Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) spielt eine zentrale Rolle in der Regulation des Blutdrucks und in der Entstehung der arteriellen Hypertonie. Das RAAS reguliert den Blutdruck durch Änderungen des Vasotonus (Bindung von Angiotensin an AT1- und AT2-Rezeptoren) aber auch durch die Regulation des Wasser- und Elektrolythaushalts. Viele zur Behandlung der Hypertonie eingesetzten Substanzklassen, unter anderem ACE-Hemmer, AT1-Rezeptorblocker (Sartanen), direkten Renininhibitoren, Betablocker und Mineralokortikodirezeptor-Antagonisten (MRA) greifen in das RAAS ein.
Die Hemmung der Aldosteron-Wirkung ist besonders attraktiv, da Aldosteron nicht nur zu einer Erhöhung des Blutdrucks, unter anderem durch eine renale Reabsorption von Natrium und Wasser, führt, sondern auch über die Induktion von Inflammation, Fibrose und Hypertrophie zu vaskulärem, myokardialem und renalem Remodelling beitragen kann.1 Die steroidalen Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten Spironolacton und Eplerenon sind daher fester Bestandteil der Herzinsuffizienztherapie. Der nicht-steroidale MRA Finerenon etabliert sich in der Therapie der Herzinsuffizienz mit erhaltener systolischer Pumpfunktion und chronischen Nierenerkrankung.
Zur Behandlung der arteriellen Hypertonie empfehlen die aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC)2 und die der Europäischen Gesellschaft für Hypertonie (ESH)3 Spironolacton als 4. Medikament bei Patientinnen und Patienten mit resistenter Hypertonie. Die Klasse-IIa-Empfehlung basiert auf der PATHWAY-2-Studie die eine stärkere Reduktion des häuslichen systolischen Blutdrucks nach 12 Wochen unter Spironolacton im Vergleich zu Bisoprolol, Doxazosin und Placebo bei resistenter Hypertonie gezeigt hat, aber auch auf der Annahme, dass der resistenten Hypertonie häufig eine autonome, das heisst Renin-unabhängige, Aldosteron-Freisetzung zugrunde liegt.4
Studien in der Indikation Hypertonie mit einem Follow-up von mehr als 3 Monate sowie Endpunktstudien fehlen. Im klinischen Alltag werden MRA aufgrund von Hyperkaliämie, insbesondere bei eingeschränkten Nierenfunktion, nicht eingesetzt oder aufgrund antiandrogener Wirkungen nicht toleriert. Die Mineralokotrikoidrezeptor-unabhängigen Effekte von Aldosteron, zum Beispiel die Potenzierung vasokonstriktorischer Effekte von Angiotensin II, werden durch MRA nicht nur nicht gehemmt, sondern vielmehr durch eine Zunahme der Aldosteronspiegel unter MRA verstärkt.5
Frühere Versuche einer Upstream-Inhibition der Aldosteronwirkung durch Hemmung der Aldosteronsynthase, welche durch CYP11B2 kodiert und für die letzten 3 Schritte der Aldosteronsynthese verantwortlich ist, haben zwar die Aldosteronspiegel und den Blutdruck gesenkt, aber aufgrund der geringen Selektivität auch die 11-beta-Hydroxylase, welche durch CYP11B1 kodiert wird, und somit die Kortisol-Synthese gehemmt. Die Entwicklung der Aldosteronsynthase-Inhibitoren wird durch die ausgeprägte Sequenzhomologien (>93%) zwischen CYP11B1 und CYP11B2 erschwert. Ein potenzieller Nachteil der Aldosteronsynthase-Inhibitoren ist, dass sie die Aktivierung des Mineralokortikoidrezeptors durch Kortisol, die ein wichtiger Auslöser für Gewebeschädigung sein kann, wahrscheinlich nicht verhindern könnnen.1
Aktuell werden mindestens 4 Aldosteronsynthase-Inhibitoren in klinischen Studien für verschiedene Indikationen untersucht: Baxdrostat (CIN-107), Lorundrostat (MLS-101), Dexfadrostat (DP13) und Vicadrostat (BI690517). Baxdrostat hat in der Phase-II-Studie BrigHTN bei Patienten mit einer resistenten Hypertonie und einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) >45 ml/min/1,73 m2 den systolischen Praxisblutdruck nach 12 Wochen dosisabhängig und im Vergleich zu Placebo signifikant gesenkt.6 In einer zweiten Phase-II-Studie, der HALO-Studie, konnte nach 8 Wochen kein signifikanter Unterschied zwischen der Reduktion des systolischen Praxisblutdrucks in der Baxdrostat- und der Placebo-Gruppe gezeigt werden.7 Lorundrostat wurde ebenfalls in einer Phase-II-Studie zur Behandlung der unkontrollierten Hypertonie bei Patienten mit einer eGFR >60 ml/min/1,73 m2 untersucht: in der Target-HTN-Studie senkte Lorundrostat im Vergleich zu Placebo den Praxisblutdruck nach 8 Wochen sowohl bei Patienten mit und ohne supprimierter Plasma Renin-Aktivität.8 Sowohl in der BrigHTN-Studie als auch der Target-HTN-Studie gab es keine Hinweise für eine Beeinträchtigung der Kortisol-Synthese und die Hyperkaliämieraten waren niedrig.6,8
Auf dem diesjährigen Kongress des ACC in Chicago wurden am 29.03.2025 die Ergebnisse der Advance-HTN-Studie vorgestellt, die als Phase-2b-Studie die Effektivität und Sicherheit von Lorundrostat bei Patientinnen und Patienten mit unkontrollierter Hypertonie untersucht hat. Die Publikation der Ergebnisse im New England Journal of Medicine wurde zwar angekündigt, war aber zum Zeitpunkt der Erstellung des Kommentars noch ausstehend. An der Studie wirkten 103 Zentren in den USA mit.
