Wirken die Entzündungsstoffe aus dem Fettgewebe auch auf andere Bereiche des Körpers?
„Die Entzündungsstoffe blockieren zum Beispiel die Insulinrezeptoren der Zellen“, sagt Prof. Halle. „Sie legen sich an die Rezeptoren und haften daran wie Klebstoff.“ Die Rezeptoren sorgen eigentlich dafür, dass die Zellen den Zucker aus dem Blut aufnehmen, als Energie für den Körper. Doch durch die Entzündungsstoffe wird das verhindert und der Zuckerspiegel im Blut steigt. Es entwickelt sich ein Diabetes. „Durch den hohen Zuckerspiegel im Blut werden die Innenschichten der Blutgefäße angegriffen“, sagt der Kardiologe. „Wenn die Innenschicht der Gefäße porös wird, kann sich an diesen Stellen Cholesterin ablagern.“ Die Folge können Cholesterinansammlungen in den Herzgefäßen sein, die zu einer Verengung der Herzkranzarterien führen – der sogenannten koronaren Herzkrankheit. „Die führt im schlimmsten Fall zum Herzinfarkt“, sagt Prof. Halle.
Wie können Menschen mit Übergewicht dieser Entwicklung entgegenwirken?
Wer übergewichtig ist, aber gleichzeitig sportlich aktiv, kann die negativen Auswirkungen des Fettgewebes nahezu komplett ausgleichen. „Der Gegenspieler der Fettzelle ist die Muskelzelle“, sagt Prof. Halle. „Wer trotz Übergewicht jeden Tag 30 Minuten körperlich aktiv ist und dabei auch ein bisschen ins Schwitzen kommt, aktiviert die Muskelzellen.“ Die geben dann Botenstoffe ab, die den Stoffwechsel ankurbeln. „Dadurch wird der Diabetes reduziert, die Gefäße und der Herzmuskel werden elastischer“ erklärt der Herz-Experte. Allerdings: Wenn Herzmuskelgewebe einmal vernarbt ist, lässt sich das nicht mehr rückgängig machen. Das gilt ebenso für verkalkte Gefäße. „Wer schon viele Jahre übergewichtig ist und erst mit 50 Jahren mit dem Sport beginnt, hat die Herzproblematik möglicherweise schon“, so Prof. Halle.
Wie lässt sich herausfinden, ob Sport erfolgreich die negativen Folgen des Übergewichts ausgleicht?
Bei der Hausärztin oder dem Hausarzt kann man die Entzündungswerte im Blut bestimmen lassen. „Dabei handelt es sich um das sogenannte hochsensitive C-reaktive Protein, kurz hs-CRP“, erklärt Prof. Halle. „Ist der Wert nicht erhöht, wirkt die sportliche Aktivität.“ Weitere Hinweise können Blutzuckerwerte und bestimmte Blutfette, die sogenannten Triglyceride, liefern. „Sind die Fettwerte zu hoch, bedeutet das, dass der Stoffwechsel für die Fette nicht aktiv ist. Und erhöhte Zuckerwerte zeigen, dass der Zuckerstoffwechsel nicht arbeitet“, erläutert der Herz-Spezialist. „Sind die Werte der Triglyzeride und des Zuckers normal, hat der Übergewichtige kein Risiko für eine Herzerkrankung.“
Wieviel sollten Betroffene abnehmen, um herzgesünder zu leben?
Schon eine Gewichtsabnahme um fünf Prozent hat einen positiven Effekt. „Wenn man 100 Kilogramm wiegt, sind das nur fünf Kilo. Es ist nicht wahnsinnig viel, was man verändern muss“, sagt Prof. Halle. Pro Monat sollten etwa ein bis zwei Kilogramm abgenommen werden. „Das lässt sich erreichen, indem man die Kalorien reduziert, die man zu sich nimmt“, erklärt der Herzmediziner. Meist wird eine Kalorienzufuhr von 1.200 bis 1.500 Kilokalorien pro Tag empfohlen, außerdem eine ausgewogene, herzgesunde Ernährung. Empfohlen wird dabei viel Gemüse und Hülsenfrüchte, ergänzt um Proteine aus Fisch oder magerem Fleisch. „Zusätzlicher Sport verbessert den Stoffwechsel, aktiviert die Muskulatur und damit den natürlichen Gegenspieler der Fettzelle“, so Prof. Halle. Außerdem sind Sport und Bewegung ein wichtiger Schritt, die eigene Lebensweise zu verändern. „Alleine durch Verzicht beim Essen verändert sich das Körpergefühl nicht, aber durch regelmäßigen Sport und Bewegung lässt sich innerhalb von vier Wochen ein Sprung der Leistungsfähigkeit erreichen“, erklärt der Experte. „Dann spüren die Menschen, dass sie besser belastbar sind und werden motiviert, die veränderte Lebensweise beizubehalten.“ Denn wer mit einer Diät radikal abnimmt, aber nicht dauerhaft die Ernährungsgewohnheiten ändert, riskiert, anschließend wieder zuzunehmen – der sogenannte Jojo-Effekt.