Behandlung auf der Intensivstation – das sollten Angehörige wissen

Auf der Intensivstation werden Patienten und Patientinnen behandelt, die unter einer starken Gefährdung lebenswichtiger Funktionen leiden. Häufig ist ein plötzliches Ereignis der Grund für die Behandlung, weshalb der Aufenthalt auf der Intensivstation bei Angehörigen oft Unsicherheit, Ängste und Stress auslöst. Was Sie als Angehöriger über den Aufenthalt auf der Intensivstation wissen sollten. 

Von Jana Kolbe

 

06.12.2023


Bildquelle (Bild oben): iStock/Jacob Wackerhausen

Was erwartet Angehörige auf der Intensivstation?

Im Jahr 2022 wurden in deutschen Kliniken etwa 1,53 Millionen Menschen auf einer Intensivstation versorgt. Oft ist eine plötzlich auftretende schwere Erkrankung, ein Unfall oder eine Verschlechterung einer bestehenden Erkrankung der Grund für den Aufenthalt. „Patienten und Patientinnen, die auf einer Intensivstation behandelt werden, sind in einem kritischen Zustand. Für die Angehörigen bedeutet das häufig, dass sie Ängsten und Ungewissheit ausgesetzt sind“, sagt Prof. Lars Maier, Direktor der Kardiologie am Uniklinikum Regensburg. Er plädiert jedoch dafür: „Die Angehörigen sollten dem Patienten oder der Patientin beistehen und sie in der Klinik besuchen. Es ist erwiesen, dass Besuche oft förderlich für die Genesung sind.“

 

Dabei sollten sich Angehörige nicht von Geräuschen, lebenserhaltenden Maschinen oder der Stimmung auf der Station abschrecken lassen. „Wenn Sie Fragen haben, dann können Sie sich immer an Ärztinnen, Ärzte oder Pflege wenden“, sagt der Klinikdirektor. Auch eine psychosoziale Betreuung ist für die Angehörigen möglich.

Prof. Lars Maier Prof. Dr. Lars Maier ist Direktor der Kardiologie am Uniklinikum Regensburg. Bildquelle: UKR

Wie verlaufen die ersten Stunden auf der Intensivstation?

Häufig ist ein plötzliches Ereignis die Ursache für die Behandlung auf der Intensivstation. „Für Angehörige sind die ersten Stunden häufig schwer, da oft unklar ist, wie es mit dem Patienten oder der Patientin weitergeht oder ob eine akute Lebensbedrohung vorliegt“, sagt Dr. Roland Schneckenpointner, Funktionsoberarzt und Facharzt für Innere Medizin und Intensivmedizin an der Uniklinik Regensburg. „Das ganze Team aus Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften ist in einem akuten Notfall vorrangig damit beschäftigt, den Patienten oder die Patientin zu versorgen. Deshalb kann es auch mal etwas länger dauern, bis die Angehörigen über den aktuellen Zustand informiert werden. Diese Ungewissheit löst großen Stress aus. Dennoch können wir nur um Verständnis und Geduld bitten, da Ärzte und Ärztinnen erst nach diversen Untersuchungen und Einleitung von Therapiemaßnahmen eine erste Prognose über den weiteren Verlauf abgeben können.“ Tipp: Versuchen Sie ruhig zu bleiben. Bringen Sie Zeit und Geduld mit. Jeder aus dem Intensivteam weiß, was Ihnen als Angehörige in diesem Augenblick abverlangt wird.

 

Dürfen Angehörige auf der Intensivstation täglich besucht werden?

In der Regel dürfen Angehörige auf der Intensivstation täglich besucht werden. „Jede Intensivstation hat vorgegebene Besuchszeiten. In besonders kritischen Fällen versuchen Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte auch Besuche außerhalb dieser Zeiten möglich zu machen“, erklärt Prof. Lars Maier. „Gerade bei Personen, die zum Beispiel nach einer künstlichen Beatmung langsam wieder wach werden, können die Angehörigen die Pflegekräfte durch Besuche entlasten und dazu beitragen, dass der Patient oder die Patientin entspannt und angstfrei bleibt“, ergänzt Dr. Roland Schneckenpointner. 

Dr. Roland Schneckenpointner Dr. Roland Schneckenpointner ist Funktionsoberarzt und Facharzt für Innere Medizin und Intensivmedizin an der Uniklinik Regensburg. Bildquelle: UKR

Gibt es Verhaltensregeln für den Besuch auf der Intensivstation?

