Warum Sie mit einer Erkältung keinen Sport treiben sollten

Es heißt immer: Sport stärkt das Immunsystem. Trotzdem soll man sich mit einem Schnupfen schonen, weil andernfalls eine Herzmuskelentzündung droht. Wie kann das sein?

Von Kerstin Kropac

 

Bildquelle (Bild oben): iStock / champja

Warum kann eine Erkältung dem Herz schaden?

„Im Prinzip kann jedes Erkältungsvirus auch das Herz befallen“, erklärt Prof. Stephan Achenbach vom Universitätsklinikum Erlangen. „Das hat uns zuletzt beim Coronavirus beschäftigt, gilt aber genauso für andere Viren.“ Das Coxsackie-Virus zum Beispiel verursacht normalerweise milde, grippeähnliche Symptome. Es gilt aber auch als einer der Hauptauslöser für Herzmuskelentzündungen – die insgesamt allerdings nicht sehr häufig auftreten.

Warum erhöht Sport während einer Erkältung das Risiko einer Herzmuskelentzündung?

Langfristig stärkt Sport das Immunsystem – und auch das Herz. Das ist bekannt. „Kurzfristig bedeutet jede intensive Trainingseinheit aber erst einmal Stress für den Körper“, sagt Prof. Achenbach. „Dann ist die Immunabwehr für eine Weile geschwächt. Krankheitserreger haben es leichter, sich auszubreiten.“ Die Folge: Eine Infektion kann sich verschlimmern. Man bezeichnet die Zeit nach dem Training deshalb als open window, wörtlich übersetzt ein „offenes Fenster“. In verschiedenen Studien ist diese Phase als Zeitraum von drei bis 72 Stunden beschrieben. Einige Studien haben gezeigt, dass das Infektionsrisiko nach einem Marathon in dieser Zeit um 100 bis 500 Prozent erhöht ist. In einer anderen Untersuchung haben 68 Prozent der Teilnehmer eines Ultramarathons innerhalb von zwei Wochen nach dem Lauf eine Infektion der oberen Atemwege entwickelt.

Machen sich sofort Symptome bemerkbar, wenn eine Erkältung nach dem Sport aufs Herz schlägt?

Meist sind die Symptome einer Herzmuskelentzündung, der sogenannten Myokarditis, mild und werden von den Betroffenen nicht wahrgenommen. „Allerdings gibt es bei den Herzmuskelentzündungen ein sehr großes Spektrum“, erklärt Prof. Achenbach. „Manchmal klagen die Patientinnen und Patienten über einen leichten, drückenden Schmerz, eine leichte Luftnot oder Schmerzen beim Einatmen. In sehr seltenen Fällen kommt es zu einem schweren Verlauf mit einer starken Einschränkung der Pumpleistung. Dann ist das Herz zu schwach, um den Körper mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen.“

Wie hoch ist das Risiko, dass eine Herzmuskelentzündung schwer verläuft?

„Das lässt sich leider nicht vorhersagen“, sagt Prof. Achenbach. „Als Faustregel gilt: Von den einschränkenden Entzündungen bilden sich ungefähr 50 Prozent wieder zurück. Etwa 25 Prozent verharren, da bleibt die Herzleistung dauerhaft eingeschränkt. Die restlichen 25 Prozent können sich zu einer schweren Herzschwäche weiterentwickeln. Aber diese schweren Verläufe sind glücklicherweise sehr selten.“

Wie wird bei der Herzmuskelentzündung die Diagnose gestellt?

Wenn die Herzfunktion durch die Entzündung eingeschränkt ist, lässt sich das bei einer Untersuchung mit dem Herz-Ultraschall erkennen. Ein weiterer Hinweisgeber ist das Eiweiß Troponin im Blut. „Lässt sich dieses Eiweiß, das bei einem Herzmuskelschaden freigesetzt wird, im Blut nachweisen, muss man zuerst schauen: Liegt ein Herzinfarkt vor? Wenn nicht, ist eine Myokarditis, also eine Herzmuskelentzündung, die wahrscheinliche Diagnose“, sagt Prof. Achenbach. „Man könnte auch eine Probe aus dem Herzmuskel entnehmen – aber das macht man natürlich nur bei schweren Verläufen.“

Prof. Stephan Achenbach. Prof. Stephan Achenbach, Direktor der Medizinischen Klinik 2 (Kardiologie und Angiologie) des Universitätsklinikums Erlangen. Bildquelle: UK Erlangen

Wie werden Herzmuskelentzündungen behandelt?

„Leider gibt es für die meisten Formen der Herzmuskelentzündung keine spezifische Behandlung“, sagt Prof. Achenbach. „Man kann das Herz lediglich entlasten – mit Medikamenten, die zum Beispiel den Widerstand in den Gefäßen senken, damit das Blut leichter transportiert werden kann und das Herz nicht so viel arbeiten muss. Es gibt auch Medikamente, die verhindern, dass Herzmuskelzellen absterben und sich stattdessen Bindegewebe einlagert.“

Wann ist Sport nach einer Herzmuskelentzündung wieder erlaubt?

Bei einer aktiven Herzmuskelentzündung mit Einschränkung der Pumpleistung des Herzens sind körperliche Belastungen strengstens untersagt! Nach einem schweren Verlauf sollte man mindestens sechs Monate nicht trainieren. Und auch bei einem milden Verlauf sollte man mindestens drei Monate keinen Sport treiben.

Denn falls mit einer ausgeprägten Herzmuskelentzündung weiter trainiert wird, kann es gefährlich werden! Durch die Entzündung können instabile Herzmuskelzellen unkontrollierte elektrische Erregungen erzeugen und damit lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen auslösen. „Und das wissen wir genau: Dieses Risiko wird definitiv durch Sport erhöht! Gerade bei jungen Menschen unter 45 Jahren ist die Myokarditis die häufigste Ursache für plötzliche tödliche Herzrhythmusstörungen, die beim Training auftreten“, erklärt Prof. Achenbach.

Sollte man sich nach einer Erkältung bei einer Kardiologin oder einem Kardiologen vorstellen?

Wer einen Infekt überstanden hat und wieder trainieren will, muss vorher nicht zur Kardiologin oder zum Kardiologen. „Wichtig ist: Wer einen Infekt hat, sollte auf Sport verzichten, bis die Symptome abgeklungen sind – und dann langsam wieder beginnen“, sagt Prof. Achenbach. „Hatte man sogar Fieber, sollte man lieber noch eine Woche länger pausieren. Nach einer COVID-19-Infektion wird sogar empfohlen, zwei Wochen nach Abklingen der Symptome abzuwarten, ehe man wieder mit dem Training beginnt.“ Ein Besuch bei der Kardiologin oder dem Kardiologen wird nur dann empfohlen, wenn jemand nach einer Infektion weiterhin Beschwerden hat oder nach jahrelanger Pause mit dem Training starten will. Dann sollte man sich tatsächlich erst einmal durchchecken lassen.

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