Welche Rolle spielt ein hoher Cholesterinspiegel bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen?
„Die Wissenschaft hat über viele Jahre aussagekräftige Daten gesammelt. Die Bedeutung des Cholesterinspiegels für die Herzgesundheit ist groß, denn zu viel Cholesterin im Blut ist für Gefäßverkalkung, medizinisch Atherosklerose, verantwortlich“, erklärt Prof. Ulrich Laufs vom Universitätsklinikum Leipzig. „Und wie stark die schädigende Wirkung auf die Gefäßinnenhaut ist, richtet sich nicht nur nach der Höhe des Cholesterinwerts, sondern auch nach der Dauer, die der Körper dem Übermaß an Cholesterin im Blut ausgesetzt ist.“
Aufgrund von Gefäßverkalkung können sich im Laufe der Zeit Arterien verschließen. In den Herzkranzgefäßen kann das zu einem Herzinfarkt, in den Halsgefäßen zu einem Schlaganfall führen. Die positive Nachricht: Wenn man zu hohe Cholesterinwerte bei jungen Menschen mit Hypercholesterinämie (Fettstoffwechselstörung mit erhöhten Blutfettwerten) um 50 Prozent senken würde, könnte man etwa zwei Drittel aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern.
Welche Faktoren beeinflussen den Cholesterinspiegel im Körper?
Der Cholesterinspiegel wird zunächst durch die genetische Programmierung des Stoffwechsels beeinflusst. Das heißt: Erblich bedingte Vorerkrankungen sind das größte Risiko für hohes Cholesterin. Danach folgen die Lebensstil-Faktoren, die zwar nachgeordnet, aber trotzdem immens wichtig sind.
Es ist beispielsweise genetisch bedingt, also ererbt, wie viele Rezeptoren für das Lipoprotein LDL (Low Density Lipoprotein) ein Mensch hat und wie gut sie funktionieren. „Die Leber ist unser Stoffwechsel-Organ. Und die Leberzellen regulieren über die Rezeptoren, wie viel Cholesterin im Blut ist“, erklärt Prof. Laufs. Das LDL ist für den Transport des Cholesterins von der Leber zu den anderen Organen verantwortlich. Der LDL-Rezeptor sorgt dafür, dass LDL-Cholesterin aus dem Blut aufgenommen wird. Bei reduzierter Anzahl oder Funktion der Rezeptoren bleibt mehr LDL-Cholesterin im Blut und führt zu Gefäßverkalkungen.
Bei den Lebensstil-Faktoren gehören für den Experten an erster Stelle Nichtrauchen und an zweiter Stelle körperliche Aktivität zu den wichtigsten Maßnahmen. „Wir wollen erreichen, dass Menschen gesund alt werden“, erläutert Prof. Laufs. „Dass sie nach Möglichkeit keine Herzinfarkte bekommen, keine Schlaganfälle, keine Demenz. Unsere Gesundheit ist stark von unserer Gefäßfunktion abhängig. Und für dieses Ziel, so gesund wie möglich zu altern, ist der Lebensstil von herausragender Bedeutung.“
Zwar lassen sich die positiven Effekte des Lebensstils nicht am LDL-Cholesterin ablesen, so Laufs: „Das ist komplexer, durch die meisten Ernährungsveränderungen zum Beispiel geht das LDL-Cholesterin nicht runter.“ Trotzdem sind Nichtrauchen, Sport und eine ausgewogene Ernährung extrem wichtig, um die Gefäße gesund zu halten. Denn wenn mehrere negative Faktoren zusammenkommen, also beispielsweise ein Patient oder eine Patientin ein erhöhtes LDL hat, und es kommen die Inhaltsstoffe des Rauchens dazu, dann wird das LDL noch bösartiger. Die negativen Faktoren multiplizieren sich. Dasselbe gilt für den Bewegungsmangel.
