Das passiert auf der kardiologischen Intermediate-Care-Station

Die kardiologische Intermediate-Care-Station – kurz IMC – ist das Bindeglied zwischen einer Normal- und einer Intensivstation. Hier werden Patientinnen und Patienten mit akuten Herzproblemen überwacht, bis die Gefahr bösartiger Herzrhythmusstörungen oder anderer lebensbedrohlicher Komplikationen gebannt ist. 

Von Kerstin Kropac

 

07.11.2023

 

Bildquelle (Bild oben): iStock/ Caiaimage/Sam Edwards

Ständig ertönt ein Alarm. Menschen und Monitore werden rund um die Uhr aufmerksam beobachtet. Für Simon Bramer, Stellvertretende Zentrumsleitung der kardiologischen Intermediate-Care-Station im Helios Klinikum Berlin-Buch, ist das der perfekte Job in der Pflege. Im Gespräch erklärt er die Aufgaben auf einer Intermediate-Care-Station (IMC), wie sich die Abteilung von der Intensivstation unterscheidet und wie er die Patientinnen und Patienten auf der IMC erlebt.

 

Haben Sie nach Feierabend noch das Piepen der Überwachungsgeräte im Kopf?

Eine Überwachungsstation ist kein ruhiger Ort – das ist leider so. Unsere zwölf Betten sind alle monitorüberwacht. Da kommt es manchmal zu überlappenden Alarmen. Zum Beispiel, wenn irgendwo eine Sauerstoffüberwachung vom Finger rutscht – wir haben Sensoren, mit denen wir über die Finger die Sauerstoffsättigung messen. Dann ertönt ein Gong. Eventuell gibt es aber gleichzeitig in einem anderen Zimmer einen Asystolie-Alarm, weil der Herzschlag ausgesetzt hat. Dieser Ton ist dann viel intensiver. In einem Möbelhaus gab es einmal ein Telefon, das genau diesen Klingelton hatte. Da hatte ich gleich den Impuls: Rettungs-Rucksack schnappen und reanimieren! Darauf bin ich offenbar konditioniert. Aber es ist nicht so, dass mich irgendein Überwachungston zu Hause im Schlaf verfolgt.

 

Welche Patientinnen und Patienten werden auf einer Intermediate-Care-Station behandelt?

Die kardiologische IMC ist eine Behandlungsstufe, die den Intensivbereich entlastet. Wir übernehmen zum Beispiel Herzkranke, die gerade einen minimalinvasiven Eingriff im Katheterlabor hinter sich haben – wie die Öffnung eines Herzkranzgefäßes nach einem Herzinfarkt. Auch Menschen mit Herzschwäche, deren Zustand sich plötzlich verschlechtert hat, kommen zu uns. Oder Patientinnen und Patienten mit einer Angina Pectoris, dieser Brustenge, die man spürt, wenn das Herz nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Andere haben eine Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündung. Die meisten bleiben 24 bis 48 Stunden am Monitor – dann können sie auf die Normalstation ohne Überwachung verlegt werden. Oder ihr Zustand verschlechtert sich und sie müssen doch noch auf die Intensivstation.

 

Was genau ist der Unterschied zur Intensivstation?

Auf der Intensivstation werden Menschen behandelt, bei denen lebenswichtige Körperfunktionen gestört sind. Die Betroffenen können zum Beispiel nicht selbständig atmen. Deshalb werden sie auf der Intensivstation in Narkose gelegt und an eine Beatmungsmaschine angeschlossen. Um bei dem Atem-Beispiel zu bleiben: Die Herzkranken auf unserer Station leiden zwar auch unter Luftnot, aber bei ihnen reicht eine Sauerstoffmaske, die sie bei der Atmung unterstützt. Sie sind stabiler.

 

Wie intensiv werden die Herzkranken auf einer IMC überwacht?

Wir überwachen permanent die sogenannten Vitalparameter: Herz- und Atemfrequenz, Körpertemperatur, Sauerstoffsättigung und den Blutdruck. Der kann – je nach Befund – zwischendurch mit einer Manschette gemessen werden. Einige haben aber auch eine Kanüle in der Arterie, sodass die Blutdruckwerte permanent kontrolliert werden. Bei einer Herzschwäche gibt es zum Beispiel Medikamente, die den Herzschlag beschleunigen. Die können die Pumpfunktion des Herzens verbessern, stellen aber gleichzeitig die Peripherie, also die Gefäße eng. Das kann zu einer Erhöhung des Blutdrucks führen. Sobald ein gewisser Wert überschritten wird, gibt es einen Alarm. Ein zu hoher Blutdruck könnte ein lebensbedrohliches Lungenödem verursachen. Aber auch ein Blutdruckabfall kann gefährlich werden. Deshalb bedarf es einer kontinuierlichen Überwachung. Wir haben mit komplexen Krankheitsbildern zu tun, bei denen wir die Medikation feinfühlig anpassen müssen.

 

Wie stark belastet es Sie, mit schwer Herzkranken zu arbeiten?

Ich habe auf einer Intensivstation gelernt – und bin froh, dass ich auf der IMC weiterhin mit der Überwachung, der ganzen Technik und Notfallmedizin zu tun habe. Auch hier können wir Betroffenen in Akutsituationen sehr schnell und effektiv helfen. Wenn ich einer Patientin oder einem Patienten zum Beispiel Sauerstoff über die Maske gebe, um die Atmung zu verbessern, sehe ich sofort, dass die Sauerstoffsättigung steigt. Das Wohlbefinden verbessert sich. Die blauen Lippen werden rosa. Wir haben so viele Möglichkeiten, etwas zu tun …

 

Wie schnell geht es den Patientinnen und Patienten nach einem Herzinfarkt wieder gut?

