Wie lässt sich der Cholesterinspiegel senken?

Wer schon in jüngeren Jahren hohe Cholesterinwerte hat, entwickelt ein größeres Risiko, später einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Wie lässt sich vorbeugen und welche Lebensstilmaßnahmen sind wirklich wirksam, um das eigentlich lebenswichtige Cholesterin in gesunder Balance zu halten?

Von Silja Klassen

 

Bildquelle (Bild oben): iStock / Lordn

Der Naturstoff Cholesterin wird von der Leber und auch von den meisten Zellen im Körper hergestellt. Die fettähnliche Substanz dient unter anderem als eine Art Baumaterial der Zellen und trägt zur Bildung vieler Hormone und des Vitamin D bei. Es wird im Blut durch kleine Boten, die Lipoproteine, transportiert. Ohne Cholesterin funktioniert der Körper nicht. Zu viel Cholesterin aber, das ist unumstritten, lagert sich an den Blutgefäßen ab und steigert dadurch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Welche Rolle spielt ein hoher Cholesterinspiegel bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen?

„Die Wissenschaft hat über viele Jahre aussagekräftige Daten gesammelt. Die Bedeutung des Cholesterinspiegels für die Herzgesundheit ist groß, denn zu viel Cholesterin im Blut ist für Gefäßverkalkung, medizinisch Atherosklerose, verantwortlich“, erklärt Prof. Ulrich Laufs vom Universitätsklinikum Leipzig. „Und wie stark die schädigende Wirkung auf die Gefäßinnenhaut ist, richtet sich nicht nur nach der Höhe des Cholesterinwerts, sondern auch nach der Dauer, die der Körper dem Übermaß an Cholesterin im Blut ausgesetzt ist.“

 

Aufgrund von Gefäßverkalkung können sich im Laufe der Zeit Arterien verschließen. In den Herzkranzgefäßen kann das zu einem Herzinfarkt, in den Halsgefäßen zu einem Schlaganfall führen. Die positive Nachricht: Wenn man zu hohe Cholesterinwerte bei jungen Menschen mit Hypercholesterinämie (Fettstoffwechselstörung mit erhöhten Blutfettwerten) um 50 Prozent senken würde, könnte man etwa zwei Drittel aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern.

 

Welche Faktoren beeinflussen den Cholesterinspiegel im Körper?

Der Cholesterinspiegel wird zunächst durch die genetische Programmierung des Stoffwechsels beeinflusst. Das heißt: Erblich bedingte Vorerkrankungen sind das größte Risiko für hohes Cholesterin. Danach folgen die Lebensstil-Faktoren, die zwar nachgeordnet, aber trotzdem immens wichtig sind.

 

Es ist beispielsweise genetisch bedingt, also ererbt, wie viele Rezeptoren für das Lipoprotein LDL (Low Density Lipoprotein) ein Mensch hat und wie gut sie funktionieren. „Die Leber ist unser Stoffwechsel-Organ. Und die Leberzellen regulieren über die Rezeptoren, wie viel Cholesterin im Blut ist“, erklärt Prof. Laufs. Das LDL ist für den Transport des Cholesterins von der Leber zu den anderen Organen verantwortlich. Der LDL-Rezeptor sorgt dafür, dass LDL-Cholesterin aus dem Blut aufgenommen wird. Bei reduzierter Anzahl oder Funktion der Rezeptoren bleibt mehr LDL-Cholesterin im Blut und führt zu Gefäßverkalkungen.

 

Bei den Lebensstil-Faktoren gehören für den Experten an erster Stelle Nichtrauchen und an zweiter Stelle körperliche Aktivität zu den wichtigsten Maßnahmen. „Wir wollen erreichen, dass Menschen gesund alt werden“, erläutert Prof. Laufs. „Dass sie nach Möglichkeit keine Herzinfarkte bekommen, keine Schlaganfälle, keine Demenz. Unsere Gesundheit ist stark von unserer Gefäßfunktion abhängig. Und für dieses Ziel, so gesund wie möglich zu altern, ist der Lebensstil von herausragender Bedeutung.“

 

Zwar lassen sich die positiven Effekte des Lebensstils nicht am LDL-Cholesterin ablesen, so Laufs: „Das ist komplexer, durch die meisten Ernährungsveränderungen zum Beispiel geht das LDL-Cholesterin nicht runter.“ Trotzdem sind Nichtrauchen, Sport und eine ausgewogene Ernährung extrem wichtig, um die Gefäße gesund zu halten. Denn wenn mehrere negative Faktoren zusammenkommen, also beispielsweise ein Patient oder eine Patientin ein erhöhtes LDL hat, und es kommen die Inhaltsstoffe des Rauchens dazu, dann wird das LDL noch bösartiger. Die negativen Faktoren multiplizieren sich. Dasselbe gilt für den Bewegungsmangel.