In jeder Klinik gibt es eigene Hausregeln, die von den Angehörigen einer Patientin oder eines Patienten befolgt werden sollten. Weitere Tipps für das richtige Verhalten auf der Intensivstation:

 

  • Vor und nach dem Betreten der Station die Hände desinfizieren.
  • Bei Infektionskrankheiten (zum Beispiel Erkältung oder Grippe) nur nach Absprache mit dem Personal die Station besuchen.
  • Bevor Sie den Patienten oder die Patientin versorgen, halten Sie Rücksprache mit den Pflegekräften. Wird zum Beispiel der Wunsch geäußert etwas zu trinken, kann es medizinische Gründe haben, weshalb vorerst darauf verzichtet werden sollte. Besser: Erst bei der Pflege nachfragen, statt eigenmächtig zu handeln.
  • Besuchszeiten aufteilen. In der Regel sollten maximal zwei Angehörige gleichzeitig vor Ort sein.
  • Informationen weitertragen – bestenfalls gibt es einen oder zwei Ansprechpartner für Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte, von denen die Informationen an andere Angehörige weitergeleitet werden.
  • Bei Untersuchungen oder pflegerischen Maßnahmen den Raum verlassen.

 

Was können Angehörige tun, um Patientinnen und Patienten zu helfen?

„Für den Patienten oder die Patientin ist es wichtig, wenn er oder sie in der Situation Beistand von den Angehörigen bekommt. Auch, wenn die Betroffenen nicht ansprechbar sind, kann es helfen, wenn die Angehörigen mit ihnen reden, ihnen aus einem Lieblingsbuch vorlesen oder ihnen ihre Lieblingsmusik vorspielen“, sagt Dr. Schneckenpointner.

 

Sobald ein Patient oder eine Patientin wach ist, ist es wichtig, sie zu beruhigen. Deshalb rät Prof. Lars Maier: „In dieser Situation sollte Rücksicht auf die betroffene Person genommen werden. Deshalb sollten Stress oder Streitgespräche vermieden werden. Auch weitere stressige Ereignisse im Alltag, zum Beispiel ein Wasserrohrbruch, sollten in dieser Zeit nicht unbedingt thematisiert werden.“

 

Gerade bei Menschen, die eine längere Zeit im umgangssprachlich sogenannten künstlichen Koma verbracht haben, kann es sein, dass die Patienten oder Patientinnen nach dem Aufwachen desorientiert sind, in ein Delir (akute Verwirrtheit) verfallen, der Tag-Nacht-Rhythmus aus dem Gleichgewicht geraten ist oder Halluzinationen entstehen. „In so einem Fall sollten die Angehörigen beruhigend auf die Person einwirken und darauf achten, dass sie nicht versucht aufzustehen oder in Ängste verfällt“, betont Dr. Schneckenpointner.

 

Was nehmen Patientinnen und Patienten von der Intensivstation wahr?

Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation, die nicht ansprechbar sind, erinnern sich nach dem Aufenthalt teilweise an die Ereignisse. Intensivmediziner Dr. Schneckenpointner erklärt: „Einige berichten, dass sie zum Beispiel Geräusche oder Gespräche mitbekommen haben. Das ist jedoch nicht immer so. Grundsätzlich bin ich jedoch davon überzeugt, dass es hilfreich ist, wenn man viel mit dem Betroffenen spricht, damit er die gewohnte Stimme hört.“

 

Wann werden Angehörige auf eine mögliche Organspende angesprochen?

In Deutschland gilt für eine Organspende die sogenannte Entscheidungsregelung. Das heißt: Ein Mensch muss sich zu Lebzeiten aktiv für oder gegen die Organspende entschieden haben. Nur wenn die Einwilligung zur Organspende vorliegt und der irreversible Hirnfunktionsausfall, umgangssprachlich auch Hirntod genannt, diagnostiziert wird, können Organe zur Spende freigegeben werden.

 

„Bei schweren Hirnschädigungen zeichnet sich oft ab, dass es zu einem irreversiblen Hirnfunktionsausfall kommen kann. In solchen Fällen kommen Ärztinnen, Ärzte und Personal oft frühzeitig auf die Angehörigen zu, um den Willen des Patienten oder der Patientin zu erfragen“, erklärt Dr. Schneckenpointner. Wurde der Wille nicht dokumentiert, sind die nächsten Angehörigen dazu angewiesen, im Willen der Person zu entscheiden. „Diese Entscheidung zu treffen ist schwer. Durch die Entscheidungsregelung haben wir in Deutschland jedoch große Probleme bei der Versorgung mit Spenderorganen. Deshalb können wir die Angehörigen nur bitten, im Sinne des Patienten oder der Patientin zu handeln. Wurde kein Wille geäußert, würde ich mir wünschen, dass die Angehörigen in dieser schweren Zeit dennoch daran denken, wieviel Gutes sie in dieser Situation tun können, wenn sie der Organspende zustimmen“, sagt Prof. Lars Maier.

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