Erregungsleitungssystem: So fließt der Strom durchs Herz

Nimmt man den Herzmuskel aus dem Körper, schlägt er weiter – zumindest für eine gewisse Zeit. Das liegt daran, dass das Nervensystem des Herzens darauf spezialisiert ist, sich durch eine eigene elektrische Energie zu erregen. Das kann keine andere Muskelzelle im Körper.

Von Kerstin Kropac

 

21.04.2023


Bildquelle (Bild oben): iStock / peterschreiber

Elektrische Impulse lassen das Herz jeden Tag etwa hunderttausend Mal schlagen. Der Ausgangspunkt für diesen Strom liegt im Herzen selbst. Auch die nötigen Verbindungen, um die Energie zu übertragen, verlaufen durch die Herzmuskulatur. Daher ist das Herz in der Lage, im Prinzip völlig selbständig zu arbeiten – selbst wenn es sich außerhalb des Körpers befindet.

Wie entsteht der elektrische Strom im Herz?

Der Taktgeber des Herzens ist der sogenannte Sinusknoten. Er besteht aus einer hochspezialisierten Zellansammlung im rechten Vorhof des Herzens. Diese Zellen können elektrischen Strom und damit einen Impuls generieren. Bei einem gesunden Menschen passiert das etwa 60- oder 70-mal in der Minute – entsprechend einer normalen Herzfrequenz. Man spricht auch vom Sinusrhythmus. Zellen im Herzmuskel, die sich darauf spezialisiert haben, wie Kabel zu funktionieren, leiten den Strom vom Sinusknoten blitzschnell durch die Vorhöfe zu dem sogenannten AV-Knoten.

Welche Aufgabe hat der AV-Knoten bei der elektrischen Erregung?

Der AV-Knoten funktioniert wie ein Sicherungskasten. Er verzögert die Weiterleitung der elektrischen Erregung, sodass sich erst die Vorhöfe und dann die Herzkammern zusammenziehen. Außerdem sorgt der AV-Knoten dafür, dass beispielsweise bei Fehlleitungen nicht zu viele Impulse weitergeleitet werden. Sonst würde das Herz viel zu schnell schlagen und der Mensch könnte daran sterben.

Das Erregungsleitungssystem überträgt elektrischen Strom. Vom Sinusknoten wird der elektrische Strom zum AV-Knoten geleitet, von wo er an die Herzkammern übertragen wird. Bildquelle: iStock / Alkov

Wie wird das Erregungsleitungssystem gesteuert?

Drei Mineralien steuern das Erregungsleitungssystem des Herzens: Kalium, Natrium und Calcium. Ihr Austausch sorgt dafür, dass eine Muskelzelle zum Beispiel innen negativ und außen positiv geladen ist. Durch diesen Unterschied der Ladungen im Zelleninneren und -äußeren entsteht die notwendige elektrische Spannung. Wichtig zu wissen: Es ist nicht sinnvoll, seine Ernährung mit Blutsalzen (Elektrolyte) anzureichern, um das Herz zu stärken. Der Körper kann das sehr fein selbst regulieren. Durchs Essen lässt es sich kaum beeinflussen.

Was bewirkt der elektrische Strom aus dem Erregungsleitungssystem?

Es gibt viele verschiedene Zelltypen im Herzen. Die größten und häufigsten sind die Herzmuskelzellen. Werden sie durch den vorbeifließenden Strom erregt, können sie sich zusammenziehen. Das führt dazu, dass sich das Herz auswringt wie ein Schwamm. Diese Twist-Bewegung ist erst seit wenigen Jahrzehnten bekannt – sie scheint der effektivste Weg zu sein, das Blut aus dem Herzmuskel zu drücken.

Prof. Dirk Westermann Fachliche Beratung: Prof. Dirk Westermann, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie des Universitätsklinikums Freiburg. Bildquelle: Universitätsklinikum Freiburg / Britt Schilling

Was passiert, wenn das Erregungsleitungssystem gestört ist?

Wenn Teile des Herzmuskels abgestorben oder verändert sind – weil beispielsweise durch einen Herzinfarkt Vernarbungen entstanden sind – funktionieren die Herzmuskelzellen an diesen Stellen nicht mehr. Dann kann der elektrische Strom nicht mehr die normale Bewegung des Herzmuskels erzeugen, und die Patientinnen oder Patienten können Herzrhythmusstörungen entwickeln. Die gefährlichste Herzrhythmusstörung ist das Kammerflimmern. Unbehandelt führt es innerhalb von Minuten zum Tod. In einem solchen Notfall kann ein Defibrillator durch einen Stromschlag das Flimmern beenden – durch den Strom wird das Herz neu gestartet, ähnlich wie ein Computer.

Wie entsteht Vorhofflimmern?

Beim Vorhofflimmern verhindern „Störfeuer“ aus den großen Blutadern, die von den Lungen zum Herzen führen (Pulmonalvenen), einen normalen Sinusrhythmus. Dann kommt es in den Vorhöfen zu einer chaotischen Aktivierung von Herzströmen, die Vorhofwände beginnen zu flimmern. Verschlimmert wird das Vorhofflimmern, wenn zusätzlich noch das Herz geschwächt ist, weil die Vorhöfe dann häufig verändert, zum Beispiel vergrößert sind. Dann werden die elektrischen Leitungen überlastet und können die Erregung nicht mehr richtig weiterleiten.

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