VA-ECMO im infarktbedingten Kreislaufversagen: Schock nach ECLS-SHOCK?

Eine frühe, unselektierte VA-ECMO-Anwendung im infarktbedingten kardiogenen Schock bietet keinen Mortalitätsvorteil verglichen mit einer medikamentösen Therapie und erhöht die Komplikationsrate. Zu diesem Ergebnis kam die beim ESC-Kongress 2023 vorgestellte ECLS-SHOCK-Studie. Die VA-ECMO wird kein breit einzusetzendes Therapeutikum, sondern bleibt ein Bridging-Verfahren für ausgewählte Fälle.

 

Bildquelle (Bild oben): Kiryl Lis / Shutterstock.com

Von PD Dr. med. Alexander Dietl 

stellvertretender Herausgeber der Rubrik Intensiv- und Notfallmedizin 

 

06.09.2023

Der kardiogene Schock stellt einen lebensbedrohenden Notfall dar. Ein niedriges Herzzeitvolumen führt zur Minderperfusion des gesamten Organismus und konsekutiv schnell zum Multiorganversagen. Die Mortalität ist mit etwa knapp 50% beklagenswert hoch. Der akute Herzinfarkt ist weiterhin die häufigste Ursache. Zur hämodynamischen Stabilisierung werden meist Inotropika eingesetzt, welche selbst erhebliche Nebenwirkungen, etwa Arrhythmien, verursachen. In derart desolater Situation zeigten Beobachtungsstudien und Registerdaten aus spezialisierten Zentren positive Ergebnisse der Anwendung einer VA-ECMO. Es wurde gesehen, dass sie die Perfusion lebenswichtiger Organe stabilisieren, die kardiogene Schockspirale durchbrechen und das Überleben verbessern kann. Entsprechend verdreißigfachte sich die Anwendung der VA-ECMO zwischen 2007 und 2015 in Deutschland. Diese Praxis wird angesichts der teils hoffnungslosen Situation im kardiogenen Schock und der hoffnungsvollen Beobachtungen bis heute gelebt, obwohl bisher positive, randomisierte Studien mit ausreichender Teilnehmerzahl fehlten

Erste große, randomisierte Studie zur VA-ECMO im kardiogenen Schock

Die multizentrische, randomisierte ECLS-SHOCK-Studie verglich nun erstmals die frühe, unselektierte VA-ECMO-Anwendung noch im Herzkatheterlabor bei infarktassoziiertem kardiogenen Schock mit einer konventionellen Akuttherapie primär ohne mechanische Kreislaufunterstützungssysteme. Prof. Dr. Holger Thiele, Herzzentrum Leipzig, stellte beim ESC-Kongress 2023 in Amsterdam die Ergebnisse der zeitgleich im New England Journal of Medicine publizierten Studie vor. An 44 Zentren wurden 417 Patient:innen rekrutiert, welche aufgrund eines akuten Myokardinfarktes einen kardiogenen Schock erlitten und bei denen die unmittelbare Revaskularisation erfolgen sollte. Kardiogener Schock wurde definiert als systolischer Blutdruck unter 90 mmHg über mindestens 30 Minuten, der Notwendigkeit katecholaminerger Unterstützung unabhängig von deren Dosis, einem Laktat von mindestens 3 mmol/l (entsprechend 27 mg/dl) und klinischen Schockzeichen. Eine Evaluation hinsichtlich Schockdynamik und konservativem Therapieversagen war nicht Bestandteil der Einschlusskriterien. Die Gesamtstudienkohorte war im Median 63 Jahre alt und überwiegend männlich (81%). Eine bemerkenswert große Zahl von 78% wurde vor Studieneinschluss bereits reanimiert und das über immerhin 20 Minuten im Median. Ein relevanter Anteil beider Gruppen wechselte noch nach Randomisierung die tatsächliche Behandlung: Nur 92% der VA-ECMO-Patient:innen, aber immerhin 13% der Kontrollgruppe, wurden tatsächlich an eine VA-ECMO genommen. Die Mortalitätsergebnisse variierten dennoch nicht zwischen einer Intention-to-treat Analyse aller randomisierten Patient:innen, oder auch nach einer per-protocol Analyse oder tatsächlicher Behandlung (as-treated). Allerdings erhielten weitere 15% der Patient:innen der Kontrollgruppe ein anderes Device zur kurzzeitigen mechanischen Kreislaufunterstützung (27 Impella, 1 IABP). In der Summe war also etwa ein Viertel der eigentlich konventionell intendierten Kontrollgruppe zumindest vorübergehend an einem mechanischen Herzkreislaufunterstützungssystem. 

