Wer profitiert von der frühzeitigen TAVI bei Aortenklappenstenose?

 

TCT-Kongress 2024 | EARLY TAVR & TAVR UNLOAD:  TAVI-Prozeduren stehen auch in diesjährigem TCT Kongress im Fokus. Mit der EARLY-TAVR-Studie bei Personen mit asymptomatischer hochgradiger Aortenklappenstenose und der TAVR-UNLOAD-Studie bei Personen mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion und mittelgradiger Aortenklappenstenose wurden 2 Studien vorgestellt, die die klinische Praxis verändern könnten.

Von:

Dr. Muhammed Gerçek

Bad Oeynhausen

 

Prof. Tanja Rudolph

Rubrikleiterin Strukturelle Herzerkrankungen

 

30.10.2024

 

Bildquelle (Bild oben): RozenskiP / Shutterstock.com

EARLY TAVR

 

Zwei kleine randomisierte Studien hatten im Vorfeld gezeigt, dass ein chirurgischer Aortenklappenersatz bei asymptomatischen Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose das Outcome verbessert. Allerdings hatten diese Studien eine eher kleine Zahl an Patienten im mittleren Alter von 64 Jahren eingeschlossen mit einem hohen Anteil an Patienten mit bicuspider Aortenklappe. Die EARLY-TAVI sollte nun die Frage beantworten, ob auch eine kathetergestützte Behandlung von asymptomatischen Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose deren Prognose verbessert.
In die Studie wurden an 75 Zentren von 2017 bis 2021 insgesamt 901 asymptomatische Patienten mit einem mittleren Alter von 75,8 Jahren und einem mittleren STS-Score von 1,8% eingeschlossen und auf TAVI versus abwartende Strategie randomisiert.1,2

Ergebnisse

Nach einem mittleren Follow-Up Zeitraum von 3,8 Jahren wurde der kombinierte Endpunkt aus Tod, Schlaganfall und ungeplanter kardiale-bedingter Rehospitalisation signifikant häufiger in der konservativen Gruppe beobachtet: 45,3 % vs. 26,8 %; HR 0,50; 95%-KI (0,40-0,63); p < 0,001. Der signifikante Unterschied war insbesondere durch die Rehospitalisierungsrate getrieben. Hinsichtlich der Endpunkte Tod und Schlaganfall zeigte sich ein tendenzieller Benefit durch eine frühzeitige TAVI-Behandlung, der Unterschied war allerdings nicht signifikant. Patientinnen und Patienten mit abwartender Strategie zeigten anders als Personen mit frühzeitiger TAVI eine signifikante Verschlechterung der Lebensqualität im Verlauf. 25 % dieser Personen unterzogen sich nach 6 Monaten einem Klappeneingriff, nach 2 Jahren waren es 70 %. Die periprozedurale Sicherheit war extrem hoch, was sich in der Abwesenheit von kardiovaskulären Todesfällen innerhalb der ersten 30 Tage nach Randomisierung widerspiegelt.

Fazit

Bei Personen mit hochgradiger Aortenklappenstenose ist auch bei Beschwerdefreiheit eine frühzeitige Behandlung mittels TAVI einer abwartenden Strategie hinsichtlich der Endpunkte Tod, Schlaganfall und ungeplante Rehospitalisierung klar überlegen.

Expertenkommentar

Die EARLY-TAVR-Studie zeigte überzeugend, dass entgegen der aktuellen Leitlinien-Empfehlung auch asymptomatische Patientinnen und Patienten mit einem niedrigen OP-Risiko von einer frühzeitigen kathetergestützten Therapie profitieren.  Da nun drei randomisierte Studien zu dem klaren Ergebnis kommen, dass eine frühzeitige Intervention zu einem besseren Outcome führt, ist eine Anpassung der Leitlinien zu erwarten.

