Umleitung am Herzen: Wie eine Bypass-Operation abläuft

Wer an einer koronaren Herzkrankheit leidet, muss unter Umständen mit einem Stent behandelt werden – oder es wird ein sogenannter Bypass gelegt. Bei welchen Patientinnen und Patienten diese Operation mit einer Umleitung am Herzen in Betracht kommt und wie sie abläuft.

Von Kerstin Kropac

 

23.05.2023


Bildquelle (Bild oben): iStock / alexey_ds

Bei Menschen mit einer koronaren Herzerkrankung (KHK) sind Blutgefäße verengt oder verschlossen, die das Herz mit sauerstoffreichem Blut versorgen sollen. Die betroffenen Blutgefäße nennt man Herzkranzgefäße oder Koronargefäße. Typische Symptome der Erkrankung sind Luftnot, ausstrahlende Schmerzen oder ein Engegefühl in der Brust – manche Menschen verspüren aber auch keine Symptome. Bei Menschen, die besonders stark betroffen sind, kann eine Operation nötig werden. Wann ist ein Bypass die beste Therapie?

Welche Patientinnen und Patienten bekommen einen Bypass?

Das Herz versorgt nicht nur den Körper mit sauerstoff- und nährstoffreichem Blut, es zweigt über die sogenannten Herzkranzarterien (Koronararterien) auch immer einen Teil für sich selbst ab. „Leiden Patientinnen und Patienten unter einer koronaren Herzerkrankung, sind diese Arterien verengt oder verschlossen“, erklärt Prof. Jan Gummert vom Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen in Bochum. „Dann wird das Herz nicht ausreichend mit Blut versorgt, unter Umständen droht sogar ein Herzinfarkt. Diese Patienten müssen häufig mit einem Bypass oder Stent behandelt werden.“

Was genau ist ein Bypass?

Das Wort Bypass kommt aus dem Englischen und bedeutet: Umgehungsstraße – und genau diese Funktion übernimmt ein Bypass am Herzen. „Sind die Herzkranzarterien verengt, werden Blutleiter in anderen Körperregionen – Arterien oder Venen – entnommen und wie Umgehungsstraßen hinter den verengten Stellen mit den Herzkranzgefäßen verbunden“, erklärt Prof. Gummert. Sie transportieren dann das sauerstoffreiche Blut aus der Hauptschlagader (Aorta) hinter die Engstelle der Herzkranzarterie – damit der Herzmuskel wieder ausreichend mit Blut versorgt wird.

Wer erhält einen Stent und wer einen Bypass?

„Bypass und Stent haben eine gewisse Schnittmenge, sodass man einige Patientinnen und Patienten sowohl mit dem einen als auch mit dem anderen Verfahren behandeln kann“, erklärt der Herzchirurg. „Aber in der Regel gibt es eindeutige Empfehlungen, welches Verfahren angewendet werden sollte. Wenn die koronare Herzerkrankung sehr stark ausgeprägt ist, zeigen Studien, dass die Bypass-Versorgung das bessere Verfahren ist. Nach zehn Jahren ist das Überleben in dieser speziellen Gruppe viel besser als bei Menschen, die mit einem Stent versorgt worden sind.“ Anderen Patientinnen und Patienten kann man dagegen besser mit einem Stent helfen – also einer Gefäßstütze, die das Blutgefäß weitet. Die Wahl des Verfahrens hängt unter anderem vom Ausmaß der koronaren Herzerkrankung und dem Gesundheitszustand des Betroffenen ab.

Wer entscheidet, ob ein Stent oder ein Bypass eingesetzt wird?

Es gibt viele Studien, in denen die Frage untersucht wurde, welches Verfahren für welche Patientinnen und Patienten am besten ist. Die Ergebnisse der Studien wurden in internationalen Richtlinien zusammengefasst, die immer wieder aktualisiert werden. „In eindeutigen Situationen sollten sich die Ärztinnen und Ärzte an diese Richtlinien halten“, sagt Prof. Gummert. „Bei nicht eindeutigen Situationen sollte die Empfehlung von einem sogenannten Herzteam getroffen werden.“ Ein Herzteam besteht mindestens aus jeweils einer Ärztin oder einem Arzt aus der Kardiologie und der Herzchirurgie. Durch den Einsatz der Telemedizin können sogar Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Krankenhäusern zusammenarbeiten. „Dann konferiert das Herzteam über Video und schaut sich gemeinsam die Herzkatheterfilme an“, erklärt Prof. Gummert. Manchmal kommen auch andere Fachgebiete dazu – wenn weitere Erkrankungen vorliegen. „Und dann wird gemeinsam festgelegt: Welches Verfahren wollen wir dem Betroffenen anbieten?“, sagt der Herzchirurg. „Kann man mit guten Langzeitergebnissen einen Stent einsetzen oder hat der Patient schwere Begleiterkrankungen, die das Operationsrisiko erhöhen? Dann wäre ein Stent das richtige Verfahren. Andersherum dasselbe: Wäre mit einer Bypass-Versorgung ein besseres Langzeitergebnis zu erwarten, weil beispielsweise die Verengungen sehr ausgeprägt sind, sollte sich das Herzteam eher darauf einigen, eine Bypass-Versorgung zu empfehlen.“

Können Patientinnen und Patienten bei der Entscheidung mitreden?

„Unbedingt! Schließlich lebt der Betroffene mit dem Ergebnis der Behandlung“, sagt Prof. Gummert. „Daher sollte in schwierigen Fällen – wenn möglich – jeweils eine Kollegin oder ein Kollege aus der Herzchirurgie und aus der Kardiologie mit dem Herzkranken sprechen.“ Im Anschluss kann die gut informierte Patientin oder der gut informierte Patient die Entscheidung fällen. „Im Idealfall machen die beiden Disziplinen den Betroffenen gemeinsam einen Vorschlag, was sie für die beste Methode halten“, sagt der Herzchirurg.

