Stents: Wofür die Gefäßstützen eingesetzt werden

Der Einsatz von Stent-Einlagen gehört zu den häufigsten invasiven Verfahren, um verengte Gefäße am Herzen zu behandeln. Bei einem Herzinfarkt kann ein Stent das Leben retten. Hier erfahren Sie, in welchen Fällen Stents sinnvoll sind und welche Risiken sie mit sich bringen.

Von Silja Klassen

 

11.04.2023


Bildquelle (Bild oben): iStock / Jan-Otto

Was ist die Aufgabe eines Stents?

Stents sind kleine, medizinische Implantate, die als Gefäßstützen dienen. Sie halten verschlossene oder verengte Blutgefäße offen, damit das Herz ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird.

 

„Ein Stent ist eine Metallstruktur, die etwa so aussieht wie ein Maschendrahtzaun in Röhrchenform“, erklärt Prof. Steffen Massberg von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. „Man kann es sich auch als winzige, dehnbare Metallspirale von 2 bis 5 Millimeter Durchmesser und wenigen Zentimetern Länge vorstellen. Dieses medizinische Implantat hat die Aufgabe, ein durch Ablagerungen verengtes Gefäß zuerst zu dehnen und dann von innen abzustützen, damit sich die Arterie nicht wieder verschließt.“ So wird sichergestellt, dass das Blut weiterhin ungehindert durch das Gefäß strömen kann und das Risiko eines erneuten Plaque-bedingten Gefäßverschlusses minimiert wird.

In welchen Fällen werden Stents eingesetzt?

Die Luft wird knapp, wenn man sich belastet, es schmerzt in der Brust – das sind Zeichen, dass das Herz zu wenig Sauerstoff bekommt. Der Grund dafür sind häufig verkalkte und dadurch zu enge Herzkranzgefäße, eine koronare Herzerkrankung. Sobald ein entscheidendes Gefäß zu sehr verengt ist, strömt nicht mehr genug Blut zum Herzmuskel. Eine Folge kann unter anderem ein Herzinfarkt sein. Um solche oft schwerwiegenden Auswirkungen zu verhindern, werden mit Stents die verengten Gefäße geweitet und stabilisiert. Koronarstents werden heute bei fast allen Angioplastieverfahren eingesetzt. Das sind Verfahren, bei denen auf schonende Weise die Engstellen in Arterien behoben und damit die Blutversorgung im betroffenen Gefäß verbessert wird.

 

„Es gibt im Wesentlichen zwei Arten von Patientinnen und Patienten, denen ein Stent empfohlen wird. Zum einen diejenigen, die eine Engstelle in den Herzkranzgefäßen haben und die bei Belastung Beschwerden bekommen“ , sagt Prof. Massberg. „Also Menschen mit einer sogenannten stabilen Angina pectoris – Beschwerden nur unter Belastung –, heute auch als chronisches Koronarsyndrom bezeichnet.“ Sie haben eine Engstelle, aber keinen akuten Verschluss.

 

„Zum anderen gibt es die Gruppe von Patientinnen und Patienten, die eine chronische Erkrankung haben, die sich akut verschlechtert“, erklärt Prof. Massberg. „Hier führt ein Gerinnsel dazu, dass sich ein Gefäß innerhalb von Sekunden akut verschließt. Sie bekommen einen Infarkt – hier ist die Wiedereröffnung des Gefäßes mit einem Stent die Therapie der Wahl.

Wie unterscheiden sich heutige Stents von älteren Implantaten?

Vor 20 Jahren etwa war ein Stent im Wesentlichen ein recht grobes Metallgerüst, denn die Streben des Stents waren noch relativ dick. Sie maßen über 100 Mikrometer, also mehr als der Durchmesser eines menschlichen Haars. Heutzutage sind die Stentstreben oft nicht einmal mehr halb so stark. „Der Hauptunterschied ist, dass es mit den ersten Stent-Generationen häufiger zu sogenannten Restenosen, also Wiederverengungen der Herzkranzgefäße, kam. Die neuen Stents – die ‚Drug eluting stents‘, kurz DES – wirken diesen Restenosen entgegen, da sie dünnere Stentstreben haben, die zudem mit Medikamenten beschichtet sind“, sagt Prof. Massberg.