TAVR UNLOAD

 

In der gleichen Late-Breaking-Sitzung wurden die Ergebnisse der „Transcatheter Aortic Valve Replacement to UNload the Left Ventricle in patients with ADvanced heart failure” (TAVR UNLOAD) vorgestellt. Rationale dieser Studie war, dass Bei Personen mit „systolischer“ Herzinsuffizenz (eingeschränkte Pumpfunktion) die Nachlast gesenkt werden sollte und dies sehr gut durch die Beseitigung der Klappenengstelle erreicht werden können. Zudem habe man aus Registerdaten gelernt, dass eine mittelgradige Aortenklappenstenose mit einer höheren Mortalität assoziiert sei und das Belassen und lange Zuwarten zu irreversiblem myokardialem Schaden führen können.
Aufgrund dessen hat man in der TAVR-UNLOAD-Studie untersucht ob eine frühzeitige Klappenbehandlung im Vergleich zur konservativ medikamentösen Therapie einen Vorteil erbringen könne. Hierfür hat man zwischen 2017 und 2022, aus 66 Zentren in 3 Ländern (USA, Niederlande, Österreich) 178 Patientinnen und Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion und mittelgradiger Aortenklappenstenose in einem 1:1 Studiendesign randomisiert.3,4

Ergebnisse

Das mittlere Alter der Patientinnen und Patienten betrug 77 Jahre mit einem Anteil von 23 % Frauen. Der primäre Endpunkt war ein hierarchischer Kombinationsendpunkt aus Tod, Schlaganfall, Rehospitalisation oder Herzinsuffizienzäquivalent sowie Veränderung der Lebensqualität.
Die TAVI-Prozedur konnte mit einer hohen Sicherheit durchgeführt werden. In der Kontrollgruppe erhielten 43 % der Personen nach einem medianen Follow-up von 12 Monaten einen chirurgischen oder interventionellen Aortenklappenersatz aufgrund einer Progression der Aortenklappenstenose.
Der kombinierte Endpunkt zeigte keinen signifikanten Unterschied zwischen der TAVI- und der Kontrollgruppe (Win Ratio 1,31; 95%-KI 0,91–1,88), wobei nur die Lebensqualität eine signifikante Verbesserung aufwies.

Fazit

Bei chronischer systolischer Herzinsuffizienz und mittelgradiger Aortenklappenstenose konnte die TAVI-Prozedur keinen signifikanten Vorteil in Hinblick auf harte klinische Endpunkte für die Patientinnen und Patienten erbringen, wobei ein sehr schneller Progress der Aortenklappenstenose in der Kontrollgruppe beobachtet wurde, sodass diese Patienteninnen und Patienten zwar engmaschig kontrolliert werden sollten, aber nicht unbedingt einen sofortigen Aortenklappenersatz benötigen.

Expertenkommentar

TAVI UNLOAD hat gezeigt, dass die bisherigen Leitlinien bezüglich der Aortenklappentherapie weiterhin so beibehalten werden können. Nur in ausgewählten Fällen kann eine TAVI-Prozedur erwogen werden, wenn die medikamentöse Therapie nicht ausreicht, um die Herzinsuffizenzbeschwerden zu lindern. Zudem hat die Studie eindrucksvoll bewiesen, dass eine mittelgradige Aortenklappenstenose engmaschig kontrolliert werden sollte, da bereits nach einem Jahr eine deutliche Progression verzeichnet werden konnte.


Schade ist, dass die Studie frühzeitig beendet werden musste aus finanziellen Gründen und aufgrund von Patientenrekrutierungsproblemen. Es bleibt abzuwarten, welche Daten die beiden noch laufenden Studien, PROGRESS und EXPAND II, liefern werden, um bei mittelgradiger Aortenklappenstenose sowohl bei erhaltener als auch eingeschränkter Pumpfunktion des Herzens mehr Klarheit in den Therapieansätzen zu schaffen.


Referenzen

 

  1. Généreux P. Transcatheter Aortic Valve Replacement for Asymptomatic Severe Aortic Stenosis: Results of the EARLY TAVR Trial. Late-Breaking Clinical Trials: Session I, in Collaboration with the New England Journal of Medicine, TCT 2024
  2. Généreux P et al. Transcatheter Aortic-Valve Replacement for Asymptomatic Severe Aortic Stenosis. N Engl J Med. 2024 Oct 28. doi: 10.1056/NEJMoa2405880. Epub ahead of print. PMID: 39466903.
  3. Van Mieghem N. Transcatheter Aortic Valve Replacement in Patients With Systolic Heart Failure and Moderate Aortic Stenosis. Late-Breaking Clinical Trials: Session I, in Collaboration with the New England Journal of Medicine, TCT 2024
  4. Van Mieghem N et al. Transcatheter Aortic Valve Replacement in Patients With Systolic Heart Failure and Moderate Aortic Stenosis: TAVR UNLOAD. JACC. 2024 https://doi.org/10.1016/j.jacc.2024.10.070

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