Insgesamt wurden 926 Patientinnen und Patienten mit einer eGFR ≥45 ml/min/1,73 m2 und einem Praxisblutdruck von 140-180 mmHg systolisch und 90-110 mmHg diastolisch trotz Behandlung mit 2-5 blutdrucksenkenden Medikamenten eingeschlossen. Vor der 1:1:1-Randomisierung in eine der beiden Lorundrostat-Gruppen (Lorundrostat 50 mg oder Lorundrostat 50 mg mit Dosissteigerung auf 100 mg bei weiterhin unkontrolliertem Praxisblutdruck ohne Hyperkaliämie, Hyponatriämie und eGFR ≥45 ml/min/1,73 m2 nach 4 Wochen) oder die Placebo-Gruppe, wurden alle Patientinnen und Patienten während einer Run-in-Periode auf eine standardisierte Therapie mit Olmesartan 40 mg und Indapamid 2,5 mg mit oder ohne Amlodipin 10 mg umgestellt.
Nach der Run-in-Periode erfüllten nur noch 285 (31%) der Patientinnen und Patienten die Einschlusskriterien für die Randomisierung. Etwas mehr als die Hälfte (53%) der Patientinnen und Patienten wurden ausgeschlossen, da der 24h-Langzeitblutdruck nicht zwischen 130 und 180 mmHg systolisch und >80 mmHg diastolisch lag. Die eingeschlossenen Personen waren im Mittel 60 Jahre alt, der Body-Mass-Index lag bei 32 kg/m2, etwa 40 % Frauen und etwas mehr als die Hälfte Black oder African-American.
Der primäre Endpunkt war die Änderung des systolischen 24h-Blutdrucks zwischen der Randomisierung und dem 12-Wochen-Follow-up. In beiden Lorundrostat-Gruppen wurde der systolische 24h-Blutdruck nach 12 Wochen im Vergleich zu Placebo signifikant gesenkt, allerdings führte die Dosissteigerung von Lorundrostat auf 100 mg zu keiner Zunahme des Effekts (-7,9 mmHg mit Lorundrostat 50 mg und -6,5 mmHg mit Lorundrostat 50-100 mg). Darüber hinaus erreichten mehr als doppelt so viele Personen in den Lorundrostat- (41%) als in der Placebo-Gruppe (18%) eine Blutdruckkontrolle (Odds Ratio 3,3; 95%KI [1,4; 7,8]), die als systolischer 24h-Langzeitblutdruck <125 mmHg definiert war.
Eine Hyperkaliämie mit einem Kalium-Wert >6 mmol/l wurde bei 5% der Personen in der Lorundrostat-Gruppe, die mit 50 mg behandelt wurden, beziehungsweise 7 % der Personen in der Lorundrostat-Gruppe, in der eine Dosissteigerung von 50 mg auf 100 mg möglich war nachgewiesen. Bei 2 % bzw. 3 % der Personen in den Lorundrostat-Gruppen wurde die Hyperkaliämie >6 mmol/l durch Wiederholungsmessungen und nach Ausschluss hämolytischer Proben bestätigt.
Mit der Advance-HTN-Studie wurde nach den BrigHTN- und Target-HTN-Studien eine weitere vielversprechende Phase-2-Studie vorgestellt, die die blutdrucksenkende Wirkung selektiver Aldosteronsynthase-Inhibitoren bei guter Verträglichkeit zeigt. Allerdings fehlen (i) Evidenz zur Sicherheit und Wirksamkeit über 2-3 Monate hinaus, (ii) kardiovaskuläre oder renale Endpunktstudien sowie (iii) direkte Vergleiche der Aldosteronsynthase-Inhibitoren mit anderen Substanzklassen.
Laut einer Pressemitteilung des Herstellers hat auch die Placebo-kontrollierte Phase-3-Studie Launch-HTN, in der 1.083 Patientinnen und Patienten mit unkontrollierter Hypertonie trotz der Behandlung mit 2-5 Antihypertensiva entweder mit Lorundrostat oder Placebo behandelt wurden, ihren primären Endpunkt, einer Reduktion des systolischen Praxisblutdrucks nach 6 Wochen (-16,9 mmHg vs. -9,1 mmHg; p<0,0001), erreicht.9
Es ist erfreulich, dass mit den Aldosteronsynthase-Inhibitoren, dualen Endothelin-Rezeptor-Antagonisten und Zilebesiran nach Jahren des Stillstands wieder neue Wirkstoffe zur Behandlung der Hypertonie untersucht werden. Die Notwendigkeit für neue Therapiemöglichkeiten der Hypertonie besteht zweifelsohne, denn bislang erreicht weltweit nur etwa ein Viertel der Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck eine leitliniengerechte Blutdruckeinstellung.10 Die Advance-HTN-Studie hat uns aber auch gezeigt, dass durch eine Umstellung der bestehenden auf eine leitliniengerechte blutdrucksenkende Therapie mit einem Renin-Angiotensin-System-Blocker, einem Thiazid- oder Thiazid-ähnlichem Diuretikum mit oder ohne Kalziumkanalblocker bereits bei vielen Patientinnen und Patienten eine Blutdruckkontrolle erreicht werden konnte.