Wie Herzschrittmacher arbeiten und implantiert werden

Schlägt das Herz zu langsam, kann es passieren, dass die Betroffenen in Ohnmacht fallen. Auch das Risiko eines plötzlichen Herztods ist erhöht. Die effektivste Behandlung einer zu langsamen Herzrhythmusstörung ist meist die Implantation eines Herzschrittmachers.

Von Kerstin Kropac

 

30.03.2023

 

Bildquelle (Bild oben): iStock / Jan-Otto  

Wie entsteht ein zu langsamer Herzrhythmus?

Der Herzmuskel wird durch elektrische Impulse gesteuert. Der sogenannte Sinusknoten im Herzen generiert normalerweise etwa 60 bis 70-mal in der Minute einen elektrischen Strom. Er gilt deshalb auch als Taktgeber oder natürlicher Schrittmacher des Herzens. Über spezialisierte Herzmuskelzellen wird dieser Impuls an den Atrioventrikularknoten, kurz AV-Knoten, weitergeleitet, der die Aufgabe eines Sicherungskastens im Herzen übernimmt. Der AV-Knoten sorgt unter anderem dafür, dass sich erst die Vorhöfe und danach die Kammern des Herzens zusammenziehen. „Eine Störung in diesem elektrischen Leitungssystem kann einen zu langsamen Herzschlag, manchmal auch längere Aussetzer und – im schlimmsten Fall – sogar einen Herzstillstand verursachen“, sagt Prof. Daniel Steven, Leiter der Elektrophysiologie am Herzzentrum der Uniklinik Köln.

Braucht jeder Mensch mit einem langsamen Puls einen Herzschrittmacher?

Nicht jeder Mensch mit einem langsamen Puls benötigt einen Herzschrittmacher. Zwei Kriterien sind entscheidend: Drohen dem Betroffenen Ohnmachtsanfälle oder sogar ein plötzlicher Herzstillstand? Und lässt sich die Ursache für den langsamen Puls beheben? „Manchmal verursachen zum Beispiel bestimmte Medikamente, eine Schilddrüsenunterfunktion oder eine Entzündungsreaktion im Herzmuskel eine Verlangsamung des Herzschlags“, sagt der Kardiologe. „Lässt sich der Auslöser beseitigen, normalisiert sich der Herzrhythmus.“ Doch leider ist bei einigen Erkrankungen eine Beseitigung der Ursache nicht möglich, sodass wir zur Implantation eines Herzschrittmachers raten.“

Welche Erkrankungen machen die Implantation eines Herzschrittmachers notwendig?

Meist wird ein zu langsamer Herzschlag (Bradykardie) durch eine Erkrankung des Sinus- oder AV-Knotens ausgelöst – zum Beispiel durch eine AV-Blockierung. Dann ist die Überleitung der Erregung vom Vorhof auf die Kammern gestört. Auch das sogenannte Sick-Sinus-Syndrom kann einen zu langsamen Herzschlag verursachen. Dann ist die Entladungshäufigkeit des Sinusknotens reduziert, das heißt: Der natürliche Taktgeber löst zu wenige Impulse aus. Seltener sind besondere Speichererkrankungen des Herzens – wie beispielsweise die Amyloidose. „Leider gibt es derzeit noch keine Medikamente, die den Herzschlag beschleunigen und das Auftreten von Herzschlagaussetzern sicher verhindern können“, sagt Prof. Steven. „Daher wird auch bei diesen Erkrankungen die Implantation eines Herzschrittmachers nötig.“

Ein Herzschrittmacher nimmt alle Schläge des Herzens wahr. Ein Herzschrittmacher nimmt alle Schläge des Herzens wahr und erkennt, wenn ein Schlag ausfällt. Bildquelle: iStock / Jan-Otto

Was ist die Funktion eines Herzschrittmachers?

„Der Herzschrittmacher nimmt alle Aktionen im Herzen wahr – er kann also feststellen, wann der Vorhof schlägt – und wann die Hauptkammer“, erklärt der Kardiologe. „Nach dem Prinzip einer ablaufenden Uhr fällt ihm sofort auf, wenn in dem erwarteten Zeitintervall keine Aktion im Vorhof oder in der Kammer stattfindet. Dann beginnt er zu stimulieren.“ Das heißt: Der Herzschrittmacher gibt einen winzigen – für den Träger nicht spürbaren – elektrischen Impuls ab. Entweder im Vorhof oder in der Kammer, je nachdem, wo die Stimulation notwendig ist. So bewirkt der Herzschrittmacher eine Kontraktion, also das Zusammenziehen des Herzmuskels. Und das acht bis zehn Jahre lang. Dann wird ein Wechsel der Batterie nötig.

Hilft ein Herzschrittmacher auch, wenn das Herz zu schnell schlägt?

