Herzmuskelentzündung: Wie eine Myokarditis entsteht und behandelt wird

Eine Herzmuskelentzündung zeigt oft keine typischen Symptome und kann durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden. Wie Kardiologinnen und Kardiologen eine Diagnose stellen und die sogenannte Myokarditis behandeln – und wie Sie selbst vorsorgen können.

Von Silja Klassen

 

31.03.2023

 

Bildquelle (Bild oben): iStock / stefanamer  

Ob kerngesund oder vorbelastet, jung oder älter: Eine Herzmuskelentzündung, in der Medizin Myokarditis genannt, kann jeden Menschen treffen. Die Erkrankung verläuft häufig ohne typische Symptome, was die Diagnose mitunter erschwert. Wer sich konsequent körperlich schont, hat gute Chancen, dass eine Myokarditis folgenlos ausheilt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie Herzrhythmusstörungen oder eine Herzschwäche auslöst und im schlimmsten Fall sogar zum plötzlichen Herztod führt.

Was genau ist eine Herzmuskelentzündung?

„Als Myokarditis bezeichnet man eine Entzündung des Herzmuskelgewebes. Entzündungszellen wandern in den Herzmuskel und dadurch werden Herzmuskelzellen zerstört“, erklärt Prof. Andreas Zeiher vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main. Diese Entzündung kann auch auf die Herzkranzgefäße und das umliegende Gewebe übergreifen.

Welche Folgen kann eine Herzmuskelentzündung haben?

Die Entzündung kann die Fähigkeit des Herzens, Blut zu pumpen, beeinträchtigen. Eine Myokarditis kann Brustschmerzen, Kurzatmigkeit und unregelmäßige Herzrhythmen (Arrhythmien) verursachen und langfristig zu einer Herzmuskel- und einer Herzschwäche führen. „Grundsätzlich kommt es durch die Einwanderung von Entzündungszellen zu einer Entzündungsreaktion im Herzmuskel selbst. Das heißt, es wird Gewebsflüssigkeit gebildet, ähnlich wie bei anderen Entzündungen des Körpers. Und mittelfristig kann es zur Zerstörung von Herzmuskelzellen kommen“, so Prof. Zeiher.

Eine Herzmuskelentzündung kann die Pumpfunktion des Herzens beeinträchtigen. Eine Herzmuskelentzündung kann die Pumpfunktion des Herzens, über die der Körper mit Blut versorgt wird, beeinträchtigen. Bildquelle: iStock / Rasi Bhadramani

Welche Ursachen führen zu einer Herzmuskelentzündung?

Grundsätzlich unterscheidet die Medizin drei mögliche Auslöser:

 

  • Die erste Ursache sind Infektionen, in unseren Breitengraden insbesondere Virusinfektionen. Klassische Viren sind dabei solche, die den Magen-Darm-Trakt, aber auch den Lungen-Trakt befallen. Dies sind die häufigsten Viren, die sich auch im Herzen ausbreiten und eine Herzmuskelentzündung entstehen lassen können. Meist kommt es durch eine verschleppte Grippe zu einer Myokarditis.

 

  • Die zweite Ursache können sogenannte Autoimmunerkrankungen sein. Das sind Erkrankungen, bei denen sich das körpereigene Immunsystem gegen körpereigene Zellen richtet, und im Fall einer Myokarditis gegen Herzmuskelzellen, begleitet von einer Anhäufung von Entzündungszellen. „Dazu rechnen muss man ebenfalls auch einige Sonderformen der Myokarditis, die eine schlechte Prognose haben“, sagt Prof. Zeiher. „Zum Beispiel die sogenannte Riesenzell-Myokarditis oder die Sarkoidose, eine entzündliche Erkrankung, die sich auch im Herzen manifestieren kann.“ Daneben kämen noch „ein paar Kolibris“, also sehr seltene Krankheiten, in Betracht, wie eine Überflutung mit sogenannten eosinophilen Zellen. Das sind besondere Zellen aus dem Knochenmark, die das Herz auch schädigen können.

 

  • Die dritte mögliche Ursache für eine Myokarditis ist eine Schädigung des Herzens durch Gifte. „Das hat deutlich zugenommen in den vergangenen Jahren“, so Prof. Zeiher. Der Grund sind unter anderem spezifische Therapien für Krebserkrankungen mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren. Sie sind sehr wirkungsvoll in der Krebsbehandlung und werden in der Onkologie zunehmend häufiger eingesetzt, zerstören aber auch in 1 bis 2 Prozent der Fälle Herzmuskelzellen. So kann es aufgrund dieser Medikamente für die Krebspatientinnen oder -patienten zu einer Herzmuskelentzündung kommen. „Deshalb stehen Kardiologinnen und Kardiologen im engen Austausch mit Onkologinnen und Onkologen“, erläutert Prof. Zeiher. Zusätzlich ist in den Leitlinien der entsprechenden Fachgesellschaften, auch von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, festgehalten, wie man Patientinnen und Patienten überwacht, wenn sie mit einer Checkpoint-Inhibitor-Therapie wegen ihres Tumors behandelt werden. Auch Drogenmissbrauch, beispielsweise mit Kokain, kann eine Myokarditis auslösen. Sehr selten können auch Vergiftungen durch Arsen und gewisse Spinnenbisse sowie Skorpionstiche zu einer Herzmuskelentzündung führen.

