Was sind Anlass und Ziel der Publikation?
Es wurde erstmals von der ESC eine eigene Leitlinie für Kardiomyopathien herausgegeben. Bisher wurden diese Herzmuskelerkrankungen in anderen Leitlinien, z. B. für die Herzinsuffizienz, abgehandelt. Dieser Schritt stellt also endlich die Bedeutung dieser Erkrankungen heraus und liefert für Kardiologinnen und Kardiologen wichtige Hinweise für ein modernes, Patienten-zentriertes Management der Erkrankungen.
Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?
- Die Aufklärung der Ursache einer Kardiomyopathie hat große Bedeutung auf die Prognose und Behandlung. Für viele Unterformen existieren bereits effektive Therapien.
- Die genetische Diagnostik wurde durchweg aufgewertet und sollte bei allen Patientinnen und Patienten erwogen werden. Auch hieraus ergeben sich wichtige therapeutische Hinweise.
- Bei Kindern finden sich oftmals syndromale Kardiomyopathien, hier muss ein Netzwerk aus kompetenten Ärztinnen und Ärzten aus verschiedenen Fachdisziplinen zusammenarbeiten.
- Ein multimodaler Ansatz wird für die Diagnose einer Kardiomyopathie vorausgesetzt. Hierbei erfährt das Kardio-MRT eine deutliche Aufwertung und sollte neben Echokardiographie, EKG und Laborparametern durchgeführt werden.
- Die Erstellung eines Stammbaums kann der Eintrittspunkt für eine effektive Abklärung einer familiären Beteiligung sein.
Eine zentrale Abbildung aus der DGK-Publikation:
Abb.: Integrierter Ansatz zur phänotypischen Klassifikation einer Kardiomyopathie. Das klinische Szenario umfasst symptomatische Patientinnen und Patienten, Zufallsbefunde und Probanden aus dem Familienscreening. Mittels multimodaler Bildgebung werden im nächsten Schritt die Parameter zur Einordnung in den Kardiomyopathie-Phänotyp erhoben und ggf. zusätzliche, für Verlauf, Risikostratifizierung und Therapie wichtige Parameter identifiziert. Gerade bei jungen Patientinnen und Patienten ist es prognostisch relevant, die Ätiologie zu verstehen, um ggf. kausale oder spezifische Therapien anwenden zu können (z. B. Immunsuppression, Enzymersatztherapie, Proteinstabilisatoren etc.). ARVC Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie; CMP Kardiomyopathie; CMR kardiale Magnetresonanztomographie; DCM dilatative Kardiomyopathie; EKG Elektrokardiogramm; HCM hypertrophe Kardiomyopathie; NDLVC nichtdilatative linksventrikuläre Kardiomyopathie; RCM restriktive Kardiomyopathie. Bildquelle: © ESC2023. Arbelo et al (2023) Eur Heart J 44(37):3503–3626. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad194
Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?
Die Verfügbarkeit des kardialen MRT ist noch nicht flächendeckend und teilweise nicht durch die Krankenkassen abgedeckt. Ebenso ist die genetische Diagnostik noch zu wenig im täglichen Handeln angekommen, kann aber immense Bedeutung für die Betroffenen haben. Die Abklärung von Kardiomyopathiepatientinnen und -patienten vor nicht-kardialen Eingriffen ist wichtig, um das Risiko der Betroffenen zu reduzieren. Einen bislang nicht-betroffenen Angehörigen mittels aufwändiger Bildgebung vor einer Operation abzuklären, erscheint realitätsfern.
Welche Punkte sind offengeblieben?
Die Leitlinie kommuniziert viele Konzepte und Prinzipien. Das ist sicherlich sehr sinnvoll und ein Weg mit den variablen Phänotypen einer Kardiomyopathie umzugehen. Für viele wichtige Aspekte existiert noch zu wenig Quantitatives. Natürlich existieren in diesem Bereich auch noch zu wenige randomisierte Studien – dies ändert sich aber momentan.
Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?
Die Präzisionsmedizinischen Konzepte in dieser Leitlinie sind sicherlich auch auf andere Krankheitsbilder übertragbar und können hier leistungsfähige medizinische Lösungen transportieren. Letztlich muss hierfür aber auch eine effiziente Informationsprozessierung (Bildgebung, Genetik, etc.) gegeben sein, durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Die DGK hat hierfür die Sektion eCardiology gegründet, in der diese und andere Fragen bearbeitet werden.
Kommentar zu den Leitlinien 2023 der ESC zum Management von Kardiomyopathien – Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
Literaturnachweis: Meder B., Eckardt L., Falk V. et al. Kommentar zu den Leitlinien 2023 der ESC zum Management von Kardiomyopathien. Kardiologie (2024) https://doi.org/10.1007/s12181-024-00685-w