So trainieren Sie Ihr Herz zu Hause

Wer sich regelmäßig sportlich bewegt, sorgt damit gut für sein Herz. Bereits die Effekte eines leichten Trainings zuhause zeigen sich schnell. Welche Sportarten von Kardiologinnen und Kardiologen empfohlen werden, wie viel Training es sein sollte und was Herzpatientinnen und Herzpatienten beachten sollten.

Von Silja Klassen

 

27.03.2023

 

Bildquelle (Bild oben): iStock / SBDIGIT

Warum ist Sport gut fürs Herz?

Zu viel sitzen und zu wenig Bewegung gehören neben einem zu hohen Cholesterinspiegel und Übergewicht zu den größten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Zweifellos ist Rauchen die größte Katastrophe für das Herz und die Gefäße“, sagt Prof. Martin Halle von der Technischen Universität München. „Aber was die Lebensstil-Kategorien betrifft, kommt nach aktueller wissenschaftlicher Datenlage zu wenig sportliche Aktivität gleich danach als große Gefahr für die Herzgesundheit an zweiter Stelle.“

Bewegung hat nachweislich einen positiven Effekt auf das Herz. Denn Sport lässt das Fortschreiten von Fett- und Kalkablagerungen in den Gefäßen (Atherosklerose) verlangsamen. Das wiederum verringert die Gefahr einer sogenannten kardiovaskulären Erkrankung, zum Beispiel eines Herzinfarkts. Ein weiteres Plus: Sport senkt die Cholesterinwerte und verringert wie nebenbei Übergewicht. Durch Bewegung verbessert sich die körperliche Leistungsfähigkeit im Alltag – und auch die Laune.

 

Wie bei vielen anderen Veränderungen des Lebensstils kann ein Plus an Bewegung selbst noch im Alter positive Effekte erzielen. Eine Studie der Universität Heidelberg belegt, dass durch regelmäßige körperliche Aktivitäten auch im Seniorenalter Herzmuskelzellen neu gebildet werden, die durch eine zuvor verminderte Pumpleistung abgestorben waren. Das Herz wird dadurch quasi „verjüngt“.

Bewegen sich die meisten Menschen ausreichend?

„Nein, fast die Hälfte der Deutschen bewegt sich nahezu gar nicht. Das ist eine erschreckende Zahl“, sagt Prof. Halle. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dürften bis 2030 fast 500 Millionen Menschen weltweit mangels Bewegung unter anderem Herzkrankheiten, aber auch Fettleibigkeit, Diabetes, Depressionen und Demenz, entwickeln. Auch in Deutschland gibt es einen dringenden Nachholbedarf, da es hierzulande noch schlechter aussieht als im Durchschnitt der reichen Länder. Dabei sind die Zahlen bei den 11- bis 17-Jährigen besonders dramatisch: 88 Prozent der Mädchen und 80 Prozent der Jungen bewegen sich zu wenig.

Prof. Martin Halle Univ.-Prof. Dr. Martin Halle ist Ärztlicher Direktor und Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Sportmedizin; Kardiovaskulärer Präventivmediziner DGPR

Wie viel Sport braucht das Herz?

Generell empfiehlt die WHO mindestens 150 Minuten körperliche Aktivitäten in der Woche für Erwachsene, um Krankheiten vorzubeugen. „Nur wenige Minuten Training am Tag halten uns und vor allem das Herz fit und biologisch jung“, so die Erfahrung von Prof. Halle. „Schon 15 Minuten zügiges Gehen macht 70 bis 80 Prozent der Herzgesundheit aus. Wir müssen die Hürde möglichst niedrig legen – und diese 15 Minuten sind nun wirklich nicht viel und gut in den Alltag zu integrieren.“

 

Deshalb empfiehlt Prof. Halle eindringlich: „Hoch vom Sofa – und jeden Tag für mindestens eine Viertelstunde den Herz-Kreislauf in Schwung bringen.“ Neben flottem Gehen sind dafür auch Radfahren (auf einem Ergometer oder draußen) oder Schwimmen empfehlenswert. Daneben hat der Sportkardiologe ein siebenminütiges Workout für zuhause entwickelt, das Ausdauer und Kraft kombiniert. „Das ist eine wunderbare Kombination und man hat mit den Übungen bereits einen guten Teil des Bewegungsziels erreicht.

Was bewirkt Sport im Körper?