 

Zu den Faktoren, die das Risiko für einen ungesunden Cholesterinspiegel erhöhen können, gehören:

 

  • Rauchen, da es die schädigende Wirkung von LDL-Cholesterin im Blut auf die Gefäßwand verstärkt, was zu Gefäßschädigungen führt.
  • Eine Ernährung mit vielen gesättigten Fetten (zum Beispiel aus tierischen Lebensmitteln wie Butter und Wurst) oder Transfetten (oft in Fertiggerichten), da sie zu ungesunden Cholesterinwerten beitragen kann.
  • Bewegungsmangel erhöht das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen. Körperliche Aktivität hat zahlreiche positive Effekte und verbessert den Fett- und den Kohlenhydratstoffwechsel wirkungsvoll. Allerdings lassen sich diese positiven Effekte nicht an einer starken Senkung des LDL-Cholesterins ablesen.
  • Adipositas. Bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 oder mehr steigt das Risiko für Diabetes mellitus und ungünstige Cholesterine.
  • Das Alter ist ebenfalls ein Faktor, denn je älter Menschen werden, desto langsamer ist der Stoffwechsel (Metabolismus) und damit auch der Abbau des LDL-Cholesterins.

 

„Wir müssen das Risiko eines Menschen ganzheitlich betrachten“, sagt Prof. Laufs. „Die aufgeführten Faktoren sind wichtig und spielen für gesunde Gefäße und damit für die Herzgesundheit eine große Rolle. Aber ebenso wichtig ist die Familiengeschichte, ob es Herzkrankheiten in der Familie gegeben hat oder bereits in jungen Jahren erhöhte Blutfettwerte.“ Wenn schlanke Nichtraucher trotz viel Bewegung und gesunder Ernährung dauerhaft zu hohe Cholesterinwerte haben, kann beispielsweise eine sogenannte familiäre Hypercholesterinämie vorliegen. Sie gehört in Deutschland zu den häufigsten genetischen Stoffwechselerkrankungen, etwa einer von 250 Menschen ist davon betroffen.

 

Lässt sich der Cholesterinspiegel durch Lebensmittel beeinflussen?

Zunächst ist es wichtig für Herz und Gefäße, dass die Kalorienzufuhr insgesamt in einem ausgeglichenen Verhältnis zum Kalorienverbrauch steht. „Mit anderen Worten“, so Prof. Laufs, „essen Sie nicht mehr, als Sie verbrauchen“. Sein Tipp Nummer Zwei: Selbst gekochtes Essen, das aus frischen, unverarbeiteten Zutaten besteht, ist immer besser als Essen, das viele Konservierungsstoffe und viel Salz enthält, wie etwa bei Fertigprodukten. Prof. Laufs Faustregel: „Möglichst viel Grünes auf den Teller!“

 

Die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga) empfiehlt:

 

  • viel Gemüse, roh oder gedünstet,
  • ballaststoffreiches Obst, zum Beispiel Äpfel,
  • Vollkornprodukte, beispielsweise Vollkornbrot, Haferflocken und Haferkleie,
  • selten gesättigte Fettsäuren (weniger tierisches Fett),
  • wenig Trans-Fettsäuren, zum Beispiel aus Frittiertem und Blätterteig,
  • pflanzliche Öle wie Oliven-, Lein-, Walnuss- und Rapsöl,
  • ein bis zwei Portionen fettreicher Fisch pro Woche, zum Beispiel Makrele, Hering, Lachs, Thunfisch oder Sardine, um Omega-3-Fettsäuren aufzunehmen.

 

Dabei ist zu betonen, dass die Effekte der Ernährung auf den Cholesterinspiegel häufig überschätzt werden und vom Ausgangzustand abhängen. So führt zum Beispiel selbst eine vollständige und dauerhafte Umstellung auf rein vegetarische oder vegane Diät im Mittel nur zu einer Senkung des LDL-Cholesterins um zehn Prozent. Bei stark erhöhten Cholesterinwerten kann eine Diät nicht die Einnahme von Medikamenten ersetzen.

Prof. Ulrich Laufs Univ.-Prof. Dr. Ulrich Laufs ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin. Bildquelle: Universitätsklinikum Leipzig

Kann Bewegung zur Senkung des Cholesterinwerts beitragen?

Grundsätzlich gilt: Je mehr Bewegung, desto besser. Die Weltgesundheitsorganisation WHO rät in den aktuellen Empfehlungen (2021) dazu, wöchentlich mindestens 150 bis 300 Minuten aktiv in Bewegung zu sein. Täglich 10.000 Schritte zu gehen ist gut, aber wenn man dabei nicht außer Atem kommt und der Herzschlag nicht ansteigt, sollte man mehr tun. „Andererseits darf man aber nicht die Erwartung haben oder wecken, dass dadurch die Menge des LDL-Cholesterins signifikant runtergeht“, sagt Prof. Laufs. „Durch Sport kann man maximal zehn Prozent erreichen. Trotzdem ist der Sport wichtig, um die Gefäße gesund zu halten, und Bewegung hat viele andere positive Gesundheitseffekte, die noch obendrauf kommen.“

 

Wann sollten Medikamente genommen werden, um den Cholesterinspiegel zu senken?