 

Dies ist deshalb so wichtig, weil ein platzierter Stent für das Gefäß wie eine kleine Verletzung ist. Das Blutgefäß möchte heilen und bildet eine Narbe, die schließlich in den Stent hineinwächst und dazu führt, dass der Stent langsam immer enger wird. Doch die Medikamente, mit denen die modernen Stents beschichtet sind, wirken wachstumshemmend (antiproliferativ). Das führt dazu, dass die Zellteilung, die für die Narbenbildung erforderlich ist, unterdrückt wird. So konnte das Restenose-Risiko von ursprünglich 20 bis 30 Prozent auf deutlich unter 10 Prozent reduziert werden. „Ein wirklich dramatisch positiver Effekt“, so Prof. Massberg.

 

Die Weiterentwicklung der Stents hat – zusammen mit einer optimierten Therapie zum Hemmen der Blutplättchen – außerdem dazu geführt, dass das Risiko für akute Verschlüsse durch eine Gerinnsel-Bildung, eine sogenannte Stent-Thrombose, zurückgegangen ist. „Das ist ein anderer Prozess, der sehr dramatisch und gefährlich sein und zu einem Infarkt mit einem erheblichen Sterblichkeitsrisiko führen kann“, sagt Prof. Massberg. Auch diese Komplikationen treten mittlerweile deutlich seltener auf als in der Anfangsphase der Stent-Technologie. Tatsächlich seien sie „mit den modernsten Stent-Generationen eine Rarität“.

Stents werden mit einem Ballon aufgedehnt. Stents werden mit einem Ballon aufgedehnt. Bildquelle: iStock / Mohammed Haneefa Nizamudeen

Wie verläuft die Implantation eines Stents?

Eine Stent-Implantation ist ein minimal-invasiver Eingriff, das heißt, es sind nur kleinste Hautschnitte nötig. Der Stent selbst wird durch einen sogenannten Katheter, also einen dünnen Kunststoffschlauch, bis an die zu behandelnde Stelle eines Gefäßes geschoben. Der Katheter wird meistens am Daumen in die Arterie eingeführt. Dazu wird zunächst eine örtliche Betäubung vorgenommen und dann eine sogenannte Schleuse angelegt. Diese Schleuse besitzt ein Ventil, das verhindert, dass Blut aus der Arterie läuft.

 

Über einen weichen Draht wird der Katheter mit dem Stent vorsichtig durch die Arterie bis zu dem kranken Blutgefäß geführt. Dort wird der Stent selbst durch einen Ballon aufgedehnt.„Es ist inzwischen ein Eingriff, bei dem es wenig Zugangskomplikationen gibt. Die Komplikationsrate ist durch diese Methode extrem gering geworden“, erklärt Prof. Massberg.

Wie geht es Patientinnen und Patienten, nachdem ein Stent eingesetzt wurde?

Die meisten Patientinnen und Patienten sind nach dem Eingriff schnell wieder fit. Grundsätzlich werden sogenannte Thrombozytenaggregationshemmer verschrieben, die das Verklumpen der Blutplättchen verringern, bis die Stents eingeheilt sind. Thrombozyten sind besondere Blutzellen, die zusammenkleben, um Blutungen zu stoppen. Die Thrombozytenaggregationshemmer verhindern, dass sich Blutgerinnseln im Inneren des Stents bilden.

Wie oft werden Stents eingesetzt?

„Deutschland ist Europameister bei dieser Behandlungsmethode, denn wir haben eine sehr gute kardiologische Versorgung“, sagt Prof. Massberg. Über 300.000 Stent-Implantate werden hierzulande pro Jahr in Herzkranzgefäße eingesetzt – und über 97 Prozent davon sind medikamentenfreisetzende (DES).

