Status Quo kardiogener Schock

 

Die Mortalität von Patientinnen und Patienten im kardiogenen Schock liegt seit 25 Jahren nahezu unverändert bei 40-50 %. Randomisierte kontrollierte Studien (RCT) zu medikamentösen Therapieoptionen und mechanischer Kreislaufunterstützung zeigten mehrheitlich neutrale Ergebnisse, sodass die aktuellen Behandlungsempfehlungen weiterhin von einem niedrigen Evidenzlevel gestützt sind. Die 2024 publizierte DanGer-Shock Studie stellt jedoch einen Lichtblick auf dem Weg zur personalisierten Therapie des kardiogenen Schocks dar.

Von:

PD Dr. Dr. Enzo Lüsebrink   

Klinikum der Universität München

 

Prof. Holger Thiele

Universitätsklinikum Leipzig

 

 

22.01.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Sina Ettmer Photography / Shutterstock.com

 

Der kardiogene Schock ist allgemein als Organminderperfusion infolge eines reduzierten Herzzeitvolumens definiert. Verschiedene kardiale Ursachen können zum kardiogenen Schock führen, klassischerweise der Myokardinfarkt oder eine akut dekompensierte Herzinsuffizienz, aber auch Hochrisiko-Lungenembolien, fulminante Myokarditiden, dekompensierte Klappenvitien oder Arrhythmien.

 

Interessanterweise liegt in einigen aktuellen Registerstudien der relative Anteil des Herzinsuffizienz-assoziierten Schocks über dem des infarktbedingten Schocks, was möglicherweise auf die effizientere Langzeitbehandlung der chronischen Herzinsuffizienz und damit auf das längere Überleben als auch auf die verbesserte Reperfusion beim Infarkt zurückzuführen ist. Neben der Vielzahl an Ätiologien wird die Komplexität des Krankheitsbildes durch Unterschiede im klinischen Verlauf, die individuelle Hämodynamik und patientenspezifische Faktoren verstärkt. Somit subsumiert der Begriff „kardiogener Schock“ eine sehr heterogene Gruppe von Patientinnen und Patienten.

 

Die Auswertung großer Schock-Datenbanken, die immer mehr auf künstlicher Intelligenz und Machine-learning-Algorithmen basiert, hat in den letzten Jahren einige interessante Klassifikationsansätze und Subgruppendefinitionen hervorgebracht. Dennoch gibt es bis dato kein einheitlich verwendetes und umfassendes System zur Kategorisierung dieses komplexen Patientenkollektivs, was für Studiendesign und Patientenversorgung große Bedeutung hätte.

Therapie der ursächlichen Herzerkrankung

 

Seit der Publikation der SHOCK-Studie gehört die interventionelle und seltener auch die chirurgische Revaskularisierung zum Standard-Vorgehen beim Myokardinfarkt-bedingten kardiogenen Schock. Basierend auf den Ergebnissen der CULPRIT-SHOCK-Studie sollte zunächst nur eine Behandlung der Infarkt-assoziierten Koronararterie anstatt einer kompletten Revaskularisierung erfolgen. Auch wenn es hinsichtlich des primären Gefäßzugangs und der Thrombozytenaggregationshemmung noch offene Fragen gibt, ist die Datenlage bezüglich der Behandlung der nicht-akut-ischämischen Ursachen weitaus dürftiger. Prospektive Studien zur Notfall-Therapie der massiven Lungenembolie, akuten Myokarditis oder akuten mechanischen Komplikationen nach Myokardinfarkt werden dringend benötigt, um die Therapie aller kardialer Grunderkrankungen evidenzbasiert zu verbessern.

