Bei einem Perikarderguss füllt sich der Herzbeutel mit Flüssigkeit. Je nach Geschwindigkeit und Menge des Ergusses kann er lebensbedrohliche Auswirkungen haben. Welche Ursachen den Perikarderguss auslösen können und wie er behandelt wird.
Bei einem Perikarderguss füllt sich der Herzbeutel mit Flüssigkeit. Je nach Geschwindigkeit und Menge des Ergusses kann er lebensbedrohliche Auswirkungen haben. Welche Ursachen den Perikarderguss auslösen können und wie er behandelt wird.
Von Sven Stein
11.04.2023
Bildquelle (Bild oben): iStock/bojanstory
Das Perikard wird auch Herzbeutel genannt. Es ist eine Hülle, die das gesamte Herz umschließt. Der Herzbeutel hält das Herz in seiner Position, schützt es und sorgt dafür, dass sich die Herzkammern bei starker Pumparbeit – etwa beim Sport – nicht überdehnen. Der Herzbeutel besteht aus zwei Schichten, zwischen denen sich die sogenannte Herzbeutel- oder Perikardhöhle befindet. Die Perikardhöhle enthält immer etwas Flüssigkeit (10 bis 50 Milliliter), damit sich das Herz im Herzbeutel reibungslos bewegen kann. „Man bezeichnet daher das Perikard auch als eine seröse Haut“, erklärt Prof. Thomas Klingenheben, Kardiologe in Bonn. Die dafür nötige seröse Flüssigkeit wird vom Körper gebildet und wieder von ihm aufgenommen.
Bei einem Perikarderguss füllt sich der Herzbeutel mit Flüssigkeit. Je nach Ursache kann das sehr schnell passieren (akut) oder über einen längeren Zeitraum langsam andauern (chronisches Ereignis). Abhängig von der Ursache kann der Erguss durch die seröse Flüssigkeit geschehen, die der Körper regelmäßig in die Perikardhöhle abgibt. Wenn der Körper weniger davon aufnimmt, als in den Herzbeutel geleitet wird, entsteht ein Erguss. Häufig ist es aber auch Blut, das in den Herzbeutel läuft. „Es kann relativ selten auch Eiter sein“, so Prof. Klingenheben, „nämlich im Rahmen einer durch Bakterien ausgelösten Perikarditis, eine Entzündung des Herzbeutels.“
„Je größer der Erguss wird, desto eher drückt die Flüssigkeit auf das Herz“, erklärt der Kardiologe. Das Herz wird durch die Flüssigkeit im Herzbeutel eingeengt, der Herzmuskel kann nicht mehr ungestört seine Pumparbeit verrichten. „Betroffen ist vor allem die rechte Herzkammer. Die kann ab einer gewissen Flüssigkeitsmenge regelrecht zusammengedrückt werden“, sagt Prof. Klingenheben. „So kann der Erguss die Herzfunktion beeinträchtigen, weil sich die rechte Herzkammer nicht mehr entfalten kann und der Transport des Blutes aus dem Herzen in die Lunge gestört wird.“ Die linke Herzkammer dagegen ist so muskelstark, dass sie sich durch den Erguss zunächst nicht einschränken lässt.
Wenn die Flüssigkeit im Herzbeutel sehr schnell zunimmt, genügt schon eine kleinere Menge (ab etwa 150 ml), um die Herzleistung innerhalb weniger Minuten zu beeinträchtigen. Nimmt die Flüssigkeit sehr langsam über Tage oder Wochen zu, kann sich eine große Menge Flüssigkeit (bis 2000 ml) ansammeln, bis sich Symptome zeigen.
Es gibt eine ganze Reihe von Ursachen, die einen Perikarderguss auslösen können. Die wichtigsten:
Solange sich nur eine geringe Menge Flüssigkeit im Herzbeutel sammelt, spüren Betroffene noch keine Symptome. Oft wird ein solcher Erguss nur zufällig entdeckt. „Aber schon bei mittleren Ergussmengen kann es Symptome geben“, sagt Prof. Klingenheben. „Insbesondere, wenn es im Rahmen einer Entzündungsreaktion ist, bekommen die Menschen einen schnellen Puls und Luftnot.“ Wenn die Flüssigkeit im Herzbeutel durch den Perikarderguss schnell zunimmt, können sich bei den Betroffenen Atemnot, schmerzhafter Husten und Kreislaufbeschwerden zeigen.
