Neuer Kapselschrittmacher erstmals in Deutschland implantiert

Ein neuer kabelloser Herzschrittmacher in Kapselform wurde jetzt erstmals in Deutschland implantiert. Das kleine Gerät wird direkt ins Herz eingesetzt und soll eine extrem lange Batterielaufzeit von 17 Jahren erreichen. Ab 2024 wird es möglich sein, den neuen Kapselschrittmacher in Kombination mit einem weiteren kabellosen Schrittmacher als Zweikammer-System zu verwenden, um herkömmliche Schrittmacher zu ersetzen. 

Von Sven Stein

 

29.11.2023


Bildquelle (Bild oben): Karin Kaiser / MHH

Premiere für einen neuen kabellosen Herzschrittmacher: In Deutschland wurde jetzt erstmals eine neue Generation sogenannter Kapselschrittmacher in Herzen implantiert. Nach Angaben des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC) in Berlin wurde der neue Schrittmacher hier zum ersten Mal in Europa einem 80-jährigen Mann eingesetzt. Auch die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) und das Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW) in Bad Oeynhausen bieten das kabellose Mini-Gerät, dessen Form an eine Vitaminkapsel erinnert, bereits an.

 

Neue Generation des Herzschrittmachers macht Zweikammer-System möglich

Was ist das Besondere an dem neuen Schrittmacher? Herkömmliche Herzschrittmacher sind etwa so groß wie eine Streichholzschachtel. Sie werden unterhalb des Schlüsselbeins eingesetzt und mit zwei drahtförmigen Sonden ans Herz angeschlossen. Eine Sonde wird in der rechten Hauptkammer des Herzens befestigt, die zweite im Vorhof.

 

Der neue Kapselschrittmacher hingegen ist weniger als vier Zentimeter groß und wird direkt in die rechte Herzkammer eingesetzt. Zusätzliche Kabel, die sonst womöglich zu Komplikationen wie Infektionen führen können, sind nicht nötig. Bei Patientinnen und Patienten mit einer zu niedrigen Herzfrequenz (Bradykardie) überwacht der Schrittmacher dann den Herzrhythmus. Wenn das Herz zu langsam schlägt, gibt er einen elektrischen Impuls ab, um das Herz wieder in den richtigen Takt zu bringen. 

Prof. Gerhard Hindricks hält ein Modell des neuen Schrittmachers in der Hand. Prof. Gerhard Hindricks, Leiter der Rhythmologie am DHZC, mit einem Modell des neuen Schrittmachers. Bildquelle: Maier/DHZC

Das allein wäre jedoch nichts Außergewöhnliches, denn solche Kapselschrittmacher werden bereits seit etwa zehn Jahren implantiert. Das war bislang aber nur bei Patientinnen und Patienten möglich, die bestimmte Rhythmusstörungen haben, die nur in der Hauptkammer auftreten. Wenn bei Betroffenen auch der Vorhof überwacht werden musste, kam man bislang um einen herkömmlichen Schrittmacher mit zwei Drahtsonden nicht herum.

 

Der neue kabellose Schrittmacher ist jedoch in der Lage, sich mit einem zweiten kabellosen Schrittmacher zu synchronisieren, der in den Vorhof eingesetzt wird. Diese Kombination zweier kabelloser Geräte kann künftig den Schrittmacher mit Drahtsonden ersetzen. Noch gibt es für den Einsatz des Kapselschrittmachers als Zweikammer-System in Europa keine Zulassung. Laut DHZC und HDZ NRW ist damit aber für 2024 zu rechnen.

 

Batterie des Kapselschrittmachers soll 17 Jahre halten

Der neue Schrittmacher „Aveir VR“ kann durch einen Katheterzugang an der Oberschenkelvene bis ins Herz vorgeschoben und dort verschraubt werden. Seine Batterie soll laut Hersteller Abbott mehr als 17 Jahre arbeiten, doppelt so lang wie bei den bislang verfügbaren kabellosen Schrittmachern. Laut Prof. David Duncker (Foto ganz oben) von der MHH ist der Kapselschrittmacher besonders für Menschen mit hohem OP-Risiko, Infektanfälligkeit, fehlenden Zugangswegen für normale Schrittmacher oder schweren Herzklappenundichtigkeiten geeignet.

 

Im Rahmen einer Studie mit 300 Patientinnen und Patienten in den USA hatte sich der neue Schrittmacher als zuverlässig und sicher erwiesen – Herzmedizin.de berichtete.

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