Risikostratifizierung Abbildung 1: Hauptursachen und wesentliche pathophysiologische Mechanismen des kardiogenen Schocks (modifiziert nach Lüsebrink et al. Lancet 2024)

Medikamentöse Therapie-Optionen

 

Abgesehen von der Optimierung des Volumenstatus beruht die pharmakologische Therapie auf der Verabreichung von Vasopressoren und Inodilatatoren. Die OPTIMA-CC- und SOAP-II-Studien lieferten Hinweise auf eine niedrigere Komplikationsrate unter Noradrenalin im Vergleich zu Dopamin und Suprarenin, weshalb zumindest die europäischen Leitlinien in erster Linie Noradrenalin als Vasopressor empfehlen. Bei den Inodilatatoren stehen in Europa Dobutamin, Milrinon und Levosimendan zur Verfügung, allerdings konnte in der randomisierten DOREMI- und SURVIVE-Studie kein Unterschied im Hinblick auf das Überleben und andere klinisch relevante Endpunkte festgestellt werden, der eines dieser 3 Medikamente favorisieren würde.

 

Auch bei der Erforschung neuer Wirkstoffe konnte weder in der TRIUMPH-Studie noch in der ACCOST-HH-Studie ein Nutzen von Tilarginin oder Adrecizumab gezeigt werden. Insgesamt gibt es somit auch zur medikamentösen Therapie des kardiogenen Schocks keine ausreichende Evidenzlage.

 

Für eine optimale individualisierte Therapie werden vor allem weitere Daten zur Effektivität der jeweiligen Medikamente in klar definierten Subgruppen des kardiogenen Schocks, zur Kombinationstherapie, zum optimalen Zeitpunkt und zu konkreten Behandlungszielen (z.B. Blutdruckzielwerte) benötigt.

Mechanische Kreislaufunterstützung

 

Die RCTs zur mechanischen Kreislaufunterstützung (MCS) im kardiogenen Schock haben große Aufmerksamkeit erfahren, da die intra-aortale Ballon-Pumpe (IABP), die veno-arterielle extrakorporale Membranoxygenierung (VA-ECMO), und die Impella Mikroaxialpumpe schon vor deren Publikation großflächig eingesetzt wurden. Die IABP-SHOCK-II-Studie aus dem Jahr 2012 und die ECLS-SHOCK-Studie, die 2023 publiziert wurde, konnten jeweils keinen signifikanten Unterschied der 30-Tages- und 1-Jahres-Mortalität dieser MCS-Systeme im infarkt-bedingten kardiogenen Schock zeigen. Das Studiendesign beider Studien war allerdings abgesehen von der Ätiologie auf den breiten Einschluss eines relativ unselektiven Patientenkollektives ausgelegt, beispielsweise lag der Anteil von Patientinnen und Patienten mit Kreislaufstillstand in IABP-SHOCK II bei 45 % und in der ECLS-SHOCK-Studie bei 78 %. Da bei diesen Patientinnen und Patienten ein schlechteres neurologisches Outcome zu erwarten ist, könnte der Vorteil der IABP und VA-ECMO unterschätzt worden sein. Auch die hohe Komplikationsrate, allen voran Blutungen und Extremitätenischämien, könnten einen Nutzen maskiert haben.

Das Studiendesign der DanGer-Shock-Studie, welche den Effekt der Impella CP mit bis zu 3,5 l/min Flussrate im infarkt-bedingten kardiogenen Schock untersucht hat, unterscheidet sich deutlich von der IABP-SHOCK II und ECLS-SHOCK-Studie. In DanGer-Shock wurden nur Patientinnen und Patienten mit ST-Hebungsinfarkt, die nicht oder nur sehr kurz reanimiert wurden, eingeschlossen, wodurch das Studienkollektiv nur etwa 20 % der Patientinnen und Patienten im infarkt-assoziierten kardiogenen Schock repräsentiert.

 

Die Autoren um Jacob Møller konnten zeigen, dass die routinemäßige Implantation einer Impella CP in dieser speziellen Subgruppe einen Überlebensvorteil nach 180 Tagen mit sich bringt, trotz signifikant höherer Rate an dialysepflichtigem Nierenversagen, Blutungen und peripheren Durchblutungsstörungen in der Interventionsgruppe. Bei der Interpretation muss auch berücksichtigt werden, dass die Studie ausschließlich an großen Tertiärzentren durchgeführt wurde, sodass die Ergebnisse möglicherweise nicht direkt auf Kliniken mit geringerer Fallzahl übertragbar sind. Ebenso sind einige Aspekte, wie die hohe Mortalität der Kontrollgruppe nach 6 Monaten und der hohe Fragility Index immer noch in Diskussion.

