Wann müssen Angehörige über die Organspende entscheiden?
Vielen Menschen fällt es schwer, sich zu Lebzeiten mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen. Dabei ist das gerade in Deutschland sehr wichtig, da hierzulande die sogenannte Entscheidungslösung gilt. Das heißt: Organe und Gewebe dürfen nach dem Tod nur entnommen werden, wenn die verstorbene Person eingewilligt hat. Wenn keine Entscheidung vorliegt, werden die nächsten Angehörigen (zum Beispiel Ehepartner, Eltern, Geschwister, volljährige Kinder oder Großeltern) um eine Entscheidung gebeten. „Das kann für die Angehörigen in der schweren Zeit eine zusätzliche Belastung sein. Deshalb ist es wichtig, sich im Laufe des Lebens mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen, um den Angehörigen diese zusätzliche Last zu ersparen“, sagt Dr. Roland Schneckenpointner, Funktionsoberarzt und Facharzt für Innere Medizin und Intensivmedizin an der Uniklinik Regensburg.
Wurde der Wille der verstorbenen Person nicht dokumentiert, sind die Angehörigen dazu angehalten, im Sinne der oder des Verstorbenen zu handeln. Das bedeutet: Auch wenn sie persönlich eine andere Einstellung zur Organspende haben, sollten sie dem Wunsch der verstorbenen Person nachkommen, soweit dieser Wunsch bekannt ist. Nur wenn der Wille unbekannt ist, sollten die Angehörigen die Entscheidung nach ihrem Ermessen und ihren Wertvorstellungen treffen.
Unter welchen Bedingungen kann ein Mensch Organspender werden?
Voraussetzung für eine Organspende ist, dass die gesamten Hirnfunktionen unumkehrbar ausgefallen sind. Dieser Zustand wird umgangssprachlich Hirntod und in der Fachsprache irreversibler Hirnfunktionsausfall (IHA) genannt.
„Der irreversible Hirnfunktionsausfall ist die Folge einer schweren Hirnschädigung, die zum Beispiel durch eine Hirnblutung, ein Schädel-Hirn-Trauma oder einen schweren Sauerstoffmangel im Rahmen eines Herz-Kreislauf-Stillstandes auftreten kann. In einem kleinen Zeitfenster ist es möglich, das Herz-Kreislauf-System mithilfe intensivmedizinischer Maßnahmen künstlich aufrechtzuerhalten, damit die Organe weiterhin durchblutet und transplantiert werden können“, erklärt Dr. Schneckenpointner.
Durch eine künstliche Beatmung werden die Organe der verstorbenen Person weiter mit Sauerstoff versorgt. Dadurch bleibt deren Funktionsfähigkeit erhalten und die Organe kommen für eine Spende infrage.
Wie wird der Hirntod einer Person festgestellt?
Per Gesetz ist genau festgelegt, dass vor einer Organspende der Hirntod des potenziellen Spenders oder der potenziellen Spenderin festgestellt werden muss. In diesem Fall ist die Funktionsfähigkeit des gesamten Gehirns unumkehrbar ausgefallen. „Das Herz-Kreislauf-System wird nur mithilfe intensivmedizinischer Maßnahmen künstlich aufrechterhalten. Im Umkehrschluss bedeutet das: Ohne künstliche Beatmung würde auf den Hirntod zeitnah der Herz-Kreislauf-Stillstand folgen“, betont Dr. Roland Schneckenpointner.
Es gibt eine klare Richtlinie, die das genaue Vorgehen der Hirntoddiagnostik festhält. Der Tod muss von zwei, in der Intensivmedizin erfahrenen Fachärztinnen beziehungsweise Fachärzten – darunter ein Neurologe oder eine Neurologin beziehungsweise ein Neurochirurg oder eine Neurochirurgin – unabhängig voneinander festgestellt werden. „Anhand eines Protokolls werden, nach Ausschluss aller anderen Ursachen für ein Koma, zum Beispiel Medikamente oder Gifte, durch beide Fachärzte klinische Symptome eines Hirnfunktionsausfalls untersucht. Unter anderem werden systematisch verschiedene Reflexe getestet, zum Beispiel der Schluckreflex oder der Lichtreflex der Pupillen. Treffen alle Kriterien zu, die für einen Hirnfunktionsausfall sprechen, wird, zum Nachweis der Irreversibilität, die Untersuchung, je nach der zugrundeliegenden Hirnschädigung entweder nach zwölf oder 72 Stunden noch einmal wiederholt. Alternativ kann beispielsweise mit einem EEG untersucht werden, ob noch Hirnströme vorliegen oder man weist mittels Kontrastmittel-CT nach, dass das Gehirn nicht mehr durchblutet wird“, sagt Dr. Schneckenpointner. Erst wenn alle Tests eindeutig einen irreversiblen Hirnfunktionsausfall belegen, wird der Hirntod und damit auch der Tod des Menschen festgestellt.
Können herzkranke Menschen Organe spenden?
Es gibt nur wenige medizinische Gründe, die gegen eine Organspende sprechen, wie zum Beispiel bestimmte Infektionen oder akute Krebserkrankungen. „Für den Erfolg einer Organtransplantation ist es wichtig, dass die transplantierten Organe gesund und funktionstüchtig sind. Häufig haben Menschen mit einer chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankung auch andere Gefäßschädigungen, weshalb immer im Einzelfall untersucht wird, ob die Organe für eine Transplantation infrage kommen“, erklärt Dr. Schneckenpointner. Je nach Erkrankung kann dann zum Beispiel eine Transplantation des Herzens oder anderer Organe ausgeschlossen werden.