Was sind die häufigsten Symptome einer Herzmuskelentzündung?

„Zu den häufigsten Symptomen gehören tatsächlich Brustschmerzen“, sagt Prof. Zeiher, „sie treten in ungefähr 95 Prozent der Fälle auf.“ In der Regel ist das die Folge einer Mitreaktion des Perikards, des Herzbeutels, der auch an der Entzündung beteiligt ist. Und jedes Mal, wenn das Herz pumpt und quasi am entzündeten Herzbeutel reibt, schmerzt es. Im Unterschied zu einer Durchblutungsstörung am Herzen, die auftritt, wenn die Herzkranzgefäße verengt sind, treten die Schmerzen völlig unabhängig von Belastung auf – oft auch in Ruhe, im Liegen, häufig nachts. Das ist ein erstes Warnzeichen.

 

In deutlich weniger Fällen, bei ungefähr 30 bis 40 Prozent, bekommen Betroffene Atemnot. Das hängt damit zusammen, wie stark durch die Entzündung die Funktion des Herzens eingeschränkt ist, ob die Pumpfunktion reduziert wird und dadurch das Herz Schwierigkeiten hat, das Blut zu pumpen. Dann staut sich Blut in der Lunge – und die Folge ist Atemnot unter Belastung.

Prof. Andreas Zeiher Prof. Dr. Andreas Zeiher, Distinguished Professor of Cardiology, Universität Frankfurt, ehemaliger Direktor der Medizinischen Klinik III am Universitätsklinikum Frankfurt am Main.

Wie verläuft die Diagnose einer Herzmuskelentzündung?

„Mithilfe eines Herz-MRTs lässt sich quasi in den Herzmuskel und in das Gewebe hineinschauen und erkennen, ob eine Anreicherung entzündungsbezogener Flüssigkeit im Herzmuskel oder im Herzbeutel – oder eine direkte Entzündung des Herzbeutels, des Perikards – nachweisbar ist“, erklärt Prof. Zeiher. Diese Technik habe die Diagnose der Myokarditis in den vergangenen zehn Jahren revolutioniert: „1995 ist die Myokarditis noch durch eine Biopsie aus dem Herzmuskel diagnostiziert worden. Man ging mit dem Katheter ins Herz, entnahm ein bisschen Gewebe und hat es dann untersucht. Seit 2015 legen wir die Diagnose fest durch entsprechende Symptome und den Nachweis der sogenannten Entzündungsmarker im Herzmuskel mit dem MRT.“

Wie verläuft die Behandlung einer Herzmuskelentzündung?

Bei der Behandlung einer Herzmuskelentzündung sollte zunächst vor allem jede Anstrengung vermieden werden. Absolute Bettruhe ist in der Regel nicht erforderlich, entspanntes Spazierengehen beispielsweise kann durchaus guttun. Wer die körperliche Schonung zu früh beendet, riskiert einen Rückfall und möglicherweise bleibende Schäden.

 

„Die Behandlung richtet sich immer nach dem Schweregrad der Einschränkung der Herzfunktion“, erklärt Prof. Zeiher. Unter Umständen wird das Herz mit Medikamenten wie Betablockern oder ACE-Hemmern entlastet. Bei Autoimmunerkrankungen erfolgt gezielt eine immunsuppressive Behandlung. „Manchmal werden Steroide gegeben, also Cortison, in anderen Fällen auch besondere Immun-Modulatoren“, ergänzt Prof. Zeiher. Bei einer bakteriell bedingten Myokarditis werden Antibiotika verschrieben.

Lässt sich einer Herzmuskelentzündung vorbeugen?

Aufgrund der unspezifischen Symptome ist es unter Umständen nicht ganz einfach, eine Myokarditis im frühen Krankheitsstadium zu erkennen. Wer einen Infekt gut auskuriert, minimiert auf jeden Fall das Risiko, an einer Herzmuskelentzündung zu erkranken. „Es empfiehlt sich, während und nach einer akuten Krankheitsphase keinen Sport zu treiben und sich körperlich zu schonen“, sagt Prof. Zeiher. Grundsätzlich gelte: Ein gesundes, also nicht vorerkranktes, Herz, hat eine deutlich geringere Chance, eine Myokarditis zu erhalten als ein vorerkranktes Herz. Nach einem Herzinfarkt beispielsweise hat eine Herzmuskelentzündung eine schlechtere Prognose, weil das Herz vorgeschädigt ist und dadurch noch mehr Schaden entstehen kann.

 

„Sie können also vorbeugen, indem Sie Ihr Herz so gesund wie möglich halten, mit allem, was wir dazu kennen. Also nicht rauchen, regelmäßig Sport treiben und aktiv bleiben, die sogenannten Risikofaktoren minimieren“, erklärt Prof. Zeiher. Eine weitere hilfreiche Maßnahme ist es, auf einen guten Impfschutz zu achten. Damit können Sie Infektionskrankheiten wie Grippe vermeiden, die oft Ursache für eine Herzmuskelentzündung sind.

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