Sick-Sinus-Syndrom: Wenn der Taktgeber des Herzens erkrankt

Der Sinusknoten ist eine hochspezialisierte Zellansammlung, die einen elektrischen Impuls generieren kann, um das Herz anzutreiben. Daher wird er auch als natürlicher Schrittmacher oder Taktgeber des Herzens bezeichnet. Ist der Sinusknoten aber in seiner Funktion gestört, kann es zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen kommen.

Von Kerstin Kropac

 

17.08.2023


Bildquelle (Bild oben): iStock / Rasi Bhadramani

Der Sinusknoten ist dafür verantwortlich, dass das Herz schlägt. Seine elektrischen Impulse regen den Herzschlag an und bestimmen auch dessen Tempo. Wenn aber der Sinusknoten geschädigt ist, kommt das Herz aus dem Takt – das führt zu verschiedenen Herzrhythmusstörungen. Häufig schlägt das Herz dann zu langsam (Bradykardie) oder unregelmäßig (Arrhytmie). Es ist aber auch möglich, dass sich Zeiten mit langsamen und schnellen Herzschlägen abwechseln. Und wenn der elektrische Impuls des Sinusknoten ganz ausbleibt, hört das Herz auf zu schlagen. Eine lebensgefährliche Situation. Auslöser für das Sick-Sinus-Syndrom sind häufig andere Herzkrankheiten wie die koronare Herzkrankheit oder eine Herzmuskelentzündung.

 

Wie zeigt sich das Sick-Sinus-Syndrom?

Unter den Begriff des Sick-Sinus-Syndrom, auch Sinusknotensyndrom genannt, fallen viele Erkrankungen, die den Taktgeber des Herzens betreffen. „Die Maximalausprägung ist der Sinusarrest. Dann bleibt das Herz stehen“, erklärt Dr. Victoria Johnson, Assistenzärztin am Universitätsklinikum Gießen. „Es kann zu einer wirklich langen Pause von mehreren Sekunden kommen, bis das Herz wieder von allein ‚anspringt‘. Als Faustregel kann man sich in etwa merken: Wenn das Herz über fünf Sekunden nicht geschlagen hat, kann es zur Ohnmacht kommen, da das Gehirn dann mit Sauerstoff unterversorgt ist. Das ist für die Betroffenen unter Umständen sehr angsteinflößend, da es ohne Vorwarnung jederzeit passieren kann. Sobald eine entsprechende Diagnose gestellt wurde, kann man den Patientinnen und Patienten heute gut helfen.“

 

Wie behandelt man ein Sick-Sinus-Syndrom?

Dr. Johnson: „Beim Sinusarrest gilt es unbedingt zu verhindern, dass das Herz erneut über einen längeren Zeitpunkt aussetzt. Wenn der Sinusarrest zur klinischen Beschwerdesymptomatik passt, ich also den Symptom-Rhythmus-Zusammenhang bewiesen habe, dann ist die Herzschrittmacher-Implantation die Therapie der Wahl. Der Herzschrittmacher kann bei einem Aussetzer das Herz unterstützen und verhindern, dass es stehenbleibt. Die Operation und das Tragen eines Schrittmachers kann für eine Patientin oder einen Patienten ein einschneidendes Erlebnis sein. Anderseits ist diese Therapie seit vielen Jahren etabliert und es besteht eine große Routine bei diesen Eingriffen.“

 

Wie funktioniert ein Herzschrittmacher?

