Das langwirksame Amylin-Analogon Cagrilintid bindet am Calcitonin-Rezeptor und an den Amylin-Rezeptoren. Amylin ist ein Peptidhormon, das von den Beta-Zellen des Pankreas sekretiert wird. Cagrilintid verringert den Appetit (insbesondere das Verlangen nach Süßigkeiten) und erhöht das Sättigungsgefühl. Die Kombination von Cagrilintid mit dem GLP1-Rezeptoragonisten Semaglutid könnte durch die unterschiedlichen Wirkmechanismen zu größeren Gewichtsabnahmen führen als die Therapie mit den jeweiligen Einzel-Wirkstoffen. Die Wirksamkeit einer Fixkombination aus Cagrilintid 2,4 mg und Semaglutid 2,4 mg (CagriSema) wurde gegenüber Placebo über 68 Wochen in den beiden Phase-3-Studien REDEFINE 1 (Personen mit Übergewicht ohne Diabetes) und REDEFINE 2 (Personen mit Übergewicht und Diabetes) untersucht. Primärer Endpunkt war der Gewichtsverlust bis Woche 68.
Insgesamt wurden 3.417 Personen eingeschlossen (mittlerer BMI 37,9 kg/m2; mittleres Gewicht 106,9 kg; 67,6 % Frauen), die randomisiert eine Behandlung mit CagriSema (Cagrilintid/Semaglutid), den beiden Einzelwirkstoffen oder Placebo erhielten. Der mittlere Körpergewichtsverlust bis Woche 68 betrug -20,4 % in der CagriSema-Gruppe vs. -3,0 % mit Placebo (Differenz -17,3 %; 95%KI [-18,1; -16,6]; p<0,001). Mit den beiden Monotherapien wurde ein Gewichtsverlust von jeweils 14,9 % für Semaglutid und 11,5 % für Cagrilintid erreicht. Gastrointestinale (GI) Nebenwirkungen (überwiegend mild bis moderat ausgeprägt) traten als häufigste unerwünschte Ereignisse bei 79,6 % vs. 39,9 % der Personen der CagriSema- vs. Placebo-Gruppe auf.
Insgesamt wurden 1.206 Personen mit Übergewicht und Diabetes (mittleres Alter 56,0 Jahre; mittlerer BMI 36,2 kg/m2; mittleres Köpergewicht 102,2 kg, mittleres HbA1c 8,0 % und 48 % Frauen) 3:1 randomisiert mit CagriSema oder Placebo behandelt. Der mittlere Körpergewichtsverlust bis Woche 68 betrug -13,7 % in der CagriSema-Gruppe vs. -3,4 % in der Placebo-Gruppe (Differenz -10,4 %; 95%KI [-11,2; -9,5]; p<0,001). Einen HbA1c≤6,5 % erreichten 73,5 % der Personen der CagriSema-Gruppe vs. 15,9 % der Placebo-Gruppe. Als häufigste unerwünschte Ereignisse traten GI-Nebenwirkungen (überwiegend mild bis moderat ausgeprägt) bei 72,5 % vs. 34,4 % der Personen der CagriSema- vs. Placebo-Gruppe auf.
Mit der Kombination aus Cagrilintid und Semaglutid wurde ein signifikant höherer Gewichtsverlust erreicht als mit Semaglutid allein – sowohl bei Übergewicht mit Diabetes als auch ohne Diabetes. Allerdings war der Gewichtsverlust insgesamt nicht höher im Vergleich zu der Abnahme, die in Studien zuvor mit dem GLP1/GIP-Rezeptoragonisten Tirzepatid beobachtet wurde.
Die Adipositas betrifft weltweit mittlerweile mehr als eine Milliarde Menschen. Sie ist kein Ausdruck mangelnder Disziplin oder ein Lifestyle-Phänomen, sondern eine schwere chronische Erkrankung mit hoher Mortalität und einem besonders ausgeprägten kardiovaskulären Risiko. Die erfreuliche Entwicklung der vergangenen Jahre ist, dass uns zunehmend wirksame pharmakologische, inkretinbasierte Therapien zur Verfügung stehen, die ergänzend zur Lebensstilmodifikation eingesetzt werden können und zu einer sicheren und effektiven Gewichtsreduktion führen.
Die rasante Weiterentwicklung – darunter duale Inkretinrezeptor-Agonisten, Triple-Agonisten und Kombinationen mit Amylin-Analoga – unterstreicht, dass die pharmakologische Adipositas-Therapie inzwischen im Zentrum medizinischer Forschung und klinischer Versorgung steht. Besonders spannend ist, dass neue Kombinationspräparate wie Cagrilintid/Semaglutid teils zu einer noch stärkeren Gewichtsreduktion führen als GLP-1-Rezeptoragonisten allein.
Für uns in der kardiometabolischen Medizin ist allerdings nicht allein der Umfang der Gewichtsabnahme entscheidend. Mindestens ebenso relevant sind die Auswirkungen auf kardiovaskuläre und kardiorenale Endpunkte. Die SELECT-Studie (Semaglutid vs. Placebo) ist bislang die erste und einzige Studie, die zeigen konnte, dass eine pharmakologische Gewichtsreduktion tatsächlich zu einer signifikanten Reduktion von Mortalität und kardiovaskulären Ereignissen bei Patientinnen und Patienten mit Adipositas führt. Eine aktuelle Subanalyse der SELECT-Studie zeigt zudem, dass der kardiovaskuläre Nutzen von Semaglutid unabhängig vom Ausgangs-BMI und vom Ausmaß der erzielten Gewichtsreduktion besteht.5 Aus mechanistischen Arbeiten wissen wir, dass die kardioprotektiven Effekte der GLP-1-Rezeptoragonisten insbesondere durch direkte antiinflammatorische und vasoprotektive Wirkungen vermittelt werden – und nicht primär durch die Gewichtsreduktion selbst.
Angesichts der Vielzahl neuer Daten zu inkretinbasierten Therapien bei Adipositas ist mit weiteren wichtigen Erkenntnissen zu rechnen. Die Ergebnisse kommender kardiovaskulärer Endpunktstudien werden zeigen müssen, ob der noch ausgeprägtere Gewichtsverlust unter modernen Wirkstoffkombinationen – wie etwa der Kombination aus Cagrilintid und Semaglutid – auch in einen größeren kardiovaskulären Nutzen übersetzt wird. Die bislang beobachtete stärkere Senkung des hsCRP unter CagriSema im Vergleich zu Semaglutid allein ist in diesem Zusammenhang zumindest ein vielversprechender Hinweis, insbesondere mit Blick auf die derzeit laufenden CVOTs.
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