Welche Patientinnen und Patienten sollten eher einen Bypass bekommen?

Verschiedene Studien zeigen: Zuckerkranke, die an einer schweren koronaren Herzerkrankung leiden, scheinen mit einem Bypass besser versorgt zu sein. Ebenso Patientinnen und Patienten, bei denen mehrere Gefäße betroffen sind und bei denen die Verengungen sehr stark ausgeprägt sind. „Da kann man nach zehn Jahren sehen: Die Überlebensrate dieser Betroffenen ist um circa acht bis zehn Prozent höher als bei Patientinnen und Patienten, die mit einem Stent versorgt worden sind“, sagt der Herzchirurg.

Wie verläuft eine Bypass-Operation?

Unter Narkose entnimmt das Operationsteam Blutleiter aus dem Brustkorb (Brustwandarterien), den Beinen oder aus dem Unterarm. „Im Unterarm sind die Arterien in der Regel doppelt angelegt – daher kann man die sogenannte Radialarterie entnehmen“, erklärt Prof. Gummert. „Dieser Blutleiter wird dann an den gesunden Teil der Koronararterie hinter der Verengung angeschlossen.“ In den meisten Fällen sind drei Bypässe notwendig. Die Dauer der Operation hängt von der Anzahl der notwendigen Bypässe ab – in der Regel sind zwei bis drei Stunden nötig.

Was sind die Risiken einer Bypass-Operation?

Es besteht ein geringes Risiko, während des Eingriffs einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden. „Wenn man an den Herzkranzarterien arbeitet, kann es leider passieren, dass sich in seltenen Fällen Kalkbrocken lösen – oder dass der Bypass sich aufgrund von Gerinnungsstörungen oder schlechter Wandbeschaffenheit der Herzkranzarterie verschließt“, erklärt der Herzchirurg. „Dieses Risiko besteht allerdings auch bei der Versorgung mit einem Stent.“ Ein Schlaganfall-Risiko besteht bei beiden Verfahren gleichermaßen.

Prof. Jan Gummert Prof. Jan Gummert, Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum. Bildquelle: Herz- und Diabeteszentrum NRW

Wird man während der Bypass-Operation an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen?

In vielen Kliniken wird die Bypass-Operation ohne Herz-Lungen-Maschine gemacht. „Die Stelle, an der das Bypass-Gefäß mit der Kranzarterie verbunden wird, wird dann vorübergehend mit einem Stabilisator ruhiggestellt. Für viele Patienten ist es ein emotionaler Vorteil, zu wissen: Das Herz schlägt normal weiter“, sagt Prof. Gummert. „Wenn der Patient einen akuten Infarkt erleidet oder die Pumpleistung des Herzens stark eingeschränkt ist, würde man ihn an die Herz-Lungen-Maschine anschließen.“ Deshalb steht ein solches Gerät im Operationssaal immer parat, ebenso die Kardiotechnikerin oder der Kardiotechniker, der diese Maschinen bedient. „Startet man eine Bypass-Operation ohne die Maschine, kommt sie allerdings nur sehr selten zum Einsatz. Das liegt im Bereich von unter einem Prozent der Eingriffe“, sagt der Herzchirurg.

Wie lange dauert es, sich von einer Bypass-Operation zu erholen?

Nach der Operation kommen die Patientinnen und Patienten zunächst zur Überwachung auf die Intensivstation. Aber schon am nächsten Tag werden sie in der Regel wieder auf die Normalstation verlegt, wo sie sechs bis sieben Tage bleiben. „Die Behandlung der Risikofaktoren ist nach der Operation ein wichtiges Thema“, sagt Prof. Gummert. „Auch deshalb empfehlen wir den Frischoperierten im Anschluss an ihren Krankenhausaufenthalt eine Reha.“

Wie lang hält ein Bypass?

Ein Bypass mit der Brustwandarterie ist in 90 Prozent der Fälle nach zehn Jahren noch funktionstüchtig. „Die Haltbarkeit hängt unter anderem davon ab, wie gut die Risikofaktoren der Patienten im Anschluss an die Operation behandelt werden“, sagt der Herzexperte. Beide Verfahren – Stent und Bypass – behandeln ja nicht die Grunderkrankung, also die koronare Herzerkrankung. Das bedeutet für die Zeit nach der Operation: Der Blutdruck muss gut eingestellt, Fettstoffwechselstörungen müssen behandelt sein, Stress sollte möglichst vermieden werden, außerdem sollten die Herzkranken Sport treiben. „Diese Sekundärprophylaxe ist wichtig, damit Stent und Bypass möglichst lange halten. Wenn an anderer Stelle im Herzkranzsystem erneut eine Verengung auftritt, liegt das nicht an einem fehlerhaften Bypass oder Stent, sondern am Fortschreiten der koronaren Herzerkrankung.“

Wie leistungsfähig sind Patientinnen und Patienten nach einer Bypass-Operation?

„Wenn die Patientin oder der Patient schon sehr viele Herzinfarkte hatte, die Herzleistung sehr eingeschränkt ist, dann erreicht man auch nach dem Eingriff nur die Herzleistung, die mit den verbliebenen Herzmuskelzellen möglich ist“, sagt Prof. Gummert. „Aber grundsätzlich ist das Ziel der Bypass-Operation, dass man anschließend wieder vollständig belastbar ist und alles machen kann, worauf man Lust hat.“

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