Ein normaler Schrittmacher kann einen zu langsamen Herzschlag beschleunigen, ist aber nicht in der Lage, eine schnelle Herzrhythmusstörung zu beenden. Dafür gibt es Kombinationsgeräte, sogenannte Defibrillatoren. Auch sie nehmen Veränderungen im Herzrhythmus wahr. „Sobald eine bestimmte Schlagfrequenz in der Hauptkammer überschritten wird – man spricht dann von Kammertachykardien oder im schlimmsten Fall vom Kammerflimmern – reagieren diese Geräte“, sagt Prof. Steven. „Sie unterdrücken dann entweder mit einer noch schnelleren Stimulation oder aber mit einer Schockentladung die gefährliche Herzrhythmusstörung aus der Hauptkammer. Und können damit den drohenden plötzlichen Herztod abwenden.“

Wie verläuft die Operation, um einen konventionellen Herzschrittmacher einzusetzen?

„Beim derzeit gängigsten Verfahren werden die beiden Elektroden des Herzschrittmachers über eine Vene zum Herzen geführt und dort mit einer speziellen Schraube fixiert – eine im Vorhof, die andere in der rechten Hauptkammer“, erklärt Prof. Steven. Diese Elektroden oder Sonden bestehen aus dem Elektrodenkopf, der an den Herzmuskel geschraubt wird, und einer dünnen, biegsamen Leitung. „Die beiden Elektrodenleitungen werden anschließend mit dem Schrittmacher verbunden.“ Das Schrittmachergerät selbst ist etwa 5 mal 5 Zentimeter groß und wird unterhalb des Schlüsselbeins eingesetzt. Der Eingriff wird meist unter lokaler Betäubung durchgeführt und dauert etwa 30 bis 40 Minuten. „Die Patientinnen und Patienten bemerken allenfalls mal ein Herzstolpern oder das Einbringen der Sonden in die Axillarvene im Bereich der Schulter. Das Einbringen der Sonden in das Herz spüren sie nicht“, sagt der Kardiologe. Meist können die Patienten oder Patientinnen die Klinik schon am nächsten Tag nach einer Kontrolluntersuchung wieder verlassen.

Was ist das Besondere an einem Kapselschrittmacher?

„Dieses Verfahren ist relativ neu: Über die Leistengefäße wird ein sogenannter Kapselschrittmacher zum Herzen vorgebracht und mit drei kleinen Haken im Herzmuskel verankert“, erklärt Prof. Steven. Das Besondere an diesem Schrittmacher: Die Kapsel ist so klein wie eine große Vitaminkapsel. Trotzdem sind alle Teile in ihr verbaut, das heißt: Es müssen keine zusätzlichen Elektroden eingesetzt werden. „Das hat den Vorteil, dass es seltener zu Infektionen, also Entzündungen, kommt“, sagt der Kardiologe. „Der Nachteil ist, dass diese Schrittmacher nur für bestimmte Rhythmusstörungen in der Hauptkammer geeignet sind. Die Erkennung des Rhythmus im Vorhof ist mit diesen Kapselschrittmachern bislang noch nicht uneingeschränkt möglich.“ Auch dieser Eingriff dauert 30 bis 40 Minuten. Er wird aber in der Regel – aufgrund des Zugangs über die Leiste – in einer Analgosedierung durchgeführt. Das heißt: Der Patient oder die Patientin befindet sich in einer Art Dämmerschlaf, atmet selbständig und bekommt nichts von dem Eingriff mit. Spätestens am Folgetag kann der Patient oder die Patientin die Klinik verlassen.

 

Ab 2024 soll eine neue Generation der Kapselschrittmacher sowohl den Rhythmus in der Herzkammer als auch im Vorhof erkennen können. Erste Patientinnen und Patienten in Deutschland haben seit Herbst 2023 solche Kapselschrittmacher implantiert bekommen – bislang aber noch nicht mit der Funktion eines Zweikammer-Schrittmachers, der Vorhof und Herzkammer überwacht.

Welche Komplikationen sind bei einer Herzschrittmacher-Operation möglich?

Grundsätzlich treten während oder nach einer Herzschrittmacher-Operation mittlerweile sehr selten Komplikationen auf. Bei Patientinnen und Patienten, die Blutverdünnungsmittel einnehmen, ist das Risiko von Blutungen erhöht. Bei einigen Schrittmacheroperationen ist eine Punktion der Schlüsselbeinvene notwendig. Wird dabei das angrenzende Rippenfell verletzt, entweicht Luft in den Brustraum (Pneumothorax). Die Luft muss dann im Anschluss abgesaugt werden. Die häufigste Komplikation – aber mit unter 2 Prozent aller Patientinnen und Patienten immer noch sehr selten – ist eine Wundinfektion. „Da die Schrittmacherkabel mit dem Herzmuskel verbunden sind, besteht dann die Gefahr, dass die Infektion zum Herzen wandert“, sagt der Kardiologe. Umso wichtiger ist es, sich sofort an die Ärztin oder den Arzt zu wenden, sollte die Haut über dem Schrittmacher sich röten oder spannen. „Der Häufigkeitsgipfel ist unmittelbar nach der Implantation. Aber auch später können noch Infektionen auftreten“, so Prof. Steven. Beim Kapselschrittmacher kommt das seltener vor.

