. „Schon deshalb ist es so wichtig, Kinder mit einer familiären Vorbelastung frühzeitig testen zu lassen und mit einer cholesterinsenkenden Therapie zu beginnen. Und bislang werden viel zu wenige im Kindesalter diagnostiziert“, so Prof. Laufs. Das Screening gehört bisher nämlich nicht zu den Standarduntersuchungen.

 

„Eine frühzeitige Behandlung kann sich jedoch erheblich auf die lebenslange kardiovaskuläre Gesundheit einer Person auswirken, indem sie ihre langfristige Belastung durch hohe Cholesterinwerte senkt.“ Durch die Behandlung bleiben die Arterien gesünder, das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfälle kann um bis zu 80 Prozent gesenkt werden.

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