Kein genereller Mortalitätsvorteil der VA-ECMO im infarktbedingten kardiogenen Schock 

Anders als möglicherweise erwartet, wurde die 30-Tage-Mortalität jeglicher Ursache durch die VA-ECMO-Therapie nicht beeinflusst (47,8% VA-ECMO, 49,0% Kontrolle, relatives Risiko 0,98; 95% Konfidenzintervall 0,80-1,19). Die häufigste Todesursache war refraktärer kardiogener Schock (51% VA-ECMO, 55% Kontrolle), was angesichts der doch kurzen medianen Zeit am Device von 2,7 Tagen überraschen mag. Weitere 26% (VA-ECMO) respektive 27% (Kontrolle) der Patient:innen verstarben an schwerer Hirnschädigung. Hinzu kommt die insgesamt erhebliche Prävalenz schwerer neurologischer Beeinträchtigung (über 20% mit CPC 3-4) der Überlebenden an Tag 30, welche dem hohen Anteil bereits vor Studieneinschluss Reanimierter geschuldet sein mag. Es wird nicht berichtet, wie häufig und zu welchem Zeitpunkt eine vorzeitige Therapielimitierung an VA-ECMO aufgrund schwerer Enzephalopathie durchgeführt wurde. 

Hinsichtlich sekundärer Endpunkte, wie Beatmungszeit, Dialyse oder Dauer der Katecholamintherapie war die VA-ECMO dem konservativen Vorgehen nicht überlegen. Desillusionierend war die Zahl schwerer, therapieassoziierter Komplikationen. So kam es in der VA-ECMO-Gruppe bei 23% zu relevanten Blutungsereignissen (10 % in Kontrollgruppe).

 

Konsequenzen für die tägliche Praxis auf der kardiologischen Intensivstation 

Welche Konsequenzen kann diese erste randomisierte Studie zur VA-ECMO im infarktassoziierten kardiogenen Schock für unsere tägliche Praxis im Herzkatheterlabor und auf der kardiologischen Intensivstation haben? Bisher empfiehlt die Extracorporeal Life Support Organization (ELSO) die VA-ECMO im therapierefraktären kardiogenen Schock ausschließlich als Bridging-Verfahren, bis sich das Herz erholt, es chirurgisch wiederhergestellt, transplantiert oder mittels dauerhaftem Device (LVAD-Systeme) ersetzt wird. Man muss erneut klarstellen: VA-ECMO kann weder ein nach Reanimation schwer geschädigtes Gehirn, noch ein ausgedehnt ischämisch geschädigtes Herz restituieren. Eine VA-ECMO kann lediglich vorübergehend die Perfusion lebenswichtiger Organe übernehmen und unterstützen. Die Sinnhaftigkeit einer großzügigen Erweiterung der Indikationsstellung auf konservativ stabilisierbare Patient:innen oder Fälle, deren Hoffnung auf Erholung der kardialen Funktion oder Gesundung angesichts von Vorerkrankungen, Gebrechlichkeit oder Schockverlauf sehr gering ist und welche gleichzeitig weder für LVAD noch Transplantation geeignet sind, wird durch die aktuellen Studienergebnisse deutlich widerlegt. 50% der in der VA-ECMO-Studie kanülierten Patient:innen waren in der doch vielfach auch konservativ suffizient zu stabilisierenden Schockkategorie SCAI C („Classic cardiogenic shock“), nur die Hälfte der Patient:innen im schweren, häufig therapierefraktären Schock (SCAI D „Deteriorating“ und SCAI E „Extremis“). Lediglich jeweils 1 Patient:in jeder Gruppe wurden einem LVAD-Verfahren zugeführt. So wird die VA-ECMO ein Bridging-Verfahren für ausgewählte Fälle bleiben.