Zu den Faktoren, die das Risiko für einen ungesunden Cholesterinspiegel erhöhen können, gehören:
- Rauchen, da es die schädigende Wirkung von LDL-Cholesterin im Blut auf die Gefäßwand verstärkt, was zu Gefäßschädigungen führt.
- Eine Ernährung mit vielen gesättigten Fetten (zum Beispiel aus tierischen Lebensmitteln wie Butter und Wurst) oder Transfetten (oft in Fertiggerichten), da sie zu ungesunden Cholesterinwerten beitragen kann.
- Bewegungsmangel erhöht das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen. Körperliche Aktivität hat zahlreiche positive Effekte und verbessert den Fett- und den Kohlenhydratstoffwechsel wirkungsvoll. Allerdings lassen sich diese positiven Effekte nicht an einer starken Senkung des LDL-Cholesterins ablesen.
- Adipositas. Bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 oder mehr steigt das Risiko für Diabetes mellitus und ungünstige Cholesterine.
- Das Alter ist ebenfalls ein Faktor, denn je älter Menschen werden, desto langsamer ist der Stoffwechsel (Metabolismus) und damit auch der Abbau des LDL-Cholesterins.
„Wir müssen das Risiko eines Menschen ganzheitlich betrachten“, sagt Prof. Laufs. „Die aufgeführten Faktoren sind wichtig und spielen für gesunde Gefäße und damit für die Herzgesundheit eine große Rolle. Aber ebenso wichtig ist die Familiengeschichte, ob es Herzkrankheiten in der Familie gegeben hat oder bereits in jungen Jahren erhöhte Blutfettwerte.“ Wenn schlanke Nichtraucher trotz viel Bewegung und gesunder Ernährung dauerhaft zu hohe Cholesterinwerte haben, kann beispielsweise eine sogenannte familiäre Hypercholesterinämie vorliegen. Sie gehört in Deutschland zu den häufigsten genetischen Stoffwechselerkrankungen, etwa einer von 250 Menschen ist davon betroffen.
Lässt sich der Cholesterinspiegel durch Lebensmittel beeinflussen?
Zunächst ist es wichtig für Herz und Gefäße, dass die Kalorienzufuhr insgesamt in einem ausgeglichenen Verhältnis zum Kalorienverbrauch steht. „Mit anderen Worten“, so Prof. Laufs, „essen Sie nicht mehr, als Sie verbrauchen“. Sein Tipp Nummer Zwei: Selbst gekochtes Essen, das aus frischen, unverarbeiteten Zutaten besteht, ist immer besser als Essen, das viele Konservierungsstoffe und viel Salz enthält, wie etwa bei Fertigprodukten. Prof. Laufs Faustregel: „Möglichst viel Grünes auf den Teller!“
Die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga) empfiehlt:
- viel Gemüse, roh oder gedünstet,
- ballaststoffreiches Obst, zum Beispiel Äpfel,
- Vollkornprodukte, beispielsweise Vollkornbrot, Haferflocken und Haferkleie,
- selten gesättigte Fettsäuren (weniger tierisches Fett),
- wenig Trans-Fettsäuren, zum Beispiel aus Frittiertem und Blätterteig,
- pflanzliche Öle wie Oliven-, Lein-, Walnuss- und Rapsöl,
- ein bis zwei Portionen fettreicher Fisch pro Woche, zum Beispiel Makrele, Hering, Lachs, Thunfisch oder Sardine, um Omega-3-Fettsäuren aufzunehmen.
Dabei ist zu betonen, dass die Effekte der Ernährung auf den Cholesterinspiegel häufig überschätzt werden und vom Ausgangzustand abhängen. So führt zum Beispiel selbst eine vollständige und dauerhafte Umstellung auf rein vegetarische oder vegane Diät im Mittel nur zu einer Senkung des LDL-Cholesterins um zehn Prozent. Bei stark erhöhten Cholesterinwerten kann eine Diät nicht die Einnahme von Medikamenten ersetzen.