Massberg, Steffen; Ordinarius MED 1, Kardiologie; Prof. Dr. Steffen Massberg, Direktor der Medizinischen Klinik undPoliklinik I am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, Principle Investigator beim Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung.

Bei verengten Herzkranzgefäßen: Stent oder Bypass?

Die Implantation von Stents ist eine Alternative zur klassischen operativen Bypass-Versorgung. „Die Entscheidung für das optimale Behandlungs-Konzept wird oft gemeinsam von einem Herzteam getroffen“, erklärt Prof. Massberg. In großen Zentren arbeiten die Ärztinnen und Ärzte der Kardiologie und der Herzchirurgie bei der Behandlung der koronaren Herzerkrankung zusammen und wägen die Begleitfaktoren bei den Betroffenen wie zum Beispiel Alter oder Diabetes-Erkrankung ab. Jeder Fall muss genau betrachtet und individuell entschieden werden. So haben beispielsweise junge Diabetikerinnen und Diabetiker ein höheres Risiko als Menschen ohne Diabetes, nach einer Stent-Implantation eine Wiederverengung zu bekommen.

 

Ein Stent ist in der Regel die geeignete Therapie,

 

  • bei einem akuten Herzinfarkt als lebensrettender Eingriff,
  • bei einem chronischen Koronarsyndrom, wenn nur ein bis zwei Gefäße betroffen sind oder die Engstellen nur kurze Strecken des Gefäßes betreffen oder auch
  • bei älteren Patienten mit einer komplexen Herzerkrankung, für die eine Bypass-Operation riskant ist.

 

Für einen Bypass spricht,

 

  • wenn alle drei Herzkranzgefäße betroffen sind oder chronische Verschlüsse vorliegen, die mit Stents nicht gut angehbar sind,
  • wenn zusätzlich das linke Hauptgefäß betroffen ist und
  • die Patientin oder der Patient jung und das Operationsrisiko gering ist.

 

Eine Bypass-Operation wird von Herzchirurginnen und Herzchirurgen durchgeführt. Dabei werden die verengten oder verschlossenen Herzkranzgefäße durch eine Umleitung (Bypass) überbrückt.

 

„Die Vor- und Nachteile der einzelnen Strategien müssen gut abwägt und mit den Patientinnen und Patienten besprochen werden. Sie sollten gut informiert sein und ihren Beitrag zur Entscheidungsfindung leisten. Wichtig ist eine gute Aufklärung, weil die meisten den kleineren Eingriff mit dem Stent bevorzugen würden“, sagt Prof. Massberg.

 

Bei einem akuten Herzinfarkt kommt in aller Regel nur der Stent in Frage, denn der akute Herzinfarkt an sich ist bereits mit einem Sterblichkeitsrisiko zwischen 30 und 50 Prozent verbunden. Wenn in dem Fall noch operiert wird, ist die Gefahr, bei der Operation zu versterben, dramatisch erhöht.

 

Der größte Nachteil des Stents ist der höhere Anteil an Wiederverengungen (Restenosen) der Gefäße, so dass eine erneute Stent-Implantation erforderlich wird. Der große Vorteil der Stents dagegen ist die deutlich geringere Invasivität: Die Implantation kommt ohne Vollnarkose, Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine und Brustkorböffnung aus. Der Eingriff ist daher deutlich weniger belastend für die Patientinnen und Patienten ist als eine Bypass-Operation.

 

„Man kann sagen, es sind sich sehr gut ergänzende Eingriffe – Hochrisikopatienten würde eher zum Stent geraten werden, Niedrigrisikopatienten eher zur Bypass-Operation. Im Bereich dazwischen, wenn beide Strategien möglich sind, muss besonders der Wunsch der gut aufgeklärten Patientin oder des Patienten berücksichtigt werden“, so Prof. Massberg.

Welche Risiken bringt die Implantation eines Stents mit sich?

Bei der Implantation eines Stents gelten die allgemeinen Operationsrisiken wie Blutungen. In seltenen Fällen treten Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen während des Eingriffs, ein Gefäßverschluss oder ein Infarkt auf.

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