Was muss nach der Herzschrittmacher-Operation beachtet werden?

„In den ersten sechs Wochen nach dem Eingriff sollten die Betroffenen ausgeprägte Schulterbewegungen vermeiden. Sie sollten zum Beispiel nicht über Kopf die Haare waschen oder ganz oben etwas aus dem Schrank holen“, sagt der Kardiologe. „Sonst könnten die Sonden verrutschen.“ Sind die Sonden sicher verwachsen, nehmen ihre Trägerinnen und Träger sie im Alltag kaum mehr wahr. „Bei besonders schlanken Menschen kann es sein, dass der Schrittmacher unter der Haut tastbar ist“, sagt Prof. Steven. „Dennoch können die Patientinnen und Patienten ganz normal auf dem Bauch schlafen und sind auch in ihrer Bewegungsfähigkeit nicht eingeschränkt.“

Prof. Daniel Steven Prof. Daniel Steven, Leiter der Elektrophysiologie am Herzzentrum der Uniklinik Köln. Bildquelle: privat

Kann man mit einem Herzschrittmacher Sport treiben?

Grundsätzlich können – und sollen – sich Patienten und Patientinnen mit einem Herzschrittmacher sportlich betätigen. „Deshalb versuchen wir zum Beispiel, bei der Implantation zu berücksichtigen, ob der Betroffene ein Rechts- oder Linkshänder ist, damit er Sportarten wie Golf oder Tennis weiter ausüben kann“, sagt Prof. Steven. Auch bei der Programmierung des Schrittmachers berücksichtigen die Ärztinnen und Ärzte der Lebensstil. „Der Schrittmacher muss an die körperlichen Belastungen der Trägerin oder des Trägers angepasst sein“, sagt Prof. Steven. „Beim einem 80-Jährigen, der überwiegend Spaziergänge, Haus- oder Gartenarbeit macht, programmieren wir ein anderes Frequenzprofil als bei einer 40-Jährigen, die an Sportwettkämpfen teilnimmt.“ Lediglich von Kontaktsportarten rät Prof. Steven den Trägerinnen und Trägern von Herzschrittmachern ab: „Gibt es einen plötzlichen Schlag auf das Gerät, kann nicht nur das Gerät, sondern auch die darunter liegende Muskulatur Schaden nehmen.“

Lassen sich mit einem Herzschrittmacher andere elektrische Geräte benutzen?

Grundsätzlich ist es kein Problem, mit einem Herzschrittmacher elektrische Geräte zu benutzen. Allerdings können elektromagnetische Felder Störungen verursachen. Denn: Jeder Schrittmacher ist mit einem Magnetschalter versehen, über den man im Notfall eine bestimmte Therapie aktivieren oder deaktivieren kann. „Deshalb raten wir unseren Patienten und Patientinnen, ihr Handy nicht in der Brusttasche zu tragen, sondern immer mindestens 20 Zentimeter Abstand zwischen Handy und Schrittmacher einzuhalten“, sagt der Kardiologe. Dasselbe gilt auch für Induktionsherde oder Mikrowellen.

Können Menschen mit einem Herzschrittmacher sterben?

„Selbstverständlich können Patienten auch mit einem normal programmierten Schrittmacher sterben“, sagt Prof. Steven. „Die Stimulation muss auf ein gesundes Herzmuskelgewebe treffen. Ist die Patientin oder der Patient sehr schwer krank, reicht die Stimulation nicht aus, um eine effektive Herzleistung zu gewährleisten. Dann setzt der Herzschrittmacher zwar einen Impuls – der Herzmuskel zieht sich aber nicht mehr zusammen.“ Gelegentlich wünschen sich schwerkranke Patientinnen und Patienten dennoch, dass man an ihrem Lebensende den Herzschrittmacher ausschaltet. „Wenn absehbar ist, dass die Betroffenen aufgrund einer anderen Erkrankung nur noch wenige Tage oder Wochen zu leben haben, kann man im gemeinsamen Gespräch mit den Angehörigen den Herzschrittmacher umprogrammieren. Dasselbe gilt auch für den Defibrillator. Viele möchten ab einem gewissen Lebensalter nicht mehr durch ein Gerät vor dem plötzlichen Herztod geschützt sein.“

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