In besonders schweren Fällen spricht man von einer Herzbeuteltamponade. „Dann ist der Perikarderguss nicht nur groß, sondern drückt das Herz ein, so dass seine Funktion beeinträchtigt ist“, erklärt der Kardiologe. „In diesen Notfällen muss akut behandelt werden.“ Als Symptome zeigen sich oft deutliche Blutstauungen in den Halsvenen und blaue Lippen. Der Blutdruck fällt ab und es droht ein lebensgefährliches Kreislaufversagen.
Beim Verdacht auf einen Perikarderguss wird das Herz mit dem Herz-Ultraschall (Echokardiographie) untersucht, um die Größe und den genauen Ort des Ergusses zu bestimmen. „Manchmal kann man einen größeren Erguss auch schon am EKG ablesen“, berichtet Prof. Klingenheben. „Bei einem großen Perikarderguss schwimmt das Herz in der Flüssigkeit und schwappt beim Pumpen hin und her.“ Das erzeugt ein regelmäßiges Muster (elektrischer Alternans) im EGK. „Die Diagnose wird dann noch mit dem Herz-Ultraschall bestätigt“, erklärt der Kardiologe.
In einigen Fällen wird zusätzlich auch eine Computertomographie (CT) durchgeführt. „Das geschieht hauptsächlich bei einem dringenden Verdacht, dass der Erguss durch ein akutes Krankheitsbild ausgelöst wurde, beispielsweise eine Aortendissektion“, erklärt Prof. Klingenheben.
Bei einem entzündlichen Perikarderguss nach einer Virus-Infektion kann es ausreichen, dass die Patientin oder der Patient das Bett hütet und regelmäßig untersucht wird, um sicherzugehen, dass sich der Erguss nicht verschlimmert. „Die Betroffenen erhalten ein anti-entzündliches Medikament, zum Beispiel Ibuprofen“, erklärt Prof. Klingenheben. „Gerne verschrieben wird auch ein bewährtes Gichtmittel, Colchicin, von dem wir seit etwa zehn Jahren wissen, dass es beim Perikarderguss sehr wirksam ist.“
Bei einem schweren Perikarderguss, der Tamponade, wird die Flüssigkeit durch eine sogenannte Punktion aus dem Herzbeutel entfernt. „Dabei wird unter örtlicher Betäubung eine feine Punktionsnadel direkt unterhalb des Brustbeins in Richtung Herzbeutel geschoben“, sagt Prof. Klingenheben. „Das geschieht nach Möglichkeit unter Ultraschallkontrolle.“ Durch die Punktionsnadel kann über einen Draht ein kleiner Katheter, also ein Kunststoffschlauch, in den Herzbeutel gelegt werden, um die Flüssigkeit darüber abzusaugen. „Bei großen Ergüssen kann es zwischen einem halben und einem ganzen Liter Flüssigkeit sein“, berichtet der Kardiologe.
Wenn der Auslöser des Perikardergusses unklar ist, sollte die Flüssigkeit auf mögliche Hinweise untersucht werden. „Durch eine mikrobiologische und pathologische Untersuchung lässt sich beispielsweise feststellen, ob Krebszellen oder Entzündungszellen zu finden sind“, so Prof. Klingenheben.
„Große Ergüsse lassen sich relativ gefahrlos punktieren, weil der Abstand zwischen Perikard und Herzmuskel groß genug ist“, berichtet der Kardiologe weiter. „Bei ganz kleinen Ergüsse würde man nicht punktieren, weil eine gewisse Gefahr der Verletzung des Herzmuskels oder der Herzkranzgefäße besteht.“
Eine operative Entlastung des Ergusses ist vor allem dann nötig, wenn eine Patientin oder ein Patient wiederholte Perikardergüsse hat oder der Herzbeutel selbst erkrankt ist. „Bei der Operation entfernt der Chirurg einen kleinen Teil des Herzbeutels, damit die Flüssigkeit daraus ablaufen kann“, erklärt Prof. Klingenheben. „Das nennt man Perikardfensterung.“ Die Flüssigkeit wird dabei in die Brusthöhle (Pleura) oder die Bauchhöhle (Peritoneum) abgeleitet.