Die Kehrseiten der spezifischen Einschlusskriterien der DanGer-Shock-Studie liegen auf der Hand: Der Rekrutierungszeitraum war mit 10 Jahren relativ lang und die Ergebnisse betreffen nur einen geringen Teil der Patientinnen und Patienten im kardiogenen Schock und weitere RCTs sind nötig, um die MCS-basierte Therapie auch für andere relevante Subgruppen zu verbessern. Dennoch stellt die DanGer-Shock-Studie einen echten Durchbruch in der Erforschung des kardiogenen Schocks dar, da sie nicht nur wichtige Erkenntnisse zur Therapie liefert, sondern auch für das Design zukünftiger Studien.

 

"Nonetheless, the DanGer Shock trial represents a milestone that reflects successful application of a temporary MCS device in a selected subgroup of patients with ST-elevation myocardial infarction-related cardiogenic shock." 1

Blick in die Zukunft

 

Erweiterte echokardiographische Kenntnisse zur Einschätzung der RV-Parameter sind obligat. Die Nutzung verfügbarer Algorithmen und Scores erleichtert die Diagnostik und Therapie und sollte bei allen Patientinnen und Patienten angewendet werden. Eine zeitnahe Etablierung eines PAK zur frühen Detektion eines kardiogenen Schocks sowie zum Erkennen hämodynamischer Verschlechterungen sollte, entgegen vergangener Diskussionen, fokussiert und zukünftig neu aufgearbeitet werden.


Die Therapie der akuten Lungenembolie wird in den nächsten Jahren immer invasiver. Im Vergleich zur mit Komplikationen behafteten systemischen Lysetherapie zeigen bisherige Erfahrungen invasiver Therapien (EKOS©/FlowTriever©) erfolgsversprechende Verläufe, einschließlich postinterventioneller sofortiger hämodynamischer Stabilisierung, was für die Zukunft invasiver Therapien bei Lungenarterienembolien spricht.


Bei Verdacht auf einen rechtsventrikulären Infarkt sollten stets die rechtsventrikulären elektrokardiographischen Ableitungen in Betracht gezogen werden. Die umgehende Revaskularisierung der RCA und individuell des RV-Astes hat oberste Priorität. Zudem ist eine differenzierte Volumentherapie zu berücksichtigen. Als Ultima Ratio müssen mechanische Unterstützungssysteme diskutiert werden.


Im Falle eines Kreislaufstillstands ist die eCPR eine vielversprechende Therapieoption. Dringend zu beachten ist hierbei jedoch die rasche bereits präklinische Entscheidungsfindung, korrekte Selektion der Patientinnen und Patienten anhand oben genannter Kriterien und die Behandlung in erfahrenen Zentren. Eine der vor allem in ländlicheren Gebieten größten Herausforderungen wird das Erreichen der „Golden Hour of eCPR“ sein. Zukünftig müssen alle Glieder der Rettungskette für dieses Anliegen sensibilisiert und in eine strukturierte Vorgehensweise eingebunden werden.


Referenzen

  1. Lüsebrink E, Binzenhöfer L, Adamo M et al. Cardiogenic shock. Lancet. 2024 Nov 16;404(10466):2006-2020. doi: 10.1016/S0140-6736(24)01818-X. PMID: 39550175.
  2. Lüsebrink E, Binzenhöfer L, Thiele H. The DanGer Shock trial: a new dawn but much to uncover. Eur Heart J. 2024 Oct 14;45(39):4181-4183. doi: 10.1093/eurheartj/ehae516. PMID: 39132927.
  3. Lüsebrink E, Binzenhöfer L, Hering D et al. Scrutinizing the Role of Venoarterial Extracorporeal Membrane Oxygenation: Has Clinical Practice Outpaced the Evidence? Circulation. 2024 Mar 26;149(13):1033-1052. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.123.067087. Epub 2024 Mar 25. PMID: 38527130.

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