Die Transthyretin-Amyloidose, im folgenden ATTR-Amyloidose genannt, ist eine progressive, systemische Erkrankung. Durch die fehlgefalteten Proteine kommt es zur Bildung von Tetrameren, welche sich auch im Herzmuskel ablagern und so zu einer rasch progredienten Herzinsuffizienz führen. Es gibt zum einen die erbliche, hereditäre Form (hATTR), wobei in Deutschland wesentlich häufiger die Amyloidose des älteren Wildtyps auftritt, überwiegend bei männlichen Patienten ohne Nachweis von genetischen Veränderungen (wtATTR, früher auch als „senile Amyloidose“ bezeichnet). Für die kardiale ATTR-Amyloidose gibt es bisher nur die zugelassene Therapie mit dem Tetramer-Stabilisator Tafamidis, während für die neurologische Indikation ATTR-Polyneuropathie schon länger RNA-Therapeutika (RNA-Silencer- und RNA-Interferenz-Medikamente) zugelassen sind.
Das Ziel der HELIOS-B-Studie war die Evaluation der Therapie mit dem RNA-Interferenz-Medikament Vutrisiran bei symptomatischer kardialer ATTR-Amyloidose.
Es handelt sich bei HELIOS-B um eine internationale multizentrische, doppel-blinde, randomisierte Placebo-kontrollierte Phase-3-Studie.
Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus Tod jeglicher Ursache und wiederkehrenden kardiovaskulären Ereignissen. Sekundäre Endpunkte umfassten den Tod jeglicher Ursache, die Veränderung der zurückgelegten Strecke im 6-Minuten-Gehtest gegenüber dem Ausgangswert sowie die Veränderung des Gesamtscores des Kansas City Cardiomyopathy Questionnaires (KCCQ-OS) gegenüber dem Ausgangswert. Die Wirksamkeitsendpunkte wurden in der Gesamtpopulation und in der Monotherapie-Population (die Teilnehmenden, die zu Beginn kein Tafamidis erhielten) bewertet und hierarchisch getestet. Alle klinischen Ereignisse wurden unabhängig adjudiziert.
Insgesamt wurden 655 Personen randomisiert; 326 erhielten Vutrisiran und 329 Placebo. Die Behandlung mit Vutrisiran führte zu einem geringeren Risiko für Tod jeglicher Ursache und wiederkehrende kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zu Placebo (Hazard Ratio in der Gesamtpopulation: 0,72; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,56–0,93; P = 0,01; Hazard Ratio in der Monotherapie-Population: 0,67; 95%-KI: 0,49–0,93; P = 0,02) sowie zu einem geringeren Risiko für Tod jeglicher Ursache über einen Zeitraum von 42 Monaten (Hazard Ratio: 0,65; 95%-KI: 0,46–0,90; P = 0,01).
Ein primärer Endpunkt trat bei 163 Studienteilnehmenden in der Vutrisiran-Gruppe und bei 202 in der Placebo-Gruppe auf. In der Gesamtpopulation führte die Behandlung mit Vutrisiran zu einem signifikant geringeren Rückgang der im 6-Minuten-Gehtest zurückgelegten Strecke im Vergleich zu Placebo (Kleinste-Quadrate-Mittelwert-Differenz: 26,5 m; 95%-KI: 13,4–39,6; P < 0,001) und zu einem signifikant geringeren Rückgang des KCCQ-OS-Scores (Kleinste-Quadrate-Mittelwert-Differenz: 5,8 Punkte; 95%-KI: 2,4–9,2; P < 0,001). Ähnliche Vorteile wurden in der Monotherapie-Population beobachtet.
Die Therapie zeigte sich wirksam in allen präspezifizierten Subgruppen. In einer exploratorischen Analyse zeigten sich NT-proBNP- und Troponin-I-Level mit Stabilisierung unter Vutrisiran im Vergleich zum progredienten Anstieg unter Placebo, sowie parallele Veränderungen zugunsten von Vutrisiran im Peak Longitudinal Strain (Core-Lab-Analyse). Wie erwartet, fand sich unter Vutrisiran eine Reduktion der Serum-TTR-Spiegel um 81 %.
Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 62 % der Studienteilnehmenden in der Vutrisiran-Gruppe und bei 67 % in der Placebo-Gruppe auf.
Eine Zusatztherapie mit Tafamidis war als Hintergrund erlaubt; insofern kann kein Vergleich zwischen der Therapie mit Vutrisiran und Tafamidis erfolgen.
Über 90 % der eingeschlossenen Personen waren männlich und hatten zu knapp 90 % eine wtATTR-Kardiomyopathie, so dass die Aussagekraft für Frauen bezüglich dieser Studie sehr begrenzt ist.
Statistische Methode war das LWYY-Modell, welches Tod und kardiovaskuläre Ergebnisse identisch wertet.
If approved, vutrisiran has the potential to become a standard of care for newly diagnosed patients and those progressing on stabilising therapies.
Marianna Fontana, National Amyloidosi Center, London, England
Es ist erfreulich, dass durch die gesteigerte Awareness und nicht-invasive Diagnosemöglichkeiten Personen mit ATTR-Amyloidose heute früher identifiziert werden, und insofern zum Zeitpunkt des Einschlusses in die HELIOS-B Studie einen geringeren Schweregrad der kardialen ATTR-Amyloidose aufweisen als z. B. in der ATTRACT-Studie (Tafamidis-Zulassungsstudie). Zudem sind Tafamidis und SGLT-2-Inhibitoren bereits einigermaßen etabliert (bis 40 % bzw. 33 % in der HELIOS-B-Population). Ich finde es sehr gut, dass in Kürze mit Vutrisiran eine weitere Therapiemöglichkeit für Personen mit kardialer ATTR-Amyloidose zur Verfügung stehen wird. Spannend ist aus meiner Sicht zukünftig der Vergleich zwischen den verschiedenen Wirkmechanismen und ihrem Outcome, z. B. über adjustierte Metaanalysen, inklusive der gegenwärtig sich in Phase 3 befindlichen „Depleter“-Antikörper.