Das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung wird durch bestimmte negative Faktoren erhöht. Frühzeitig erkannt und behandelt, können diese Gefahren aber gut und nachhaltig minimiert werden.
Das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung wird durch bestimmte negative Faktoren erhöht. Frühzeitig erkannt und behandelt, können diese Gefahren aber gut und nachhaltig minimiert werden.
Von Silja Klassen
29.03.2023
Bildquelle (Bild oben): iStock / Suzi Media Production
Weltweit gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen, also gravierende Störungen des Herzens und der Blutgefäße, zu den häufigsten Todesursachen. In Deutschland beträgt ihr Anteil etwa 33 Prozent. Das Statistische Bundesamt führt unter den zehn meistermittelten Todesursachen hierzulande allein fünf Herzerkrankungen auf.
Die gute Nachricht: Viele der für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wichtigsten Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Bewegungsmangel sind positiv beeinflussbar. Und bereits die rechtzeitige Kontrolle und Behandlung nur einiger dieser Risikofaktoren kann eine sehr große Anzahl kardiovaskulär (Herz und Gefäße betreffend) bedingter Todesfälle verhindern. „Wenn wir frühzeitig Patientinnen und Patienten mit einer genetischen Veranlagung für bestimmte Risikofaktoren oder einer Herzinsuffizienz erkennen, können wir gut therapieren. Die beste Vorsorge ist dabei ein Lebensstil, der Risiken wie Übergewicht oder Bluthochdruck verringert“, sagt der Bremer Kardiologe Prof. Rainer Hambrecht.
Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind bestimmte erblich bedingte Vorbelastungen, Verhaltensweisen, Gewohnheiten oder andere Bedingungen, durch die sich die Wahrscheinlichkeit, eine kardiovaskuläre Problematik zu entwickeln, erhöht. Diese Faktoren lassen sich in zwei Kategorien einteilen: in beeinflussbare, also jene, die durch verändertes Verhalten reduziert oder kontrolliert werden können (modifizierbare) und nicht beeinflussbare (nicht modifizierbare), also solche, die auch durch Behandlung nicht grundlegend verändert werden können.
Egal, ob beeinflussbar oder nicht: Sind ein oder mehrere dieser Risikofaktoren vorhanden, ist die Gefahr, am Herz-Kreislauf zu erkranken, erhöht. Allerdings bedeutet es nicht, dass eine Herz-Kreislauf-Erkrankung unausweichlich ist. „Bei Patientinnen und Patienten, die eine genetische Veranlagung für bestimmte Risikofaktoren aufweisen, können wir die Diagnostik und Therapie entsprechend abstimmen und intensivieren“, so Prof. Hambrecht.
Zu den wichtigsten beeinflussbaren Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören Bluthochdruck (Hypertonie), zu hohe Cholesterinwerte im Blut, Bewegungsmangel, Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), Fettstoffwechselstörungen (zum Beispiel die familiäre Hypercholesterinämie) und sehr starkes Übergewicht (Adipositas). Dazu kommen gesundheitsschädigende Verhaltensweisen wie Bewegungsmangel, Rauchen und ungesunde Ernährung – beispielsweise mit vielen verarbeiteten Lebensmitteln, zu viel rotem Fleisch und zu viel Salz.
„All diese Risikofaktoren können sowohl durch gesundheitsbewusstes Verhalten als auch medikamentöse Therapien positiv beeinflusst werden“, sagt Prof. Hambrecht. Beides bildet damit einen sehr wichtigen Grundstein für eine erfolgreiche Prävention, aber auch Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Eine unerkannte beziehungsweise unbehandelte Hypertonie mit einem dauerhaft zu hohen Blutdruck kann zu Schäden am Herzen, den Nieren, dem Gehirn und an den Gefäßen führen. Idealerweise sollte Ihr Blutdruck nicht höher als 120/80 sein. Achten Sie auf Ihr Gewicht und eine salz- und zuckerarme Ernährung.