„Allgemein gesagt: Der Blutdruck nimmt ab, der Cholesterinspiegel verbessert sich, das Diabetes-Risiko sinkt, die Gefäße werden geschmeidiger – und damit auch das Herz“, erklärt Prof. Halle. „Wenn ich es detaillierter erklären sollte: Wenn man sich körperlich belastet, werden die Stammzellen aus dem Knochenmark mobilisiert, da sie besser durchblutet sind. Sie kommen an Zellen im Gefäßsystem und schließen dort Lücken, die durch abgestorbene Gefäßzellen entstanden sind.“ Jeden Tag gehen solche Gefäßzellen zugrunde – und sie müssen ersetzt werden.

 

Sport verlangsamt die natürliche Alterung von Zellen, deren schützende Kappen (Telomere) sich immer mehr verkürzen. Mit ausreichender Bewegung lassen sich diese Telomere wieder verlängern. „Außerdem schütten die Muskeln bei Beanspruchung Botenstoffe aus, die an die einzelnen Organe – und darunter eben auch das Herz – gesendet werden. Diese Hormone stoppen beispielsweise Entzündungen und unterstützen bei der Regeneration. Das kann man sich wie E-Mail-Nachrichten vorstellen, die durch den Körper geschickt werden.“

Ein Paar stärkt trainiert zuhause. Wer seine Muskeln stärkt, verlangsamt die natürliche Alterung der Zellen. Bildquelle: iStock / VioletaStoimenova

Welches Training ist besonders sinnvoll fürs Herz?

Zu den beliebten Empfehlungen gehören: Nehmen Sie grundsätzlich die Treppe statt des Aufzugs. Fahren Sie möglichst mit dem Fahrrad ins Büro. Steigen Sie eine Haltestelle eher aus und gehen zu Fuß weiter. Oder machen Sie beim Zähneputzen Kniebeugen. „Das ist alles ‚nice to have‘“, so Prof. Halle, „dennoch sind insbesondere richtige Ausdauereinheiten wichtig für das Herz-Kreislauf-System.“

 

Vielen Herzmedizinerinnen und Herzmedizinern gilt Ausdauertraining als wichtigstes „Herz-Kreislauf-Medikament des 21. Jahrhunderts“. Bei einem Ausdauertraining soll eine körperliche Leistung über einen längeren Zeitraum erreicht und sich anschließend schnell erholt werden können. Je besser die körperliche Ausdauer ist, desto mehr wird das Herz entlastet. Der Grund: Die Muskulatur, insbesondere die der Beine und des Rumpfes, wird gestärkt. Dies führt zu einer Optimierung des Energiestoffwechsels und einer verbesserten Blut- und Sauerstoffversorgung. So wird jede körperliche Belastung besser toleriert. Auch die Mikrodurchblutung des Herzens steigt, weil sich ein stärker verzweigtes Netzwerk der kleinsten Gefäße – also der Mikrogefäße – ausbildet. Wer regelmäßig aktiv ist und sein Herz-Kreislauf-System fordert, trainiert seine Ausdauer, die Zusammenarbeit von Herz und Lunge, Blutzirkulation und Muskulatur.

 

Geeignete Ausdauersportarten sind zum Beispiel Nordic-Walking, Wandern, Radfahren und Schwimmen. Wie intensiv und in welcher Taktung trainiert wird, kann jeder genau an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Prof. Halle: „Das Training kann sehr gut mit leichtem Krafttraining kombiniert werden – aber der Schwerpunkt für die Herzgesundheit sollte beim Ausdauertraining liegen.“

Können Menschen Sport machen, wenn sie einen Herzinfarkt hatten?

Alle Einsteiger – aber vor allem Menschen mit Herzproblemen – stimmen ihren Trainingsplan unbedingt mit einer Ärztin oder einem Arzt ab. Dabei sind selbst ein vorangegangener Herzinfarkt oder eine Bypass-Operation kein Grund, auf sportliche Aktivität zu verzichten. Im Gegenteil: Die vielfältigen positiven Auswirkungen von körperlicher Aktivität helfen bei jeder Therapie. Dennoch gilt: Sprechen Sie vorher mit Ihrem Kardiologen oder Kardiologin, um die Gefahr auszuschließen, dass das Herz durch Sport überlastet und möglicherweise geschädigt wird. „Aber grundsätzlich gilt“, so Prof. Halle, „körperliche Bewegung ist immer sinnvoll.“

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