Ärztinnen und Ärzte berechnen das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung anhand der Krankengeschichte und dem Lebensstil. Ziel ist es, das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall über die nächsten zehn Jahre einzuschätzen. Wenn der Wert über fünf Prozent liegt, wird in der Regel ein Medikament zur Cholesterinsenkung empfohlen. „Diejenigen, die das größte Risiko haben, profitieren am meisten von einer Cholesterinsenkung“, so Prof. Laufs.

 

Außerdem richtet sich die Entscheidung für eine Medikation nach der anfänglichen Höhe des Cholesterinspiegels: Je höher der Cholesterinwert ist, desto eher entstehen Plaques und desto mehr profitieren Patientinnen und Patienten zum Beispiel von Statinen. Prof. Laufs: „Je frühzeitiger wir handeln, desto besser können die Gefäße gesund erhalten werden. Bei Patienten und Patientinnen mit nur wenig erhöhtem Cholesterin oder bei sehr betagten Menschen, ist eine individualisierte Abwägung erforderlich. Auch wenn man alle Gesundheitsrisiken betrachtet: Es gibt wenig, was für den individuell Betroffenen und das Gesundheitssystem insgesamt wirksamer wäre als die Cholesterinsenkung und die Blutdruckeinstellung insgesamt.“

 

Lässt sich der Cholesterinspiegel durch Nahrungsergänzungsmittel senken?

Als Alternative zu Statinen greifen viele Menschen zu rezeptfreien Nahrungsergänzungsmitteln wie Pflanzenstanolen und -sterolen (auch Phytosterole genannt), rotem Reis, Niacin (ein B-Vitamin) oder zu Fischölen mit Omega-3-Fettsäuren. Prof. Laufs gibt zu bedenken: „Es gibt keinen Beleg für positive Gesundheitseffekte. Weiterhin muss bei Nahrungsergänzungsmitteln im Unterschied zu Arzneimitteln der Inhalt nur zu 50 Prozent aus dem gewünschten Wirkstoff bestehen. Es wird zudem nicht kontrolliert, was sonst noch Bestandteil des Mittels ist. Also sind Reinheit und Sicherheit nicht ausreichend gewährleistet.“

 

Wie wichtig ist Vorsorge, um einen zu hohen Cholesterinwert zu verhindern?

Wenn es um Cholesterin geht, ist es wichtig, die eigenen Werte zu kennen. Wenn das Blut zu viele Fette (Lipide) wie Cholesterin und Triglyceride enthält, steigt das Risiko einer Herz-Kreislauf-Krankheit. Prof. Laufs motiviert zur Prävention mit einem Vergleich: „Es ist ja für uns auch selbstverständlich, dass wir mithilfe von chemischen Mitteln, die wir in den Mund nehmen – also Zahnpasta – einen gesunden Zahn putzen, damit er gesund bleibt. Denn wenn wir erst einmal Karies haben, kann das nicht mehr weggeputzt werden. Dann ist die Chance der Prävention verspielt.“ Das Gleiche gilt für die Gefäße. Jeder kann dazu beitragen, dass seine Blutgefäße gesund bleiben, indem die bekannten Risikofaktoren vermieden werden. So lässt sich einer Verengung der Gefäße durch Verkalkungen vorbeugen. „Notfalls haben wir bei großen Engstellen zwar Behandlungsmöglichkeiten“, sagt Prof. Laufs. „Wir können dann Stents einsetzen. Doch die ursächliche Verkalkung können wir nicht rückgängig machen. Dann ist die Chance der Prävention an dieser Stelle vorbei.“

 

Warum sind dennoch viele Menschen skeptisch, was Medikamente wie Statine zur Behandlung angeht? Prof. Laufs sieht den Grund dafür unter anderem darin, dass es „uns Menschen schwerfällt, Risiken abzuwägen“. In anderen Lebensbereichen wären wir niemals bereit, auch nur Bruchteile eines solchen Risikos in Kauf zu nehmen: „Wir schnallen uns im Auto an. Wir haben Leitplanken an den Autobahnen, Brandschutz-Richtlinien. Das ist alles sehr vernünftig. Doch wenn es um die Risiken geht, die wir unserem Körper häufig aussetzen, werden diese als viel zu gering eingeschätzt. Ob hoher Blutdruck oder zu hohes Cholesterin im Blut.“

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