Ungünstige Cholesterinwerte, also ein zu hoher Wert des sogenannten „schlechten Cholesterins“ Low Density Lipoprotein (LDL), beschleunigen die Ablagerung von Cholesterin in den Blutgefäßwänden. Diese Ablagerungen (Plaques) verengen die Gefäße (Arteriosklerose) und können sie im Laufe der Zeit verschließen.
Ebenso wichtig wie die Kontrolle des LDL ist die des Lipoprotein (a). „Der Wert des Lipoproteins (a) sollte möglichst bei jedem einmal im Leben bestimmt werden, denn wer einen erhöhten Spiegel hat, kann eine arterielle Gefäßerkrankung entwickeln“, sagt Prof. Hambrecht. Das Lipoprotein (a) ist ein Eiweißkörper, der Cholesterin – so wie das LDL – im Blut transportiert.
Hohe Blutzuckerwerte fördern Entzündungsreaktionen im Körper und stören bestimmte Vorgänge im Stoffwechsel des Herzens. So beschleunigt ein chronisch hoher Blutzucker die Schädigung von Gefäßen (Arteriosklerose) und führt zu einer Verschlechterung der Pumpleistung des Herzens. „Gegenüber Stoffwechselgesunden haben Menschen mit Diabetes ein deutlich erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, so Prof. Hambrecht.
Bereits moderate Bewegung wie zum Beispiel ein 30-minütiger Spaziergang hilft dabei, das Fortschreiten von Fett- und Kalkablagerungen in den Gefäßen (Arteriosklerose) zu verlangsamen. Damit verringert sich die Gefahr eines Herzinfarkts. Außerdem unterstützt sportliche Betätigung die Fettverbrennung, bestätigt Prof. Hambrecht: „Wir können beobachten, dass diejenigen, die sich auch noch im Alter sportlich bewegen, deutlich weniger pflegerische Maßnahmen benötigen als diejenigen, die körperlich inaktiv sind.“
Wer zu viel wiegt, belastet das Herz mehrfach: Das Organ muss sehr viel mehr leisten, unter anderem, um die größere Masse des Körpers mit Sauerstoff zu versorgen. Außerdem verstärkt Adipositas das Risiko, an Bluthochdruck oder Diabetes zu erkranken. Auch erhöhte Blutfettwerte wie zu hohes LDL-Cholesterin finden sich bei übergewichtigen Patientinnen und Patienten häufiger. All diese Faktoren fördern speziell die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit.
Die Giftstoffe von Zigaretten schädigen die Innenschicht der Blutgefäße (das Endothel). Dadurch werden Ablagerungen (Arteriosklerose) begünstigt, die zu Verschlüssen an den Gefäßen führen können. Prof. Hambrecht: „Aufs Rauchen zu verzichten, gehört zu meinen wichtigsten Empfehlungen für die Herzgesundheit.“
Wissenschaftler der US-amerikanischen Cleveland Clinic in Ohio fanden heraus: L-Carnitin, ein Bestandteil von rotem Fleisch, wird von Bakterien im Darm in eine Substanz umgewandelt, die die Arterienverkalkung fördert.
Geschätzt wird, dass 80 bis 90 Prozent der Herzkrankheiten durch gesündere Ernährung, regelmäßige Bewegung und Nichtrauchen vermeidbar sind. „Es gibt dazu etwas abweichende Zahlen“, sagt Prof. Hambrecht. Auf jeden Fall gäbe es sehr viele kardiovaskuläre Ereignisse, die verhindert werden könnten. „Dafür wären mehr Präventionsassistenten und -assistentinnen hilfreich, also nicht-ärztliche Mitarbeiter, die besonders ausgebildet sind – und mit den Patienten und Patientinnen die Risikofaktoren und mögliche Lebensstilanpassungen besprechen. Und sich dabei ausreichend Zeit nehmen. Das ist für mich und die Stiftung Bremer Herzen im wahrsten Sinne eine Herzensangelegenheit.“
Einige nicht beeinflussbare Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung:
Die Veranlagung zu Herzerkrankungen kann vererbt werden. „Diese genetisch bedingten Faktoren, darunter zum Beispiel die Fettstoffwechselstörung der familiären Hypercholesterinämie, sollten möglichst frühzeitig erkannt werden“, so Prof. Rainer Hambrecht. „Denn diese sogenannten life long risks müssen eben auch lebenslang therapiert werden. Und je eher man damit beginnt, desto positiver sind die Effekte der Behandlung und die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sinkt signifikant. Auch in späteren Jahren.“
Mit dem Alter steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie zum Beispiel eine Arteriosklerose. So treten die meisten Herzinfarkte nach heutigem Erkenntnisstand bei Männern im Alter zwischen 68 und 76 Jahren auf, bei Frauen zwischen dem 76. und dem 84. Lebensjahr.