Ein Herzschrittmacher ist sozusagen ein Uhrwerk, das regelmäßig elektrische Impulse abgibt, sobald der eigene Taktgeber des Herzens eine Pause macht. „In den Momenten, in denen keine Rhythmusstörung vorliegt, arbeitet der Herzschrittmacher nicht“, sagt Dr. Johnson. „Durch die Platzierung der Herzschrittmacherkabel in Herzvorkammer und Herzkammer, kann der Herzschrittmacher ganz gezielt an dem Ort arbeiten, an dem das Herz aktuell einen zu langsamen Herzschlag hat. Durch dieses zielgerichtete Arbeiten des Herzschrittmachers und entsprechende Einstellungen, kann ein Schrittmacher vom Zeitpunkt der Implantation über viele Jahre effizient arbeiten und so die Lebensqualität und Prognose der Betroffenen deutlich verbessern.“

Dr. Victoria Johnson Dr. Victoria Johnson, Assistenzärztin in der Medizinischen Klinik I (Kardiologie und Angiologie) des Universitätsklinikums Gießen Bildquelle: privat

Merken Betroffene immer, wenn das Herz aus dem Takt kommt?

Dr. Johnson: „Ob eine Herzrhythmusstörung von den Betroffenen bemerkt wird, hängt einerseits von der Herzrhythmusstörung ab. Zudem werden die Beschwerden von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich wahrgenommen. Häufig sind gerade jüngere Menschen sehr empfindlich, was den eigenen Herzschlag betrifft – wenn das Herz plötzlich kräftig klopft oder sogar unregelmäßig vor sich hin stolpert. Dass ein Herz ab und zu für ein, zwei Schläge aus dem Takt gerät, ist allerdings fast normal. Man muss sich vorstellen: Das Herz schlägt etwa 60-mal pro Minute, hochgerechnet auf einen Tag sind dies knapp hunderttausend Herzschläge.“

 

Wann spricht man überhaupt von einer Herzrhythmusstörung?

„Herzrhythmusstörungen sind Abweichungen vom normalen Herzrhythmus. Sie können dafür sorgen, dass das Herz nur noch ganz langsam oder viel zu schnell schlägt. Grundsätzlich können sie ständig vorliegen oder ganz selten auftreten. Das hängt vor allem davon ab, was der Auslöser der Herzrhythmusstörung ist“, sagt Dr. Johnson.

 

Wodurch kann eine Herzrhythmusstörung ausgelöst werden?

Es gibt vielfältige Ursachen für Herzrhythmusstörungen: Neben angeborenen Herzerkrankungen können Veränderungen der Zusammensetzung der Blutsalze, Fieber, Entzündungen im Herzen, Hormonveränderungen und Medikamente, der Lebensstil (Alkohol, Drogen) oder auch andere Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems die Rhythmusstörungen verursachen. „Zudem können stattgehabte Operationen und Eingriffe am Herzen das Risiko für eine Herzrhythmusstörung erhöhen“, erklärt Dr. Johnson. „Im Rahmen der Behandlung von Rhythmusstörungen sollte immer eine ausführliche Ursachenforschung erfolgen. Wichtig ist, herauszufinden, ob die Rhythmusstörung reversibel ist, also zum Beispiel durch eine vorangegangene medikamentöse Behandlung ausgelöst worden ist. Oder ob die Rhythmusstörung von Dauer ist und daher einer lebenslangen medizinischen Behandlung bedarf. Bei Rhythmusstörungen, die nur paroxysmal auftreten – also kommen und gehen – ist die Ursachenforschung oft sehr viel schwieriger als bei Rhythmusstörungen, die dauerhaft vorhanden sind.“

 

Wann kann eine Herzrhythmusstörung gefährlich werden?

Dr. Johnson: „Unterscheiden sollte man das persönliche ‚schlimme‘ Empfinden einer eventuell gutartigen Rhythmusstörung von bösartigen, tatsächlich ‚schlimmen‘ Rhythmusstörungen. Wenn das Herz so langsam schlägt, dass man Schwindel bekommt, die Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt ist oder es – im schlimmsten Fall – zu Synkopen, also kurzzeitigem Verlust des Bewusstseins kommt, sollte man hellhörig werden. Die Auslöser hierfür können ganz unterschiedlich sein und sollten weiter untersucht werden.“

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