 

Zwei weitere Ergebnisse der Studie geben wichtige Gedankenanstöße: Trotz der hohen Komplikationsrate der VA-ECMO war die Mortalität vergleichbar zur Kontrollgruppe. Da schwere Komplikationen regelhaft das Überleben verschlechtern, muss das derzeitige technische und therapeutische Vorgehen an VA-ECMO, etwa das Gerinnungsmanagement, überdacht und optimiert werden, um so möglicherweise das Überleben zu verbessern. Ferner scheint der therapeutische Effekt der VA-ECMO im kardiogenen Schock in der vorgestellten Arbeit nicht sehr ausgeprägt zu sein. So ist die VA-ECMO nicht per se ein Gamechanger, sondern leistet einen überschaubaren, aber manchmal entscheidenden Beitrag in einem Bündel komplexer intensivmedizinischer Maßnahmen. Überraschend war, dass in beiden Gruppen Laktatclearance, Katecholaminbedürftigkeit und Nierenversagen vergleichbar waren. Fragen nach dem konkreten intensivmedizinischen Vorgehen (Zielmitteldruck, ECMO-Fluss, Katecholamin-Weaning) sollten mittels weitergehender Analysen beantwortet werden. Unabhängig davon gilt nun umso mehr: Angesichts des engen therapeutischen Nutzens und der hohen Komplikationsrate werden wir intensivmedizinisch Tätige nochmals zum generell das ärztliche Handeln bindende „primum nihil nocere“ gemahnt. Eine strenge Indikationsstellung bleibt wichtig. 

 

 

„Wir sehn [...] betroffen // Den Vorhang zu und viele Fragen offen.“

Aktuell sind unzureichend zu beantwortende Fragen noch häufig: welches Herz wird sich nach Infarkt rechtzeitig erholen, sodass das Bridgingverfahren VA-ECMO weit genug trägt? Wie können wir eine infauste hypoxische Hirnschädigung zeitgerecht erkennen? Welches ist das beste Management an VA-ECMO bezüglich Antikoagulation, Hämodynamik und Entwöhnung? Wer profitiert von einer Unloading-Strategie etwa mittels Impella? Wer eignet sich wann für ein LVAD-Verfahren oder ggf. für eine Transplantation? Wer also kann von einem VA-ECMO-Verfahren profitieren?

 

Hinsichtlich dieser essentiellen Fragen sei nach der ECLS-SHOCK-Studie nun der große Bertolt Brecht frei zitiert: „wir sehn betroffen den Vorhang zu und viele Fragen offen“. Auf diese gibt uns die aktuelle Studie keine Antwort, was freilich auch nicht ihr Ziel war. Prof. Thiele machte aber bereits Hoffnung auf eine Folgestudie aus ECLS-SHOCK, wie er am ESC 2023 verriet. Ebenso werden die Ergebnisse der französischen ANCHOR-Studie erwartet, welche in einem ähnlichen Kollektiv die Kombination aus VA-ECMO und linksventrikulärem Unloading mittels IABP randomisiert einer Kontrollgruppe gegenüberstellt. Ebenfalls spannend werden die Resultate der dänisch-deutschen DanGer-Studie werden, welche statt VA-ECMO eine Kreislaufunterstützung mittels Impella CP untersuchte und bewusst das schwierige Kollektiv bereits reanimierter Patient:innen ausschloss.

Weiterführende Links

Hier finden Sie ein Interview mit Prof. Thiele (auf herzmedizin.de bereits zu finden): https://herzmedizin.de/fuer-aerzte-und-fachpersonal/kardiologie-interdisziplinaer/intensiv-und-notfallmedizin/esc-kongress-2023-prof-dr-holger-thiele-ueber-ecmo-ecls-shock.html

Referenzen

Thiele H et al: Extracorporeal Life Support in Infarct-Related Cardiogenic Shock. N Engl J Med. 2023, doi: 10.1056/NEJMoa2307227.

Lorusso R et al: ELSO Interim Guidelines for Venoarterial Extracorporeal Membrane Oxygenation in Adult Cardiac Patients. ASAIO J. 2021, doi: 10.1097/MAT.0000000000001510. 

Maack C et al: Treatments targeting inotropy. Eur Heart J. 2019, doi: 10.1093/eurheartj/ehy600.

Becher PM et al: Venoarterial Extracorporeal Membrane Oxygenation for Cardiopulmonary Support. Circulation. 2018, doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.118.036691.


Weiterführende Links

Hier finden Sie unser Interview mit Prof. Holger Thiele: ECMO vs. No ECMO

 

Zur Qualitätssicherung bei der VA-ECMO-Therapie hat die Arbeitsgruppe 42 für kardiopulmonale Reanimation der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) ein interdisziplinäres Register gegründet. Im Interview spricht Prof. Tobias Wengenmayer, stellvertretender Sprecher der AG 42, über Ziele und Hintergründe des VA-ECMO-Registers.

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