„Diesen natürlichen Risikofaktor Lebensalter können wir natürlich nicht ändern“, sagt Prof. Hambrecht. „Das Leben läuft. Doch auch im höheren und hohen Alter kann man sehr viele beeinflussbare Risiken sehr deutlich verringern“, sagt Prof. Hambrecht.
Männer leiden häufiger an Herzinsuffizienz als Frauen. Ab 60 Jahren ist die Erkrankungshäufigkeit bei beiden Geschlechtern gleichermaßen erhöht, Herzinfarkte als Todesursache treten dann bei Frauen sogar häufiger auf als bei Männern.
Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) unterscheidet zwischen vier Risikogruppen – von niedrigem bis sehr hohem Risiko. „Diese Einteilung ergibt Sinn“, so Prof. Hambrecht. „Denn so können wir die Patientinnen und Patienten in klar definierte Gruppen einordnen und dementsprechend abgestimmte Maßnahmen, Medikationen und Therapien anbieten.“
Menschen, auf die kaum ein Risikofaktor zutrifft. Sie sind relativ jung, bewegen sich ausreichend, rauchen nicht – und haben dadurch nur ein niedriges Risiko, ein kardiovaskuläres Ereignis, also eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, über die nächsten zehn Jahre zu erleiden.
Bei einem mittleren Risiko treffen zwei Risikofaktoren zu und dementsprechend ist die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung höher als bei einer niedrigen Risikoeinstufung.
Ein hohes Risiko trifft zum Beispiel an Diabetes Mellitus Erkrankte.
Ein sehr hohes Risiko haben zum Beispiel Patientinnen und Patienten mit einer Arterienverkalkung (Atherosklerose), also einer bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankung. Laut der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) schließt die Kategorie „sehr hohes Risiko“ alle Personen mit einer koronaren Herzkrankheit oder Diabetiker mit zusätzlichen Risikofaktoren oder Endorganschäden ein. Die Unterscheidung zwischen hohem und sehr hohem Risiko hängt zum Beispiel von der Schwere der Diabetes beziehungsweise von zusätzlich vorhandenen Risikofaktoren ab.
Wer sein persönliches Risiko für eine tödliche Herz-Kreislauf-Erkrankung innerhalb der nächsten 10 Jahre ermitteln möchte, kann den Risikorechner des Bundesverbands Niedergelassener Kardiologen nutzen.
Zusätzlich zu den bestehenden Risikofaktoren können auch verschiedene Umwelteinflüsse die Herzgesundheit verschlechtern. Prof. Hambrecht verweist auf chronische Lärmbelastung in der Nacht, zu hohe Licht- und Feinstaubbelastung: „Auch das sind Risikofaktoren, die das Auftreten von Herzinfarkten eindeutig negativ beeinflussen können. Eine Forschergruppe aus Mainz um Professor Münzel hat das konsequent über Jahre herausgearbeitet.“
Im Laufe der Zeit können auch ungesunde Reaktionen auf Stress zu gesundheitlichen Problemen führen. Einige Studien haben einen Zusammenhang zwischen dem Risiko einer koronaren Herzkrankheit und dem Stress im Leben eines Menschen sowie seinem sozioökonomischen Status festgestellt. Menschen, die unter Stress stehen, essen mitunter übermäßig viel Ungesundes oder rauchen mehr, als wenn sie entspannt wären. Prof. Hambrecht: „Ich empfehle, nach Möglichkeit die Ursachen für negativen Stress zu beseitigen – und nehmen Sie sich ausreichend Zeit für Dinge, die Spaß machen.“