Der primäre Schmerz, das Angstgefühl und die Enge sind nach dem Öffnen des Gefäßes meist verschwunden. Wenn die Betroffenen zu uns auf die Station kommen, geht es ihnen körperlich also schon wieder viel besser. Ihr Wohlbefinden hängt von vielen Faktoren ab: Mussten die Betroffenen reanimiert werden? Wurden bei der Wiederbelebung Rippen gebrochen? Schmerzt die Stelle in der Leiste, über die der Katheter eingeführt wurde? Wird der Druckverband als unangenehm empfunden? Manche reagieren genervt, weil sie auf dem Rücken liegen müssen. Andere haben einen ausgeprägten Gesprächsbedarf und wollen ganz genau verstehen, was passiert ist: Was bedeutet das für ihre Zukunft? Einige sind froh, mit dem Leben davongekommen zu sein und tragen das erst einmal mit sich selbst aus. Da reagiert jeder anders.

Simon Bramer. Simon Bramer, Stellv. Zentrumsleitung der kardiologischen IMC im Helios Klinikum Berlin-Buch. Bildquelle: Helios Klinikum Berlin-Buch

Gibt es Menschen, die ein schwerwiegendes Ereignis wie einen Herzinfarkt unbeeindruckt lässt?

Es gibt Leute, da denkt man: „Dass die jetzt gerade dem Tod von der Schippe gesprungen sind, merkt man ihnen überhaupt nicht an.“ Das sind beispielsweise Selbständige, die vielleicht sogar auf der Arbeit umgekippt sind und diverse Termine haben. Denen fehlt manchmal die Geduld. Die fragen: „Wann kann ich endlich aufstehen?“ Da müssen wir erst einmal das Verständnis herstellen: „Sie müssen jetzt leider im Bett liegen, weil der Druckverband noch ein paar Stunden in der Leiste bleiben muss. Außerdem bekommen Sie ein Medikament zur Blutverdünnung. Da gilt strikte Bettruhe.“ Und einige fragen auch gleich nach einer Zigarette.

 

Warum fällt es Herzkranken oft so schwer, mit dem Rauchen aufzuhören?

Das Rauchen erhöht das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen. Deshalb versuchen wir, diesen Menschen vernünftig beizubringen, dass die Entstehung ihrer Erkrankung ein schleichender Prozess war, der wahrscheinlich durch das Rauchen begünstigt wurde. Häufig hören wir dann: „Helmut Schmidt hat auch geraucht und ist alt geworden. So schlimm kann das Rauchen gar nicht sein.“ Das ist ein Klassiker. Wir verstehen aber auch: Hinter dieser Forderung steht häufig eine Sucht. Vielen Menschen wäre es von der Willenskraft her gar nicht möglich, sofort aufzuhören. Dann versuchen wir, ein bisschen Unterstützung zu geben, indem wir fragen: „Wie viel haben sie denn geraucht?“ Mit einem Nikotinpflaster oder Medikamenten können wir das Suchtgefühl ein wenig dämpfen.

 

Was unterscheidet die Arbeit auf einer IMC von der auf einer Intensivstation?

Auf der Intensivstation erlebt man viel häufiger unschöne Momente – zum Beispiel den Verlust von Menschenleben. Je jünger ein Mensch ist, der verstirbt, desto schwieriger finde ich es. Das sind manchmal Hirnblutungen, Verkehrsunfälle, Krebserkrankungen. Und dann steht da die Familie, vielleicht mit kleinen Kindern – das ist eine ganz andere Belastung, als ich sie hier auf der IMC erlebe. Auch deshalb fühle ich mich hier sehr wohl. So kann ich durch meine intensivmedizinische Erfahrung Kollegen etwas beibringen und bin mittlerweile als stellvertretende Zentrumsleitung auch fürs Administrative zuständig, mache Dienstplanungen. Das sind alles Dinge, die mir Spaß machen.

 

Wie alt sind die Menschen, die auf einer IMC versorgt werden?

Die meisten Patientinnen und Patienten sind älter, über 60. Aber wir haben es zwischendurch auch immer mit Jüngeren zu tun. Ich bin jetzt 36. Und wenn hier jemand meines Jahrgangs mit einem Herzinfarkt liegt, dann denkt man schon auch selbst darüber nach, wie gesund man eigentlich lebt.

 

Verändert die Arbeit auf der IMC den eigenen Lebensstil?

Früher habe ich geraucht, jetzt gönne ich mir vielleicht mal am Wochenende eine Genusszigarette. Wie unsere Patientinnen und Patienten häufig sagen: „Die schönsten Dinge im Leben sind leider nicht immer am gesündesten.“ Ich denke, man sollte sich des Risikos bewusst sein und ein gutes Mittelmaß finden. Die Dosis macht das Gift. Durch die vielen unschönen Dinge, die ich im Laufe der Berufsjahre erlebt habe, weiß ich, wie vergänglich das Leben sein kann. Da möchte ich nicht auf alles verzichten. Und wenn ich mich über Kleinigkeiten im Alltag aufrege, besinne ich mich und sage: „Okay, es gibt viele Dinge im Leben, die könnten bedeutend schlimmer sein als das, was man gerade als nicht schön empfindet.“ Und dann versuche ich, mich nicht weiter aufzuregen.

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